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3D-Druck: Große Gestaltungsfreiheit

Additive Fertigungsverfahren ermöglichen eine Kleinserienproduktion ohne Werkzeuge – frei wählbare Geometrien und größtmögliche Individualisierung. Was ist schon für den Mittelstand machbar?

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von Regiomanager 17.12.2021
Produkterstellung mit einer additiven Fertigungsanlage (© Alex_Traksel − stock.adobe.com) | Michael Otterbein

„Mit der additiven Fertigung kann zukünftig der Ort der Produktion flexibel festgelegt werden: Wenn der Fertigungsdatensatz erstellt wurde, kann er prinzipiell weltweit genutzt werden, um in Kürze das passende Bauteil zu fertigen. Das ist hochspannend z.B. für die Ersatzteilfertigung oder die Auslastungssteuerung zwischen verschiedenen Standorten eines Unternehmens. Ich denke auch, dass Bürger*innen zukünftig selbst immer häufiger in Kontakt mit additiven Bauteilen kommen werden. Sei es, weil sie z.B. an einem Auto oder Fahrrad verbaut sind oder weil sie sich selbst an ein 3D-Druckzentrum wenden, um z.B. ein Ersatzteil herzustellen“, beschreibt Dr. Kai Hilgenberg von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) die Potenziale der additiven Fertigung.


Unterschiedliche Materialien verwendbar


Definiert wird das – umgangssprachlich auch als 3D-Druck bezeichnete – Verfahren als „ein Prozess, der Objekte aus 3D-Modelldaten Schicht für Schicht durch das Verbinden von Materialien herstellt“. Darin unterscheidet sich additive Fertigung grundsätzlich von „subtraktiven Verfahren“, bei denen die gewünschte Form durch Abtragung aus dem Ausgangsmaterial herausgearbeitet wird, wie es klassischerweise in der Bildhauerei, aber auch bei vielen industriellen Verfahren wie Schleifen oder Fräsen geschieht. Wurde die 3D-Drucktechnik anfangs vor allem für die Herstellung von Prototypen oder Musterbauteilen (Rapid Prototyping) eingesetzt, werden inzwischen Werkstücke für die verschiedensten Anwendungen additiv produziert. Weitere Anwendungsgebiete der 3D-Technik sind „Rapid Tooling“ (die Erstellung von Werkzeugen) und „Rapid Repair“ (die Reparatur von beschädigten Gegenständen). Verarbeitet werden beim 3D-Druck unterschiedliche Materialien, darunter vor allem Kunststoffe, Metalle und Keramik. Im medizinischen Bereich gibt es aber auch schon Versuche mit organischem Material bis hin zu menschlichen Zellen für die Wiederherstellung verbrannter Hautpartien oder dem Nachbau von Organen. In diese Richtung zielt auch die künstliche Herstellung von Fleisch als Lebensmittel aus pflanzlichen oder auch tierischen Ausgangsstoffen.


Beispiele aus Medizintechnik, Hochbau und Automobilindustrie


Was im Rahmen von additiver Fertigung möglich ist, zeigen Beispiele aus unterschiedlichen Branchen. Das erste kommt aus der Medizin, wo man dazu übergeht, Prothesen für zu ersetzende Gelenke wie Sprung- oder Kniegelenke per 3D-Druck herzustellen. Dabei können sowohl Kunststoffe als auch Metalle oder Keramik eingesetzt werden. Gegenüber bisherigen Herstellungsverfahren hat die 3D-Technik den enormen Vorteil, dass Prothesen wirklich personalisiert für den Patienten angefertigt und so optimal eingepasst werden können. Die für den 3D-Druck benötigten präzisen Daten erhält man durch eine Computertomografie. Während in der Medizin kleine, sehr präzise Werkstücke benötigt werden, zielt eine andere Anwendung additiver Fertigung auf erheblich größere Strukturen: Es geht um den 3D-Druck von Gebäuden, für den es inzwischen Anbieter aus unterschiedlichen Weltteilen gibt. Die dafür eingesetzten Anlagen sind in der Lage, Beton oder verwandte Baustoffmischungen zu extrudieren und daraus Teile für verschiedenste Bauwerke herzustellen. Auf diese Weise wird es möglich, ein Einfamilienhaus in nur 24 Stunden mittels 3D-Druck zu errichten.


