400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen: Dieses Ziel hatte sich die Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in ihrem Koalitionsvertrag gesetzt. 295.000 sind es 2023 geworden, Tendenz 2024 weiter sinkend. Angesichts von Wohnungsnot und steigenden Mieten vor allem in den Ballungsräumen ist das fast eine Bankrotterklärung. Die Baubranche nennt als Gründe nicht nur steigende Material- und Arbeitskosten und hohe Zinsen, sondern vor allem den Mangel an Bauland und qualifizierten Arbeitskräften sowie die wachsende Zahl an Bauvorschriften.
In den letzten Monaten gab es aus der Bundespolitik eine Reihe von Vorschlägen, um die Wohnungsnot abzumildern, vielleicht aber auch, um vom eigenen Versagen abzulenken. Viele davon wirkten eher hilflos, manche sogar kontraproduktiv. So will Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) Menschen bewegen, aus den Metropolen aufs Land zu ziehen. Dort stünden schließlich zwei Millionen Wohnungen leer. Was sie dabei womöglich nicht bedacht hat: Selbst im Zuge von Digitalisierung und Homeoffice ist es nicht allen Menschen möglich, von zu Hause aus zu arbeiten. Davon ganz abgesehen gibt es auch persönliche Gründe, in der Stadt zu leben: ein gewachsenes Umfeld mit Freunden und Bekannten und eine gute Infrastruktur zum Beispiel. Wer aus dem Berufsleben ausscheidet, möchte vielleicht auch nicht jedes Mal ins Auto steigen, um einzukaufen oder zum Arzt zu kommen. Doch schauen wir mal, ob und wie die „Strategie gegen den Leerstand“, die Geywitz 2024 noch vorlegen will, diese Fragen behandelt.
Aus den Reihen von Bündnis 90/Die Grünen kam der Vorschlag, dass Rentner, die nach dem Auszug der Kinder nun in „zu großen“ Wohnungen oder gar Häusern lebten, in kleinere Wohnungen umziehen könnten. Die Miete, die sie im Anschluss für die kleinere Wohnung zahlen, sollen sie von der Steuer absetzen können.
Dabei wurde – vielleicht? – übersehen, dass viele Menschen im Rentenalter kaum Steuern zahlen und die Miete für kleinere Wohnungen im Vergleich zu den lang bewohnten, größeren Wohnungen oft sogar höher ist. Eine überregionale Tageszeitung brachte sogar eine Strafsteuer für zu große Wohnungen ins Spiel, was ebenfalls keine einzige neue Wohnung schaffen, sondern Unfrieden in der Bevölkerung stiften würde.
Doch es gibt auch Hoffnung für die Baubranche und Menschen, die eine bezahlbare Wohnung suchen. Das Bundesbauministerium hat im Juli den Entwurf für eine Leitlinie für einfacheres und schnelleres Bauen vorgestellt: Mit dem sogenannten Gebäudetyp E kann beim Bauen auf Standards verzichtet werden, die nicht unbedingt notwendig sind, jedoch weder Qualität noch Sicherheit der Gebäude beeinträchtigen. So kann nach der Leitlinie zum Beispiel die Geschossdeckenstärke bei Beton-Geschossdecken verringert werden. Das spart Material und Geld.
Die rot-grüne Landesregierung von Niedersachsen geht bei der Deregulierung weiter: Sie hat zum Juli die Landesbauordnung geändert. Dadurch werden zum Beispiel die Grenzabstände für die Bebauung verringert, sodass eine engere Bebauung möglich ist und Bauland besser ausgenutzt wird. Beim Bau neuer Wohnungen besteht keine Stellplatzpflicht für Autos mehr. Auch Standards für den Umbau und die Aufstockung von manchen bestehenden Wohngebäuden hat Niedersachsen abgesenkt und Genehmigungsverfahren für den Neubau von Wohnungen beschleunigt.
Hoffentlich ist Niedersachsen nur der Vorreiter für ein Umdenken. Alle Bundesländer haben bei ihren Landesbauordnungen schließlich Gestaltungsspielraum, solange sie Bundesgesetze und EU-Richtlinien einhalten. Das könnte auch die Mieten wieder bezahlbarer machen. Bei einem entsprechenden Neubauvolumen wären womöglich auch Vorschläge wie die der Grünen-Fraktion im Berliner Senat obsolet, die für Berlin eine „Vermieter-Lizenz“ einführen möchten. Sie soll regeln, welche Bedingungen Vermieter mit vielen Wohnungen erfüllen müssen, um zu vermieten. Die Grünen-Fraktion fordert unter anderem ab 1000 Wohnungen einen Sozialwohnungsanteil. Die „Lizenz“, die auf den ersten Blick mieterfreundlich scheint, ist es auf den zweiten Blick nicht. Weitere Regulierung wird den Wohnungsbau eher verhindern, als neue Wohnungen zu schaffen und die Mietsteigerung zu begrenzen.
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