Sabine Kolbricht ist enttäuscht. „Auf der Weihnachtsfeier im vergangenen Jahr haben unsere Chefs große Reden darüber geschwungen, wie profitabel das Unternehmen 2015 gearbeitet hat“, berichtet sie. Kolbricht ist als Grafikerin in einer Kölner Werbeagentur tätig. „Da hieß es dann auch, dass wir am Erfolg beteiligt werden sollten, man überlege nur noch, nach welchem Modell“, erinnert sich die 36-Jährige. Zehn Monate sind seitdem vergangen, von einer Erfolgsbeteiligung hat die Grafikerin nichts mehr gehört. „Dabei fände ich es nicht nur aus rein finanziellen Gründen gut, wenn die Firma uns an positiven Entwicklungen teilhaben ließe“, sagt Kolbricht. Für sie würde eine solche Beteiligung auch eine Anerkennung der persönlichen Arbeit bedeuten. „Das würde mich stolz machen und mich motivieren“, erklärt die Grafikerin. Ein Freund von ihr ist bei Siemens in München beschäftigt und über Mitarbeiteraktien am Konzern beteiligt. „Meine Werbeagentur ist natürlich keine Aktiengesellschaft“, sagt Kolbricht. „Aber irgendeine Form der Mitarbeiterbeteiligung müsste sich doch finden lassen.“
Zahlreiche Varianten der Beteiligung
In der Tat gibt es zahlreiche Modelle, mit denen Unternehmen ihre Angestellten für Erfolg belohnen können. Prämien sind eine Variante, sie stellen jedoch eine Honorierung der ganz persönlichen Leistung eines Beschäftigten dar. Über Beteiligungen hingegen nehmen Mitarbeiter an der Gesamtentwicklung der Firma teil. Davon profitieren keineswegs nur die Angestellten. „Solche Beteiligungen haben für Unternehmen viele Vorteile“, sagt Dr. Heinrich Beyer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Mitarbeiterbeteiligung. Sie könnten eine Unternehmenskultur schaffen, in der sich die Mitarbeiter mit ihren Ideen und eigener Initiative einbringen. Höhere Erträge und eine größere Attraktivität der Firma als Arbeitgeber seien oft die Folge. Zudem bieten Beteiligungen der Belegschaft für Unternehmen die Möglichkeit, sich Kapital zu beschaffen. Und Mitarbeitern winken in Zeiten dauerhafter Niedrigzinsen gute Renditen. Dennoch erfreuen sich Mitarbeiterbeteiligungen bei deutschen Unternehmen bislang keiner allzu großen Beliebtheit. Zahlen des Bundesverbandes zufolge bieten nur etwa zwei Prozent ihren Mitarbeitern eine Kapitalbeteiligung an, nur rund 800.000 Beschäftigte sind Belegschaftsaktionäre. Dabei sind es vor allem große Unternehmen, meist börsennotierte Konzerne, die die Vorzüge von Mitarbeiterbeteiligungen erkannt haben. Bei mittelständischen Firmenchefs herrscht hingegen immer noch Skepsis. So machen nur etwa knapp über neun Prozent der Unternehmen von einer Erfolgsbeteiligung Gebrauch, gerade einmal zwei Prozent setzen Kapitalbeteiligungen ein. Das mag daran liegen, dass viele mittelständische Unternehmen in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) firmieren. Sollen bei einer GmbH Mitarbeiter zu Mitgesellschaftern werden, müssen diese einzeln notariell ins Handelsregister eingetragen werden. Das bedeutet einen hohen Verwaltungsaufwand. Zudem fürchten viele Firmenlenker, dass die Beschäftigten über ihre Beteiligungen zu viele Mitspracherechte erhalten könnten. Und: In der Regel lassen sich Mittelständler nicht gern in ihre Geschäftszahlen schauen. Diesen Einblick müssen die Unternehmen ihren Anteilseignern je nach gewähltem Modell aber gewähren. Wer die Vorzüge, die Mitarbeiterbeteiligungen bieten, jedoch nutzen möchte, kann aus einer breiten Palette an Varianten wählen. Da ist zunächst die Ausgabe von Belegschaftsaktien. Mitarbeiter, die Aktien erwerben, sind – wie alle anderen Aktionäre auch – voll am Gewinn und über den Wert der Belegschaftsaktien auch am Verlust des Unternehmens beteiligt. Sie erhalten Dividendenausschüttungen, dürfen über die Geschicke der Firma mitbestimmen und erhalten Einblick in die Bilanz.
