Lange Zeit wurden Gewerbebauten hauptsächlich unter den Kriterien „schnell und kostengünstig“ realisiert. „So sehen viele Gewerbegebiete leider auch aus“, meint Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Glücklicherweise änderte sich das, so der Diplom-Ingenieur. „Es gibt immer mehr Unternehmen und Auftraggeber, die Ansprüche an eine zeitgemäße, sich einfügende und nachhaltige Architektur stellen.“ Aus Architektensicht ist das durchaus eine fordernde Aufgabe. Denn der Logistikbau wird – anders als zum Beispiel der Wohnungsbau – von innen nach außen geplant: Die Funktionalität des Gebäudes muss im Inneren den logistischen Ab-läufen, den Prozessen und den Materialflüssen mit seinen Flächen entsprechen.“
Umbauten und Erweiterungen
Hinzu kommt die Anforderung, das Bauwerk möglichst flexibel zu gestalten. „Gerade in Produktion und Logistik ändern sich häufig die Abläufe, sodass die Gebäude erweitert oder angepasst werden müssen. Man braucht also von Beginn an Konzepte, die Umbauten unkompliziert ermöglichen, sowie eine angemessene Reserve an Flächen. Notwendig ist eine sehr frühe Abstimmung zwischen Planung, technischer Gebäudeausstattung und logistischen Anforderungen“, erklärt Ernst Uhing.
Die Logistikbauten von heute sind „logistisch gut gelegen, energetisch optimiert und versuchen zunehmend, auch architektonischen Ansprüchen zu genügen“. Zwar haben sie nach wie vor einen hohen Flächenverbrauch – „das liegt in der Natur der Sache“. Jedoch müssten sie keine Energiefresser mehr sein, so Uhing. „Und für die Böden, die sie versiegeln, bieten begrünte Dachflächen eine angemessene Ausgleichsmöglichkeit. Viele Logistiker nutzen die großen Dachflächen auch für PV-Anlagen.“
Nachhaltigkeit ein Muss
Längst sei Nachhaltigkeit nicht mehr nur ein „nice to have“. Vielmehr stelle sie einen integralen Bestandteil jeder Planung dar. „Künftig wird bei jedem Neubau und auch bei größeren Umbaumaßnahmen eine CO2-Bilanz zu erstellen sein, die in einem Gebäudelogbuch bzw. einem Gebäudepass nachzuweisen ist“, sagt Uhling. Aus diesem Gebäudelogbuch sollten die Summen aller Baustoffe und Bauteile mit ihren Baustoffqualitäten inklusive aller Treibhausgasmengen hervorgehen. Damit kann später – im Falle eines Rückbaus –
genau nachvollzogen werden, welche Materialen als „Rohstoffe“ zur Wiederverwertung zur Verfügung stehen.
„Das zentrale Thema bei modernen Logistikimmobilien heißt Nachhaltigkeit – sowohl in puncto Energie als auch in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit und die Drittverwertbarkeit“, sagt auch Kuno Neumeier, Sprecher des Themenkreises Logistikimmobilien der Bundesvereinigung Logistik (BVL). Zum einen gehe es um die saubere Energieerzeugung, zum anderen um Energieeffizienz. „Logistikgebäude können heute Energielieferanten sein, unterliegen dem Gebot der Nachhaltigkeit und optimieren intelligent ihre Verbräuche und Prozesse auf digitaler Basis.“
Multilevel oder Campus
Noch vor einigen Jahrzehnten wurden einstöckige Hallen für nur einen Mieter gebaut. „Inzwischen gewinnen flächenoptimierte Konzepte wie Multilevel- oder Campuslösungen an Relevanz“, erklärt Kuno Neumeier. „Wo heute das modulare Baukastensystem für eine hohe Drittverwertbarkeit sorgt, waren damals Individuallösungen üblich. Das hatte zur Folge, dass Immobilien oft derart auf einen Nutzer zugeschnitten waren, dass sie anderweitig nicht genutzt werden konnten.“
Logistik- und Lagerprozesse erfolgen inzwischen meist vollautomatisiert über eine komplexe Intralogistik. Und: Das Wohl der Mitarbeitenden wird fokussiert – ob bei der Gestaltung der Arbeitsplätze oder in den Pausenbereichen. „Wellbeing“ habe einen hohen Stellenwert, so Neumeier.
Teil des Energieparks
Für das BVL-Mitglied steht zweifelsfrei fest, dass Logistikimmobilien zu „Kraftwerken“ werden können. In Zukunft fungieren sie demnach als Teil eines autarken kommunalen Energieparks. „Photovoltaikanlagen und Windturbinen auf dem Dach, Solarpaneele an den Außenwänden, der Einsatz von Wärmepumpen sowie Ladesäulen für die Fahrzeugflotte.“ Das bedeute, dass bei der Städte-
bauplanung Windparks, Geothermie und Biogasanlagen von Anfang an in neue Gewerbegebiete integriert werden müssten, „die vernetzt mit allen anderen Gebäuden auch die benachbarte Stadt mit Energie versorgen können“. Eine dezentrale Energieversorgung, bei der Logistik, Industrie, Politik und Energieversorger eng zusammenarbeiten, ist aus Sicht von Kuno Neumeier der nächste und folgerichtige Schritt.
„Die Bauwerke kommender Jahrzehnte müssen dem Konzept des ,cradle-to-cradle’ entsprechen, also von der ersten Planung bis zum vollständigen Rückbau und der Wiederverwertung der eingesetzten Materialien durchdacht sein“, betont NRW-Architektenkammer-Präsident Ernst Uhing. „Sie verfügen über eine autarke Energieversorgung, auch durch Nutzung der eigenen Abwärme, nutzen zu 100 Prozent wiederverwendbare und nachhaltige Materialien und weisen flexible Nutzungsmöglichkeiten auf.“
Nicht zuletzt, so seine Ergänzung, werden diese Immobilien ästhetisch anspruchsvoll realisiert und entsprechend in Städtebau und Landschaftsplanung eingebettet. „Das ist keine Utopie, sondern durchaus eine Entwicklung, die wir als Branche und als Architektenkammer Nordrhein-Westfalen so vorantreiben.“
Daniel Boss | redaktion@regiomanager.de
Daniel Boss
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