Dem einen wird heiß, wenn er Sanitär- und Heizungstechnik hört, und der andere denkt an den letzten Wasserrohrbruch, der tagelang das Büro lahmgelegt hat. Dabei ist und kann Sanitär- und Heizungstechnik heute längst viel mehr als vor 20 Jahren. Zwar werden noch immer Rohre verflanscht und Heizkörper montiert, aber gerade im gewerblichen Bereich steckt dahinter meist ein ausgeklügeltes System, bei dem viele Aspekte berücksichtigt werden müssen und modernste Technik zum Einsatz kommt. Bundesweit sind über 50.000 Unternehmen in dieser Branche tätig, vom Familienbetrieb bis zum mittelständischen Unternehmen mit mehreren Niederlassungen und Tausenden Mitarbeitern. Während andere Branchen über Umsatzrückgänge klagen, geht es in dieser Branche stetig bergauf. Statista gab im März 2020 den Umsatz für 2019 mit 46,5 Milliarden Euro an, was im Vergleich zu 2009 eine Steigerung von fast 50 Prozent bedeutet.
Dieser Aufschwung kommt nicht von ungefähr, die Branche folgt den Veränderungen in der Gesellschaft, die ihr im privaten und gewerblichen Bereich so manchen lukrativen und langfristigen Auftrag beschert. Zum einen die Baukonjunktur sowohl im Wohnungsbau als auch im gewerblichen Hochbau der letzten Jahre, die in allen Bereichen, privat und gewerblich, zum anderen auch der Sanitär- und Heizungstechnik zugutekam.
Demografie als Motor
Im Sanitärbereich gibt vor allem der demografische Wandel den Unternehmen einen Umsatzschub. Immer mehr Eigenheimbesitzer investieren in ein barrierefreies Bad, um ihren Lebensabend zu Hause verbringen zu können. Gleichzeitig wächst der Bedarf an Senioren- und Pflegeeinrichtungen, die ausgestattet und gewartet werden wollen. Seit Ausbruch der Pandemie ist zudem plötzlich der Infektionsschutz ein großes Thema – in privaten Haushalten, vor allem aber in Einrichtungen mit Publikumsverkehr. Für die Branche kein neues Thema, bietet sie doch schon lange Konzepte, wie Personal, Patienten und Besucher in Krankenhäusern vor Infektionen geschützt werden können. Seit Händewaschen und Desinfektion in allen Lebensräumen Alltag geworden ist, ergeben sich für die Unternehmen neue Marktchancen.
Klimawandel pusht
Der Heizungstechnikbranche hingegen spielt der Klimawandel in die Hände. Gesetze, Verordnungen und Förderprogramme rund um nachhaltiges Heizen verhelfen den Firmen im privaten und gewerblichen Bereich zu neuen Aufträgen. Für Ein- und Mehrfamilienhäuser gilt ab 2026 ein Verbot für Ölheizungen. Dieses sorgt dafür, dass die Auftragsbücher der Sanitär- und Heizungstechniker schon Monate im Voraus gut gefüllt sind. Aber auch Immobiliengesellschaften müssen sich den neuen Verordnungen für ein klimafreundliches Heizmilieu beugen und entsprechende Konzepte beauftragen.
Aber letztlich ist jedes Unternehmen gefordert, ob der Einzelhändler von nebenan oder die Industrieproduktion, an der Erreichung der Klimaziele mitzuwirken und gegebenenfalls neue Heizkonzepte entwickeln zu lassen. Vor allem die staatlichen Förderungen zur Energieeinsparung und zur Nutzung erneuerbarer Energien versprechen der Branche noch einige Jahre und Jahrzehnte eine sichere Basis.
