Tor, Tor, Tooor! Der Ball wird ins Netz gezaubert und die Fußballfans teilen sich in ein tief enttäuschtes und ein grenzenlos begeistertes Lager auf. Für letzteres ist der Spielerfolg in greifbare Nähe gerückt. Erfolgsbegeisterung macht sich auch bei den Fischern breit, die das prall gefüllt Netz mit dem zappelnden Fang aus dem Meer ziehen. Ihr Einsatz an Zeit und Mühe hat sich gelohnt. Nicht nur großen Erfolg, sondern sogar die Rettung des Lebens verspricht das gespannte Fangnetz, das den Trapez-Akrobaten hoch oben in der Zirkuskuppel vor einem Todessturz in die Tiefe schützen soll. Netze verbinden eine Vielzahl sehr positiver Eigenschaften – Flexibilität, Transparenz, Stabilität, Zuverlässigkeit und Sicherheit.
All diese Eigenschaften – und sicherlich noch ein paar mehr – braucht es auch, um erfolgreich Geschäfte zu machen, und zwar schon seit Jahrtausenden. Nun wollen wir nicht noch die alten Griechen oder Römer bemühen, aber auf der Suche nach den Vorfahren der heutigen Netzwerker fällt einem in unseren Breiten sofort der erfolgreiche Handelsverbund der Hansestädte ein – eine Interessengemeinschaft, die sich im Mittelalter gebildet hatte, um aus der Zusammenarbeit den gegenseitigen Vorteil zu ziehen und kreativ-positive Entwicklungen mit der Sicherheit eines starken Bundes auf den Schultern Vieler umzusetzen. Noch heute tragen zahlreiche Großstädte wie Hamburg, Bremen oder Lübeck offiziell den Beinamen Hansestadt. Geheimbünde wie die Freimaurer ließen sich in der Tradition früher Netzwerke ebenso nennen wie Innungen, Zünfte, Kammern und sogar das Netzwerk der Geistlichkeit, die Kirche. Heute bekannte, organisierte Netzwerke tragen Namen wie Lions Club, Rotary, Zonta etc.
Interessengemeinschaften
Wo immer sich gleiche Interessen verbinden und dadurch vergolden ließen, schlossen sich bereits vor vielen hundert Jahren Handwerker, Kaufleute, Bürger, Kleriker oder Adelige zusammen. Auch die in Deutschland ja weit verbreitete Gepflogenheit, Vereine und Verbände zu gründen, ist ein Zeichen dafür, dass sich insbesondere der Mitteleuropäer in der Gruppe offenbar stärker fühlt denn als einzelnes Individuum. Und damit das auch alles ganz nach Recht und Ordnung vonstattengeht, beschäftigen sich bundesweit Fachanwälte und Amtsgerichte mit dem Vereins- und Verbandsrecht!
Was man im vergangenen Jahrhundert wohl noch eher als „Interessengemeinschaft“ bezeichnet hätte, heißt in der modernen Gesellschaft schlicht „Netzwerk“ – ein Begriff, der, wie unschwer zu erkennen, seit Einführung des virtuellen, weltweiten Netzes (genannt „Internet“) auch als „Network“ in unseren Sprachgebrauch eingegangen ist. „Mein Network“ – das klingt so herrlich international, wobei die allermeisten „Networking-Events“ doch als eher lokale Veranstaltungen daherkommen.
Unzählige Events
Es vergeht ja mittlerweile kaum eine Woche, in der ein geneigter Netzwerker nicht zu einem oder zwei Networking-Events eingeladen wird. Dabei reicht das Spektrum vom legeren After-Work-Drink in der Szene-Kneipe über lehrreiche Infoveranstaltungen mit lockerem Smalltalk-Ausklang bis hin zum exklusiven Branchen-Treff mit Einladung und strikter Anwesenheitspflicht. Das reichhaltige Angebot sollte man sehr genau sortieren und genau überlegen, wo seine Interessen liegen: „Möchte ich einfach nur mal entspannen oder bin ich konkret an Kooperationspartnern und Fachwissen interessiert?“, stellt Sybille Hellier die Orientierungsfrage. Denn „sehr oft stimmt bei Networking-Events die Zielgruppe nicht!“ Die Gelsenkirchener Unternehmerin ist Netzwerk-Profi und hat vor einiger Zeit den Vorsitz im Klug-Netzwerk übernommen. Klug steht für „Kompetente lokale Unternehmer-Gemeinschaft“ und ist ein branchenübergreifender Verbund von Kleinunternehmen, mit dem Ziel, sich gegenseitig bei der Erreichung der wirtschaftlichen Ziele zu unterstützen. Gute oder schlechte Netzwerkveranstaltungen gibt es für Sybille Hellier nicht, denn es hängt ganz davon ab, was man persönlich daraus macht: „Jeder muss selbst auf die Menschen zugehen und mit ihnen sprechen“, ermutigt sie Netzwerk-Anfänger, von sich aus den ersten Schritt zu machen.
Netiquette der persönlichen Art
Auch Karin Brinkhöfer gibt die Empfehlung, dass nur eine offene Kommunikation zum Erfolg führt: „Wenn man in die Netzwerkwelt einsteigt, muss der andere die Begeisterungsfähigkeit und Leidenschaft spüren“, weiß die ehemalige Vorstands-Assistentin und und professionelle Networkerin. Der aus dem Internet bekannte Begriff der „Netiquette“ bekommt hier eine weitere, sehr persönliche Bedeutung, denn auf die gegenseitige Wertschätzung zwischen Netzwerkkontakten legt Karin Brinkhöfer großen Wert: „Wir erweitern unser Netzwerk nicht, indem wir nur Visitenkarten einsammeln und die Adressdatei in der Datenbank damit ergänzen“, kritisiert sie allzu oberflächliches Networking. Man muss sich bei guten Kontakten immer wieder unaufdringlich in Erinnerung bringen, auch um ihnen die Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen, die zu einer guten Netzwerk-Beziehung gehört: „Der Aufbau von Beziehungen ist ein langwieriger Prozess – und es ist nicht einmal garantiert, dass man irgendwann etwas zurückbekommt!“
Auch für Sybille Hellier hat die Erfahrung gezeigt, dass ein gutes Netzwerk nur funktioniert, wenn man sich auf Grundregeln und Werte verständigt. Kommunikation ist für sie die Basis, um eine starke Gemeinschaft zu bilden. Sie sollte von Achtsamkeit, dem richtigen Timing, Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit geprägt sein. So ergänzen sich mit der Zeit die unterschiedlichen Fähigkeiten und Neigungen in einem Netzwerk und es entsteht im Idealfall eine Win-win-Situation für alle Seiten. In langfristig geknüpften Netzwerken verstärken gegenseitige Empfehlungen die Qualität der Gemeinschaft immer weiter.
Aber Karin Brinkhöfer spricht auch eine Warnung aus: „Networking ist kein Freibrief dafür, sein Gegenüber möglichst raffiniert für die eigenen Ziele einzuspannen. Es ist vielmehr eine Kompetenz, bei der es um Geben und Nehmen geht. Nur auf dieser Basis können wirklich tragfähige und gewinnbringende Beziehungen entstehen!“ Emrich Welsing | redaktion@regiomanager.de
Teilen: