Erst mal die schlechte Nachricht: Die Anzahl der zurückgegebenen Ausbildungsverträge nimmt zu. Jetzt die gute: Dies geschieht unabhängig von der Unternehmensgröße. Das hat Diplom-Psychologe Wolfgang Kring vom Info-Institut für Organisationen beobachtet.
Arbeitsplatz muss sicher sein
Am wichtigsten sind den künftigen Arbeitskräften der Generation Z eine Arbeit, die Spaß macht, ein sicherer Arbeitsplatz und ein Beruf, der den eigenen Fähigkeiten und Neigungen entspricht. Das hat die McDonald’s-Ausbildungsstudie 2019 herausgefunden. Ein sicherer Arbeitsplatz und die Möglichkeit, etwas Sinnvolles zu tun, ist auch den jungen Befragten der Shell-Jugendstudie 2019 am wichtigsten.
„Auch kleine Firmen aus der Region, die sich aktiv um die jungen Mitarbeiter bemühen, auf deren Persönlichkeit eingehen, eine familiäre Atmosphäre erzeugen und einen sicheren Arbeitsplatz anbieten, haben Chancen gegenüber Großunternehmen“, erklärt Kring. Denn die Generation Z ist aus seiner Sicht „digital unterwegs, aber trotzdem lokal verwurzelt“. „Die Probezeit wird mittlerweile auch von jungen Mitarbeitern als Testphase angesehen, um das Unternehmen, die Führungskräfte und die möglichen Aufgaben kennenzulernen“, erklärt Wirtschaftspsychologin Nadja Schneider vom Info-Institut für Organisationen. Da die gut ausgebildeten Vertreter der Generation Z viele Optionen hätten, sei es wichtig, den Onboarding-Prozess aktiv zu gestalten, also beispielsweise die Eltern einzuladen oder in Corona-Zeiten ein digitales Treffen oder digitalen Kaffee mit dem künftigen Team zu organisieren.
Regelmäßiges Feedback ist wichtig
„Die Generation Z ist durchaus leistungsbereit und möchte von Anfang an an anspruchsvolle Aufgaben herangeführt werden“, sagt Schneider. Sie erwarten laut der Expertin, dass sich Führungskräfte vom ersten Tag an um sie kümmern. Regelmäßiges Feedback mit klaren und nachweisbaren Lernzielen, die transparent kommuniziert werden, ist aus der Sicht von Schneider wichtig. „Eine Generation, die mit Apps wie Snapchat oder Instagram aufwuchs, ist an ganz kurzfristige Gratifikationen, auch im Hinblick auf Feedback, gewöhnt, wenn sie beispielsweise Bilder ihres Abendessens posten und dieses dann geliked wird“, sagt auch Professor Martin Klaffke, der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin lehrt. Auch die Möglichkeit, sich selbst einzuschätzen, wünscht sich der Firmen-Nachwuchs, ergänzt Generation-Z-Expertin Schneider. Im Idealfall zeigt der Ausbilder bzw. die Führungskraft Schneider zufolge dem jungen Mitarbeiter in einem Mitarbeitergespräch die nächsten Entwicklungsschritte im Sinne einer Lernprozessbegleitung auf. „Und die Generation Z ist es gewohnt, für Fortschritte gelobt zu werden“, sagt Schneider. Sie rät jedoch von Gefälligkeitsbeurteilungen ab, da die jungen Mitarbeiter diese durchschauen.
Informelle Regeln erklären
„Führungskräfte müssen mit guter Argumentation dafür sorgen, dass möglicherweise überzogene Erwartungen der jüngeren Generation reflektiert werden“, sagt Klaffke. So sind Kinder von Helikoptereltern es gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen, und kommen aus seiner Sicht „mitunter als Berufsanfänger mit einer Gewinnerhaltung an den Arbeitsplatz, bevor sie im Betrieb etwas geleistet haben.“ In diesem Fall sei es wichtig, jungen Mitarbeitenden behutsam und mit viel Verständnis, nicht mit einem Schuss vor den Bug, einen konstruktiven und harmonischen Weg ins Unternehmen aufzuzeigen. „Dafür müssen sich Führungskräfte intensiv mit den lebensjüngeren Kollegen befassen und regelmäßige Einzeltreffen zum Abgleich von Erwartungen vereinbaren“, so Klaffke. „Gerade zu Beginn sollten Führungskräfte jungen Mitarbeitern auch die informellen Verhaltensregeln im Betrieb, wie die persönliche Begrüßung am Morgen oder die Regeln zur Nutzung von Smartphones in der Arbeitszeit, erklären, damit sich die Jungen gut in der Firma einfinden“, rät Kring.
Um junge Mitarbeiter zu binden, rät Kring vom Einsatz klassischer Statussymbole wie einem Dienstwagen oder einer Gehaltserhöhung ab. „Ausbildungsbeauftragte benötigen vielmehr eine neue innere Haltung, die sie authentisch vermitteln können“, sagt Kring. Ein erster Schritt dahin sei es, zu überlegen, wie sie zu Beginn ihrer Karriere geführt wurden und wie sie gerne geführt worden wären, wenn sie das selbst hätten bestimmen können. „Gute Führung, Mit- und Selbstbestimmung, eine Trennung von Privat- und beruflichem Leben wünschen sich auch ältere Mitarbeiter“, so Kring weiter.
Alt und Jung in den Dialog bringen
Auch Generationenworkshops können aus Klaffkes Sicht dabei helfen, dass sich Mitarbeiter jeglichen Alters über die jeweiligen Prägungen und die daraus entstandenen Verhaltensweisen anderer Generationen informieren. Auf diese Weise können Mitarbeiter laut Klaffke besprechen, inwiefern die Zusammenarbeit und Kommunikation gut läuft und wo es noch hakt. Ein solcher Workshop ist für Firmen unabhängig von der Größe hilfreich und sollte Klaffke zufolge „viele Übungen zur Selbstreflexion beinhalten, da diese Fähigkeit der Schlüssel zu einem veränderten Führungs- und Kollegenverhalten ist.“ In der aktuellen Corona-Krisensituation beobachtet Kring, dass viele langfristig orientierte Unternehmen aus dem Mittelstand sich seit April 2020 mit dem Thema virtuelle Führung von Auszubildenden und dual Studierenden auf den Weg gemacht haben.
Um die Unternehmenskultur dauerhaft zu verändern, ist es aus Krings Sicht ratsam, dass ältere und jüngere Mitarbeiter beispielsweise über Mentoring-Projekte voneinander lernen. „Ältere Mitarbeiter sind mitunter geübter im Umgang mit Excel und jüngere kennen sich besser mit sozialen Medien aus“, so Kring. Diese Synergien können Unternehmen nutzen und gleichzeitig die Bindung aller Mitarbeiter erhöhen.
Mit guten Praktikanten in Kontakt bleiben
Eine Gruppe, die Unternehmen beim Thema Führungsnachwuchs oftmals nicht auf dem Schirm haben, sind Praktikanten. „Unternehmen sollten darauf achten, Praktika attraktiv zu gestalten und auch danach mit den Personen in Verbindung zu bleiben. Durch regelmäßige Einladungen, eine Geburtstagskarte oder andere einfache Dinge, die den Kontakt halten und Interesse signalisieren“, rät Klaffke. Diesbezüglich werde aktuell noch „viel Potenzial verschenkt“. „Langfristig orientierte Unternehmen unterstützen Auszubildende auf diesem Weg beispielsweise durch die Möglichkeit zu einem dualen Studium“, so Kring, „und binden sie dadurch als potenzielle Führungskräfte.“
Barbara Bocks| redaktion@regiomanager.de
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