Management

Lüftungstechnik: Dicke Luft?

Ein gesundes Raumklima steigert die Produktivität der Mitarbeiter

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von Thomas Feldhaus 12.07.2024
(© ­­­Lustre Art Group − stock.adobe.com)

Unternehmen müssen produktiv sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das ist eine Binsenweisheit. Doch nicht immer ist sofort klar, an welchen Schrauben gedreht werden muss. Deshalb werden Prozesse auf den Kopf gestellt, die Fähigkeiten der Mitarbeiter weiterentwickelt und allerlei Tipps von Beratern umgesetzt. Der Raumluft in Büros, Labors, Produktions- und Lagerhallen wird dagegen wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei zeigen Studien, dass die Produktivität der Mitarbeiter umso höher ist, je besser das Raumklima ist.

Auch wenn der Anteil der Beschäftigten, die ganz oder teilweise von zu Hause aus arbeiten, inzwischen gestiegen ist, machen sich immer noch rund 15 Millionen Menschen täglich auf den Weg zu ihrem Büroarbeitsplatz. Der liegt entweder im schicken Hochhaus mit Glasfassade oder im etwas stickigeren Bürocontainer im Gewerbegebiet. So unterschiedlich Arbeitsplätze auch sein mögen, eines haben sie gemeinsam. Sie sind das Umfeld, in dem Menschen möglichst produktiv für ein Unternehmen oder eine Organisation arbeiten sollen.

Spätestens hier scheint der Arbeitsplatz in luftiger Höhe mit Blick über die Stadt einen klaren Vorteil zu haben. Doch Produktivitätssteigerung ist ein vielschichtiges Thema, ein attraktiver Arbeitsplatz gehört zweifellos dazu, interessant sind aber auch Aspekte, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Produktivitätssteigerungen werden in den Unternehmen meist mit klassischen Managementansätzen angegangen, bei denen entweder der Output bei gleichbleibendem Input erhöht wird oder umgekehrt, natürlich unter ständiger Überprüfung und Anpassung. Personaleinsatz und Prozessgestaltung zur Steigerung der Arbeitsproduktivität sind eine Möglichkeit, die häufig in Betracht gezogen wird. Der Gesundheit am Arbeitsplatz, insbesondere den klimatischen Bedingungen, wird noch wenig Beachtung geschenkt. Produktivitätssteigerung bedeutet also nicht nur, die Dinge richtig zu tun, sondern auch die richtigen Dinge zu tun.

 

Raumklima beeinflusst Konzentrationsfähigkeit

Wie eng der Zusammenhang zwischen Produktivität und den klimatischen Bedingungen am Arbeitsplatz ist, zeigt eine Studie des British Council for Offices (BCO), die 2018 erstmals vorgestellt wurde. Bisherige Studien hatten immer nur einzelne Parameter betrachtet, zum Beispiel die CO2-Konzentration in Innenräumen und deren Einfluss auf die Konzentrationsfähigkeit der Mitarbeiter. Zudem basierten die Studien bisher hauptsächlich auf Befragungen und Untersuchungen unter Laborbedingungen. Ziel der Studie „Whole Life Performance Plus“ war es, erstmals die Komplexität der Zusammenhänge zu erfassen und Instrumente bereitzustellen, mit denen die Produktivität zwischen bestehenden und neuen Arbeitsplätzen verglichen und entweder verbessert oder auf einem bestehenden guten Niveau gehalten werden kann.   

Hintergrund der Untersuchung war die unbefriedigende Entwicklung der britischen Wirtschaft. Im europäischen Vergleich lag die Arbeitsproduktivität pro Beschäftigten und Arbeitsstunde um rund 30 Prozent niedriger. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber es wurde schnell klar, dass die Lösung auch in der Verbesserung der Arbeitsumgebung liegen muss. Es galt daher, die optimalen Innenraumbedingungen zu erforschen, unter denen die individuelle Arbeitsproduktivität gesteigert und gleichzeitig Themen wie Energieeffizienz und Mitarbeiterzufriedenheit adressiert werden können.

Dazu arbeitete das BCO mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie zusammen, darunter das Kings College und der britische Immobiliendienstleister Emcor. Den Initiatoren war es wichtig, eine Vielzahl unterschiedlicher Büroarbeitsplätze abzubilden, um einen möglichst realitätsnahen und repräsentativen Eindruck zu erhalten. Berücksichtigt wurden Neubauten, die nach neuesten Erkenntnissen errichtet wurden, aber auch Bürogebäude mit vielen Personen und einer in die Jahre gekommenen, aber in der Arbeitswelt noch weit verbreiteten Lüftungstechnik. Zunächst wurden über einen Zeitraum von sechs Monaten Messungen in verschiedenen Gebäuden durchgeführt, die daraus gewonnenen Erkenntnisse in weiteren Gebäuden umgesetzt und anschließend ebenfalls über einen Zeitraum von sechs Monaten validiert.