So geht’s mit GmbH-Anteilen
Eine andere Möglichkeit, Mitarbeiter an den Geschicken der Firma direkt teilhaben zu lassen, sind GmbH-Beteiligungen. Dabei werden die Mitarbeiter am Gesellschaftsvermögen beteiligt. Da sie sich ins Unternehmen einkaufen und Gesellschaftsanteile erwerben, erhöht sich das Eigenkapital der Firma. Die Mitarbeiter nehmen an Gewinnen und Verlusten voll teil. Da sie Gesellschafter sind, dürfen sie ebenso wie die Anteilseigner einer Aktiengesellschaft Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen und haben Einsicht in die Bilanz. Weniger Einfluss räumen Unternehmen ihren Mitarbeitern ein, wenn sie diese über stille Beteiligungen zu Mitgesellschaftern machen. Dabei leistet der Angestellte eine Einlage, die in der Regel nach einer bestimmten Laufzeit zurückgezahlt wird. Je nachdem, wie die Verträge gestaltet werden, sind die Beschäftigten nur am Gewinn des Unternehmens oder auch an Verlusten sowie den stillen Reserven beteiligt. Auch eine zusätzliche Verzinsung kann vereinbart werden. Nach außen hin tritt ein stiller Gesellschafter nicht in Erscheinung, der Vertrag gilt nur im Innenverhältnis. Bilanziert das Unternehmen nach Handelsgesetzbuch, was bei mittelständischen Firmen meist der Fall ist, können stille Beteiligungen je nach Ausgestaltung als Fremd- oder als Eigenkapital gelten. Sollen sie als bilanzielles Eigenkapital qualifiziert werden, so müssen sie für mindestens fünf Jahre sowohl für den Mitarbeiter als auch für die Geschäftsführung unkündbar sein. Sie müssen in voller Höhe am Verlust des Unternehmens teilnehmen und mit einem Nachrang versehen sein. Dies bedeutet, dass die stillen Gesellschafter, im Falle von Mitarbeiterbeteiligungen also die Beschäftigten, bei einer Unternehmensinsolvenz erst nach anderen Gläubigern bedient werden. Über stille Beteiligungen erhalten die Mitarbeiter zwar keine Mitspracherechte, was die Führung des Unternehmens angeht. Sie haben aber bestimmte Kontrollrechte. So dürfen sie etwa Einsicht in den Jahresabschluss, die Bücher und Geschäftsunterlagen des Unternehmens verlangen und diese prüfen.
Beteiligung mit Genussscheinen
Wer das nicht möchte, kann Mitarbeiter über Genussrechte am Unternehmen beteiligen. Die Papiere sind eine Art Zwitter zwischen Anleihe und Aktie. Wie bei einer Anleihe stellt der Mitarbeiter dem Unternehmen Kapital zur Verfügung und erhält dafür Zinsen. Gleichzeitig nimmt er wie ein Aktionär – bis zur Höhe des eingesetzten Kapitals – am Verlust des Unternehmens teil. Erzielt die Firma geringere Gewinne als erwartet, sinken die Zinsen. Denn anders als bei einer Anleihe ist der Zinssatz nicht fix, sondern erfolgsabhängig gestaltet. In schlechten Jahren kann die Zinszahlung auch komplett ausgesetzt werden. Mit Genussscheinen erhalten Mitarbeiter geringe Informations-, jedoch keine Kontroll- und Mitspracherechte. Genussrechte nehmen in der Bilanz des Unternehmens eine Zwischenstellung zwischen Eigen- und Fremdkapital ein. Das Schöne dabei: Während die Eigenkapitalquote gestärkt wird, können die Finanzierungskosten steuerlich abgesetzt werden. Schließlich gibt es auch die Variante, bei Mitarbeitern reines Fremdkapital aufzunehmen. Dies funktioniert z.B. mit Mitarbeiterdarlehen. Dabei gewährt der Arbeitnehmer dem Unternehmen ein Darlehen. Dieses wird mit einer Bankbürgschaft gegen die Insolvenz der Firma abgesichert. Die Beschäftigten erhalten eine Verzinsung. Mit einem Mitarbeiterdarlehen nehmen die Angestellten zwar nicht direkt am Erfolg des Unternehmens teil. Aber es verbindet sie dennoch mit der Firma – und motiviert.
Andrea Martens I redaktion@regiomanager.de
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