Additive Bauteile müssen
neu gedacht werden


In der Automobilindustrie wird additive Fertigung inzwischen ebenfalls verstärkt eingesetzt. So z.B. bei der Audi AG für die Produktion durchgefärbter Kunststoffteile mit frei wählbaren Geometrien und sehr variabler Farbwahl. In hohem Maße werden additive Fertigungsverfahren bereits im Motorsport eingesetzt. Für die Werkstoffe der Rennfahrzeuge gelten besonders hohe Anforderungen bezüglich Leichtigkeit, Hitzebeständigkeit und Crash-Sicherheit. Dazu sind die Serien hier relativ klein, was es unwirtschaftlich macht, für die komplexen Leichtbau- und Hohlraumkonstruktionen Werkzeuge zu fertigen. In der computergesteuerten 3D-Fertigung lassen sich diese komplexen Vorgaben unproblematisch umsetzen. Dazu wird noch deutlich Material eingespart. Diese Beispiele zeigen, dass die große Gestaltungsfreiheit, größtmögliche Individualisierung und hohe Geschwindigkeit wichtige Vorteile der additiven Fertigung sind.
Dieser Meinung ist auch Dr. Kai Hilgenberg, der davon ausgeht, dass additive Verfahren vor allem dort eingesetzt werden, wo ihre Vorteile wirtschaftlich umgesetzt werden. „Das sind individuelle Bauteile oder Kleinserien, geometrisch komplexe Bauteile, Bauteile aus Werkstoffen, die spanend nur schwer zu verarbeiten sind. Die Medizintechnik wird weiterhin ein Paradeanwendungsgebiet bleiben.“ Des Weiteren ist er der Meinung, „dass insbesondere das geometrische Gestaltungspotenzial bisher in vielen Anwendungen noch gar nicht ausgeschöpft wird. Hier dringt erst nach und nach in die Köpfe der Konstrukteur*innen, dass man additive Bauteile neu denken muss und kann. Zudem bestehen faszinierende Möglichkeiten, den Werkstoff im Prozess zu variieren und lokal den Erfordernissen anzupassen. Damit ergeben sich völlig neue Potenziale z.B. in der Verfahrenstechnik“, so Dr. Hilgenberg.


Es ist empfehlenswert, einen Partner an Bord zu holen


Der Einstieg in die additive Fertigung ist für Unternehmen allerdings von einer Vielzahl von Parametern abhängig. Da ist zunächst die Finanzfrage, denn je nach Anwendung kosten 3D-Drucker zwischen ein paar Hundert bis zu mehreren Hunderttausend Euro. „Für KMU ist es daher zunächst oft wirtschaftlich sinnvoller, externe Druckdienstleiter zu beauftragen, als selbst ein Gerät zu beschaffen“, erklärt Hendrik Gerland vom IPH – Institut für Integrierte Produktion Hannover. „Darüber hinaus ist es – vor allem bei komplexen Verfahren wie dem Metalldruck – ideal, sich einen mit dem Thema vertrauten Mitarbeiter ins Unternehmen zu holen. Wer selbst einsteigen möchte, sollte dem Thema im Unternehmen eine hohe Priorität geben. Am besten ist, wenn es vom Geschäftsführer zu seinem persönlichen Projekt gemacht wird.“ Dr. Kai Hilgenberg von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung ist ebenfalls überzeugt, dass qualifiziertes Personal für den Einstieg in die additive Fertigung eine hohe Bedeutung hat – und bietet allen Interessierten zugleich fachliche Unterstützung an. „Es ist sicher empfehlenswert, sich einen Partner an Bord zu holen, der bei der Sichtung der unterschiedlichen Technologien und notwendigen Komponenten zum Aufbau einer Fertigung behilflich ist. Wir an der BAM können durch unser Kompetenzzentrum Additive Fertigung z.B. bei Fragen zur Qualitätssicherung oder der Werkstoffauswahl unterstützen“, so Dr. Hilgenberg. Michael Otterbein
| redaktion@regiomanager.de

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Kleinere 3D-Drucker können direkt auf dem Schreibtisch eingesetzt werden (© ­­­VadimGuzhva − stock.adobe.com)

Dr. Kai Hilgenberg von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) (© BMA)

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