Management

Mitarbeiterbindung: Wertschätzung als Erfolgsfaktor

Die Kunst der Mitarbeiterbindung im digitalen Zeitalter.

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von Miriam Leschke 12.07.2024
(© ­­­Cienpies Design − stock.adobe.com)

Wertschätzung ist ein Begriff, der in manchen Ohren vielleicht etwas antiquiert klingen mag, jedoch im modernen Arbeitsumfeld zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Nach Ansicht von Experten ist Wertschätzung heute wichtiger denn je. Ihre Bedeutung hat sich jedoch stark verändert, wie Prof. Dr. Jutta Rump, Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen (IBE), betont: „Die demografische Entwicklung hat zu einem Arbeitnehmermarkt geführt, was bedeutet, dass wir mit Fachkräftemangel, Arbeitskräftemangel und Nachwuchsmangel konfrontiert sind. Dadurch haben Arbeitnehmer eine stärkere Verhandlungsposition, wenn sie einen Job suchen.“

 

 

Wichtiges Kriterium für die Stellenwahl

„Die Bedeutung von Wertschätzung im beruflichen Umfeld hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Unsere Arbeitswelt ist zunehmend digitaler und globalisierter“, sagt Ralf Steuer, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. „Wir nehmen sowohl bei unseren Mitgliedsunternehmen als auch bei der HR-Community insgesamt wahr, dass der reine Fokus auf finanzielle Anreize nicht mehr ausreicht, um Mitarbeitende langfristig zu motivieren und zu binden. Emotionale Bindung und Wertschätzung sind mittlerweile maßgebliche Faktoren für die Mitarbeitenden-Zufriedenheit.“ Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Unternehmenskultur wider, wo ein respektvoller und anerkennender Umgang mittlerweile als Grundvoraussetzung für ein positives Arbeitsumfeld gilt.

„Wertschätzung spielt eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung von Mitarbeitenden, in einem Unternehmen zu bleiben oder es zu verlassen. Mitarbeitende, die sich wertgeschätzt fühlen, sind deutlich engagierter und loyaler gegenüber ihrem Arbeitgeber“, bestätigt Ralf Steuer. „Fehlende Anerkennung führt hingegen häufig zu Unzufriedenheit und höherer Fluktuation. Wertschätzung zeigt sich nicht nur in finanziellen Anreizen, sondern auch in der Anerkennung der individuellen Leistungen, einer offenen und respektvollen Kommunikation sowie in der Unterstützung der beruflichen Weiterentwicklung.“

Erfolgreiche Arbeitgeber verfügen über das Bewusstsein, dass sie und ihre Beschäftigten gleichermaßen aufeinander angewiesen sind – „und zeigen dies auch in ihrer Unternehmens- und Führungskultur“. Solche Unternehmen versuchten mit flexiblen Arbeits- und Arbeitszeitmodellen, der individuellen Lebenssituation ihrer Beschäftigten gerecht zu werden. „Konstruktives regelmäßiges Feedback und Entwicklungsgespräche sowie die Anerkennung von Erfolgen und Meilensteinen sind Maßnahmen, die sich als besonders effektiv bei der Mitarbeiterbindung erwiesen haben“, erläutert Steuer.

 

 

Mehr als nur Gehalt

Die Frage, wie sich Wertschätzung jenseits von Gehalt und Lohn sinnvoll ausdrücken lässt, beschäftigt viele Unternehmerinnen und Unternehmer. Schließlich geht es um Mitarbeiterbindung und -gewinnung. In einer zunehmend digitalisierten und mobilen Arbeitswelt suchen Mitarbeitende nach einem tieferen Sinn und einer emotionalen Bindung zu ihrem Arbeitsplatz. Prof. Dr. Jutta Rump betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung des interessierten Zuhörens durch Arbeitgeber: Führungskräfte sollten sich für ihre Mitarbeitenden als Menschen interessieren, inklusive deren Privatleben, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu unterstützen. „Balance zu halten ist ein wichtiger Punkt“, meint Rump. „Wenn jemand sagt: ‚Das geht Sie nichts an!‘, muss ich das respektieren. Aber das Thema Vereinbarkeit ist ein Hebel, um Wertschätzung zu zeigen.“ Dies bedeutet, dass Führungskräfte aktiv zuhören und die individuellen Bedürfnisse und Wünsche ihrer Mitarbeitenden ernst nehmen sollten. Regelmäßige Feedbackgespräche und offene Kommunikation sind hierbei entscheidend. Durch konstruktives Feedback fühlen sich Mitarbeitende wertgeschätzt und verstanden.