Wachstumsfaktor Digitalisierung
Ein Motor, der sowohl Sanitär- als auch Heizungstechnik antreibt, ist die Digitalisierung. Ein Waschbecken bleibt zwar auch im Zeitalter von Bits und Bytes ein Waschbecken, aber die digitalen Möglichkeiten sorgen für einen Entwicklungsspielraum, dessen Ende nicht abzusehen ist. Ob der vorprogrammierte Wasserverbrauch am Handwaschtisch oder die App zur energieeffizienten Steuerung der Heizung in Haus und Gewerbe, die Umsetzung fällt nicht vom Himmel. Es werden Unternehmen gebraucht, die kompetent sind, das Mögliche auf jede Gegebenheit anzupassen. Ein weiteres Geschenk des Fortschritts für die Sanitär- und Heizungstechnikbranche.
Nun sind die Chancen das eine und die Realisierung das andere. Was helfen einem Unternehmen die lukrativen Aufträge, wenn sie nicht über ausreichend und entsprechend qualifiziertes Personal verfügen. Ehe eine Wasserspülung programmiert werden kann, muss sie eingebaut werden, hier arbeiten Handwerker mit spezialisierten IT-Kräften Hand in Hand bzw. die traditionellen Berufsbilder der Installateure verändern sich, wie das in der Automobilbranche schon lange der Fall ist. Neben das klassische Hand-Werk tritt die Elektronik. Derzeit leidet das Berufsbild allerdings noch unter seinem Image, als Ansprechpartner für „Gas-Wasser-Scheiße“, wie der Volksmund sagt. Dabei ist abzusehen, dass die Installateure der Sanitär- und Heizungstechnik aktiv an der Einrichtung rundum programmierter und vom Smartphone bedienbarer Smarthomes beteiligt sein werden. Was ist es denn, was von unterwegs gesteuert werden soll? Die Heizung, damit es schön warm ist, wenn man heimkommt, ohne dass den ganzen Tag über sinnlos Energie verbraucht wird. In Unternehmen ist es nicht der Feierabend, der optimal eingeleitet werden soll, sondern die Bilanz: Wenn in jedem Büro und jeder Halle, in denen gerade nicht gearbeitet wird, die Heizung via vernetzter Systeme heruntergeregelt werden kann, macht sich das auf dem Firmenkonto und in der Ökobilanz bemerkbar.
BIM als neuer Standard
Die digitale Entwicklung macht vor der Sanitär- und Heizungstechnik nicht halt. Smarthome mag für manche eine Utopie sein, aber auch unabhängig davon schleichen sich die neuen technischen Möglichkeiten in die Branche ein. Bereits bei der Planung neuer Bauwerke gewinnt die Digitalisierung an Bedeutung. Building Information Modeling, auch kurz BIM genannt, greift immer mehr um sich. Dabei werden Bedarf, möglicher Verbrauch und optimale Einrichtung sämtlicher energierelevanten Gewerke anhand der Gebäudedaten modelliert. Das betrifft auch die Sanitär- und Heizungstechnik mit all ihren Facetten. Seit 2020 ist der Einsatz dieses Verfahrens Voraussetzung dafür, um an einer öffentlichen Ausschreibung teilzunehmen. Das bedeutete und bedeutet in vielen Betrieben, Kompetenz einzukaufen oder sich selbst und die eigenen Fachkräfte fit zu machen, was für den einzelnen Betrieb den einen oder anderen Wettbewerbsvorteil bringen kann. Wer sich einmal auf die digitale Welt eingelassen hat, erkennt in der Regel die Chancen, die sie für alle Bereiche des Unternehmens mit sich bringt, im Handwerksbetrieb ebenso wie im großen Unternehmen; Prozessorganisation, Kundenmanagement, Einsatzplanung, Online-Marketing sind nur einige Felder, die sich durch Digitalisierung optimieren lassen.
Herausforderungen wie die, vor denen die Sanitär- und Heizungstechnikbranche steht, bedeuten auch Chancen, neue Marktfelder, neue Umsätze und neue Erkenntnisse. Wer frühzeitig mit gesellschaftlichen Entwicklungen Schritt halten muss, ist ganz vorn dabei und kann unter Umständen sogar den Weg bestimmen. Insofern ist diese Branche eine Branche mit Zukunft und für die Zukunft, deren Potenziale weder Unternehmer noch Fachkräfte aus den Augen verlieren sollten.
Dr. Birgit Ebbert | redaktion@regiomanager.de
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