„Dachdecker machen mehr, als einfach nur auf dem Dach herumzuturnen“, sagt Harald Siebert, Abteilungsleiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Baugewerblichen Verbände Nordrhein-Westfalen, etwas ketzerisch. „Der Beruf ist sehr vielseitig und hat einiges zu bieten.“ Der Berufsstand sorgt in für wind- und wetterfeste Gebäude: Neben dem Decken und Abdichten von Dächern mit unterschiedlichsten Materialien gehört auch das Einarbeiten von Dämmstoffen, das Errichten von Blitzableitern und Außenwandbekleidungen, der Einbau von Dachfenstern und Solarzellen sowie das Bauen von Dachstühlen und Unterkonstruktionen zum Tätigkeitsfeld. Die Arbeit des Dachdeckers beginnt bereits im Keller eines Gebäudes, wo das Bauwerk gegen Feuchtigkeit und Grundwasser abgedichtet werden muss. Als Fachleute in der Beratung sind die Experten der Branche kaum wegzudenken bei energetischen Sanierungen und dem Ausschöpfen entsprechender Fördermittel. Auch vor technischen Neuerungen macht der Berufsstand nicht halt: Der Einsatz von Drohnen oder die digitale Modellierung von Gebäudedaten werden künftig mehr und mehr die Arbeit der Dachdecker bestimmen. Im Einzugsgebiet des Dachdecker-Verbands Nordrhein existieren rund 2.400 Betriebe mit fast 9.000 Beschäftigten, darunter etwa 1.500 Auszubildende. Nach Angaben des Verbandes zeigen diese Zahlen aber seit Jahren einen leicht sinkenden Trend. Die Unternehmen erwirtschaften laut Zahlen des Westdeutschen Handwerkskammertages einen durchschnittlichen Jahresumsatz von 600.000 Euro. Insgesamt sehen die Dachdecker die Konjunkturlage als durchgängig gut an. „Das trifft sicher nicht auf alle Betriebe zu, aber in der Breite wird die Lage positiv bewertet“, sagt Siebert. Auch die Aussichten für die Zukunft bewerten die meisten Unternehmen optimistisch, werde doch auch diese Branche von den konjunkturell bedingten Bautätigkeiten profitieren: „Wo im Frühjahr und Sommer Rohbauten erstellt werden, sind spätestens im Herbst die Dachdecker gefragt. Gerade im Wohnungsbau sind die Zukunftsaussichten zurzeit sehr gut, derzeit werden viele neue Baugenehmigungen erteilt.“ Der Mangel an Mitarbeitern, Fachkräften und Nachwuchs ist bei den Dachdeckern schon jetzt zu beobachten. Je nach Betrieb sind die Schwierigkeiten zwar unterschiedlich ausgeprägt, aber generell muss sich die Branche aktiv damit auseinandersetzen. Dabei spielt sowohl die Alterung der bestehenden Mitarbeiter eine Rolle wie auch die Tatsache, dass es an Nachwuchs fehlt. „Oftmals führen wir das auch auf die Unwissenheit zurück, wie vielfältig der Beruf des Dachdeckers ist.“
Nachwuchs-Sorgen
Wie in vielen anderen Branchen ist auch in der Dachdeckerzunft die Suche nach Auszubildenden ein Problem. Die baugewerblichen Verbände unterstützen ihre Mitglieder daher mit einer Verbandsinitiative. „Das fängt an beim Bundesverband, der gerade eine neue Internetseite für jugendliche Zielgruppen eingerichtet hat, und geht bis in die Landesverbandsebenen hinein“, sagt Siebert. „Generell werden die Betriebe mit Know-how unterstützt, wenn es um das Bemühen um Nachwuchskräfte geht.“ Es gebe inzwischen sogar schon einzelne Dachdeckerbetriebe, die in die Kindergärten hineingehen und dort den Jüngsten bereits das Spektrum des Berufs näherbringen – in der Hoffnung, dass von den Informationen etwas „hängen“ bleibt und die Kinder als Jugendliche sich dann noch daran erinnern, wenn sie weiter Berührungspunkte mit diesem Handwerk haben. Doch das Ringen um den Nachwuchs ist nicht die einzige „Baustelle“, wenn es um Fachkräfte geht. Auch eigene Mitarbeiter zu halten ist für die Betriebe vor Ort wichtig. Hier unterstützt der Verband beispielsweise mit Seminaren zur Gesundheitsförderung und -erhaltung.
Verlässlichkeit gefordert
Auch einige politische Themen beschäftigen die Dachdecker: „Die Gewerbetreibenden – und damit nicht nur die Dachdecker – wünschen sich ganz allgemein eine etwas verlässlichere Politik. Das Prinzip ‚Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln‘ ist wenig förderlich und sorgt für große Unsicherheiten.“ Als Beispiele nennt Harald Siebert die Diskussion um die blaue Plakette für Pkw und die Styropor-Entsorgung. Von Einschränkungen für Dieselautos wäre das Dachdeckerhandwerk massiv betroffen. „In vielen Fahrzeugsegmenten gibt es gar keine Alternativen. Und wenn die Betriebe ihre Kunden nicht mehr erreichen können, ist das für viele Seiten ein echtes Problem.“ Man mache sich in der Branche schon intensive Gedanken, wie die Entwicklung an dieser Stelle weitergeht. Die Änderungen für die Bestimmungen zur Entsorgung von Gefahrstoffen hat dazu geführt, dass bestimmte im Dämmschutz verwendete Stoffe plötzlich als gefährlicher Abfall eingestuft wurden und nicht mehr auf bisher üblichen Wegen entsorgt werden konnten. Das Problem tauchte Ende 2016 auf: Die Müllverbrennungsanlagen nahmen das Material nicht mehr an, gelagert werden durften die Stoffe aber auch nicht. „Das war quasi ein Versehen der Politik, weil die Ausdehnung der Bestimmungen so gar nicht überblickt worden war. Sie wurde erst mal für ein Jahr ausgesetzt, aber das Thema könnte erneut auf uns zukommen.“ Siebert hofft, dass hier möglichst bald eine Lösung gefunden wird, auf die sich dann alle Seiten verlassen können. Im März dieses Jahres gründete sich die „Aktionsgemeinschaft zur Entsorgung von HBCD-haltigen Dämmstoffabfällen“ (AG EHDA) mit dem Ziel, sich für eine verlässliche Entsorgung dieser Abfälle einzusetzen. 17 Verbände sind der Gemeinschaft beigetreten. „Wir freuen uns sehr, dass das leidige Entsorgungsthema jetzt auch von anderen Verbänden und der Industrie aufgegriffen wurde. Als AG EHDA haben wir mehr Schlagkraft und hoffen auf eine rasche Umsetzung unserer Forderung nach Rücknahme der Einstufung als gefährlicher Stoff, ergänzt durch eine angepasste Dokumentationspflicht“, so Ulrich Marx, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks.
Aktive Umweltschützer
Die nicht nur politisch gewollte Aufgabe des Umwelt- und Klimaschutzes prägt das Dachdeckerhandwerk schon seit geraumer Zeit. Das fängt beispielsweise an bei der Errichtung von Photovoltaik- oder Solaranalgen auf dem Dach und setzt sich beim Anbringen von Wärmedämmungen an den Wänden fort. Auf Flachdächern werden Gärten und Teiche angelegt, die so insbesondere in Großstädten für einen kleinen ökologischen Ausgleich sorgen. Außerdem verbessern derartige Bepflanzungen die Temperaturregulierung des
Gebäudes.
Stefan Mülders | redaktion@regiomanager.de
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