Ein weiterer Aspekt der Wertschätzung ist die Förderung der beruflichen und persönlichen Entwicklung. Durch gezielte Weiterbildungsangebote und Karriereentwicklungsmöglichkeiten zeigen Unternehmen, dass sie in ihre Mitarbeitenden investieren und deren Wachstum unterstützen. Auch Anerkennung und Lob für gut geleistete Arbeit tragen wesentlich zur Mitarbeiterzufriedenheit bei. Wenn Unternehmen dies authentisch und kontinuierlich praktizieren, entsteht eine Kultur der Wertschätzung, die langfristig zu höherer Mitarbeiterbindung und -motivation führt. Auch die Rolle der Führungskräfte darf nicht vernachlässigt werden. Diese müssen nicht nur die Werte der Wertschätzung vorleben, sondern auch aktiv in ihre Teams hineintragen. „Empathie, Zugewandtheit, Wertschätzung, Anerkennung der Leistung und authentisches Feedback sind wichtige Wirkrichtungen für Führungsverantwortliche“, betont Ralf Steuer. Nur so kann eine Kultur der Wertschätzung tatsächlich gelebt und nicht nur als Lippenbekenntnis in Unternehmensleitbildern festgehalten werden.

 

 

Die Rolle von Homeoffice

Ein zunehmend relevantes Thema in der Diskussion um Wertschätzung ist die Möglichkeit des Homeoffice. Laut Ralf Steuer wünschen sich 78 Prozent der Arbeitnehmenden die Möglichkeit, von zu Hause aus arbeiten zu können. „Wenn ein Unternehmen es schafft, die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden in den Blick zu nehmen, stärkt dies die emotionale Bindung“, erklärt Steuer. Diese Flexibilität trägt maßgeblich zur Work-Life-Balance bei und zeigt den Mitarbeitenden, dass man ihnen vertraut und ihre Bedürfnisse ernst nimmt.

Dennoch warnt Jutta Rump davor, dass nicht jede Tätigkeit für das Homeoffice geeignet ist und dies zu einer Spaltung innerhalb der Belegschaft führen kann. „Unternehmen müssen offen kommunizieren, dass es unterschiedliche Anforderungen an verschiedene Positionen gibt und dass dies Teil der Unternehmenskultur ist“, empfiehlt sie. Flexible Arbeitszeitmodelle und Homeoffice-Möglichkeiten sind nicht nur für Büromitarbeiter relevant, sondern auch für andere Berufsgruppen, wenn auch in angepasster Form. Rump hebt hervor: „Ein Busfahrer kann zwar nicht im Homeoffice arbeiten, aber flexible Arbeitszeiten über das Jahr verteilt sind dennoch möglich.“ Wichtig sei es, Lösungen zu finden, die für alle Mitarbeitenden fair und praktikabel sind. „Die Diskussion um Homeoffice und flexible Arbeitszeiten wird weitergehen, aber eine Abkehr davon wird es nicht geben“, prognostiziert sie.

Fehlende Homeoffice-Angebote sind laut Rump oft ein Grund, warum Mitarbeitende das Unternehmen verlassen. „Wir wissen durch viele Untersuchungen, dass zwei Drittel der Mitarbeitenden das Unternehmen verlassen würden, wenn ihnen kein Angebot für Homeoffice gemacht wird, wenn die Tätigkeit es zulässt“, berichtet sie. „Das bedeutet nicht, dass die Mitarbeitenden zu 100 Prozent Homeoffice haben wollen. Sie wollen jedoch die Möglichkeit dazu haben. Unternehmen, die kein Homeoffice anbieten, obwohl es möglich wäre, haben den Zahn der Zeit nicht erkannt.“

 

 

Langfristige Auswirkungen fehlender Wertschätzung

Die langfristigen Auswirkungen einer fehlenden Wertschätzungskultur sind gravierend. „Das wird allein deshalb einen wirtschaftlichen Effekt haben, weil die Fluktuationsrate steigt“, unterstreicht Rump. „Die Produktivität sinkt, weil die Menschen keine Identifikation mit dem Unternehmen haben.“ Eine hohe Identifikation ist entscheidend für Leistungsbereitschaft und Mitarbeiterbindung. Wenn Mitarbeitende das Gefühl haben, nicht wertgeschätzt zu werden, würden sie laut Rump entweder Dienst nach Vorschrift machen oder das Unternehmen verlassen.

Wertschätzung ist somit ein zentraler Faktor für den Erfolg und die Attraktivität eines Unternehmens. Sie beeinflusst nicht nur die Zufriedenheit und Loyalität der Mitarbeitenden, sondern trägt auch wesentlich zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit bei. Unternehmen, die eine Kultur der Wertschätzung pflegen, profitieren von engagierten und motivierten Mitarbeitenden, die bereit sind, ihr Bestes zu geben. Eine solche Kultur der Wertschätzung schafft nicht nur ein positives Arbeitsumfeld, sondern trägt auch dazu bei, dass sich die Mitarbeitenden mit dem Unternehmen identifizieren und langfristig an dieses binden.

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Fotostrecke

Prof. Dr. Jutta Rump, Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen (IBE) (© Simon Wegener)

Ralf Steuer, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) (© DGFP)

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