Die Forscher kamen zu einem eindeutigen Ergebnis. Es besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Raumklima und der Produktivität der Mitarbeiter. So sinken Fehlzeiten, die Leistungsbereitschaft steigt und auch die Kreativität wird durch gesunde Luft gefördert. Unternehmen sollten diese Erkenntnisse ernst nehmen und in entsprechende Technik und Sensorik investieren, so ihr Fazit.

 

Gut gelüftet für mehr Produktivität

Die Luftqualität wird unter anderem durch flüchtige organische Verbindungen, Staub, Schadstoffe aus Baumaterialien und Möbeln beeinträchtigt. Im privaten Bereich wird deshalb regelmäßig gelüftet und so die verbrauchte Luft ausgetauscht. In Betrieben ist dies nicht immer so einfach möglich. In Bürotürmen lassen sich die Fenster nicht öffnen oder Produktions- und Werkstatthallen sind so groß, dass die Lüftung nur mit technischer Unterstützung möglich ist. Hohe Investitions- und Energiekosten sorgen dafür, dass in der Praxis dann eher auf die einfache Lösung gesetzt wird. Die Folge ist ein erhöhter CO2-Gehalt in der Luft, der sich negativ auf die Konzentrationsfähigkeit und insgesamt auf die Gesundheit der Mitarbeiter auswirkt. Studien haben gezeigt, dass durch optimierte Lüftungssysteme die Zahl der Krankmeldungen um bis zu 35 Prozent gesenkt werden kann. Die Kosten, die durch ein schlechtes Raumklima entstehen, lassen sich auf rund 3.500 Euro pro Arbeitsplatz beziffern.

Ein weiterer Faktor, der das Wohlbefinden und damit die Produktivität der Mitarbeiter beeinflusst, ist die Raumtemperatur. Sie hat einen starken Einfluss darauf, wie das Raumklima insgesamt empfunden wird, kann aber auch gesundheitliche Folgen haben. So tritt das sogenannte Sick-Building-Syndrom in schlecht temperierten und belüfteten Räumen deutlich häufiger auf. Aber auch diese Erkenntnis wird in den Betrieben oft unterschätzt. Im Zuge der jüngsten Energiekrise wurde in der öffentlichen Diskussion, aber auch in den Betrieben eine Absenkung der Raumtemperatur auf 19 Grad diskutiert. Was die einen als zu kalt empfinden, ist für andere genau richtig. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Bereich von 20 bis 22 Grad von den meisten Menschen als angenehm empfunden wird und die optimale Temperatur für eine hohe Produktivität darstellt. Mit jedem Grad mehr oder weniger sinkt die Produktivität. Außerdem können mit jedem Grad weniger die Energiekosten deutlich gesenkt werden.

 

Schlechte Luft kostet Geld

Ergonomiestudie der US-amerikanischen Cornell University nachgewiesen. Alan Hedge, Professor für Design und Umweltanalyse, untersuchte die Auswirkungen zu niedriger Temperaturen in Büros. Er fand heraus, dass eine Annäherung an die Wohlfühltemperatur zu einer signifikanten Verringerung der Fehlerquote und zu einer deutlichen Steigerung der Arbeitsproduktivität führte. Die Studie wurde in den Büros einer Versicherungsgesellschaft in Florida durchgeführt, wo die klimatischen Bedingungen in den Räumen gut kontrolliert werden konnten. Hedges Fazit: „Die Temperatur ist eine wichtige Variable, die sich auf die Leistung auswirken kann“.

Doch in deutschen Unternehmen gibt es Nachholbedarf. Das zeigt die jüngste Befragung der Initiative „Prima Büroklima“ aus dem Jahr 2023. Es ist noch viel Luft nach oben, lautet das grobe Resümee. Im Durchschnitt wird das Büroklima von den Beschäftigten als befriedigend bewertet. Der Anteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die über raumklimatisch bedingte Befindlichkeitsstörungen klagen, ist nach wie vor hoch. „Der erneute Anstieg der Beschwerden zeigt, dass nach wie vor Handlungsbedarf besteht“, sagt Dr. Norbert Nehring, Sprecher der Initiative. Dennoch scheine sich das Bewusstsein für ein besseres Raumklima langsam durchzusetzen. „Es gibt Hoffnung“, sagt Nehring. „Das zeigt die Bereitschaft der Unternehmen, in ein besseres Raumklima zu investieren.“ Zur Verbesserung des Raumklimas werden vor allem Luftreinigungssysteme und Luftbefeuchter eingesetzt. Der Einsatz innovativer Technologien, die mit Pflanzen oder Moos ein natürliches Raumklima schaffen wollen, ist noch sehr selten. Dies mag an den höheren Kosten liegen, da die geplanten finanziellen Mittel in den meisten Betrieben noch unter 1.000 Euro liegen.

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