Immobilien (Ausführung)

Digitalisierung in der Bauwirtschaft: Pixel und Ziegel

Ob Informations-Speicher in den Wänden oder Sensoren in der Fahrbahndecke – auch in der Baubranche erklingt reichlich Zukunftsmusik.

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von Regiomanager 01.06.2018
Schon heute kommen über Baustellen Drohnen zum Einsatz Foto: ©Christophe Fouquin – stock.adobe.com

Stein auf Stein – so lautet der Klassiker, wenn es um die Errichtung von Gebäuden geht. Doch in der deutschen Baubranche erklingt auch Zukunftsmusik. So wird laut Bauindustrieverband NRW die Vernetzung der verschiedenen Komponenten durch Sensorik künftig eine wichtige Rolle spielen. Infos speichernde Sensoren in Türen oder Wänden können Auskunft über Alter, Herkunft und gegebenenfalls auch die Beschaffenheit des Bauteils geben und somit den Betrieb des Gebäudes erleichtern. Das autonome Fahren, derzeit in aller Munde, wird nach Ansicht des Verbands neben einem flächendeckenden 5G-Netz vor allem Sensoren für die sogenannte Car-to-x-Kommunikation benötigen: Sensoren in der Fahrbahndecke geben Auskunft über Verkehrsdichte, Temperaturen, Bodenhaftung sowie den Zustand des Materials und ermöglichen den Fahrzeugen somit eine sichere Beförderung der Fahrgäste. Intelligente Baustoffe werden in Zukunft ihren Beitrag zum Klimaschutz, vor allem jedoch zur sauberen Luft leisten, um ein weiteres Beispiel zu nennen. Bereits heute forschen Unternehmen an Baustoffen, die – einmal in der Straße verbaut – Stickoxide aus der Luft filtern und binden. Angesichts der aktuellen Dieselthematik erscheint dies als ein vielversprechender Ansatz, um die Schadstoffemission direkt am Fahrzeug einzufangen und gar nicht erst in die Luft gelangen zu lassen.

BIM bald Standard

„Die Digitalisierung des Planungs- und Bausektors in Deutschland schreitet gegenwärtig mit großen Schritten voran“, erklärt Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer NRW. In der Planung werde sich das „building information modeling“, kurz BIM, durchsetzen, bei dem alle Planungspartner und auch ausführende Firmen ihre Daten in ein zentrales digitales 3-D-Modell einspeisen. „Es ist davon auszugehen, dass das Arbeiten mit BIM künftig – zumindest bei großen Bauprojekten – zum Standard wird, wie es das im angelsächsischen Raum bereits ist.“ Der hiesige Industrieverband spricht gar von der „digitalen Revolution in der Bauwirtschaft“. Die digitale Modellierung eines Projektes in einem 3-D-Modell, ergänzt durch die Dimensionen Zeit und Kosten, bringe demnach eine Vielzahl von Vorteilen mit sich: Neben einer größeren Transparenz durch den Zugriff aller Prozessbeteiligten zu nahezu jedem Zeitpunkt auf die Daten des Projektes wird die Kommunikation und die Aufgabenverteilung zwischen allen Akteuren verbessert. Risiken werden transparent verteilt und Verantwortlichkeiten sind klar ersichtlich. Falsch verlegte Kabel, nicht passende Türen oder eine zu schwach ausgelegte Lüftung sollten durch Kollisionsprüfungen im Modell der Vergangenheit angehören. Planung und Bau rücken dabei näher zusammen, das Fachwissen der Bauwirtschaft wird bereits in die Planung des Projektes miteinbezogen. Die Forderungen des Verbands: Die öffentliche Hand als Auftraggeber muss sich auf diese digitale Revolution einstellen, ihre Mitarbeiter schulen und in Software-Tools investieren. Die Bauindustrie strebt dabei einen „OpenBIM“-Ansatz an. Kein großer Auftraggeber dürfe mittelständischen Unternehmen eine Softwarelösung vorschreiben. Vielmehr setzen die Unternehmen auf funktionierende Schnittstellen, die es ermöglichen, Modelle von der einen Software in die andere zu überführen.

Vermessung mit Drohne

Insbesondere im Straßenbau sind zahlreiche Innovationen bereits heute auf den Weg gebracht. Möglichkeiten wie die Vermessung einer Baustelle mit einer Drohne und die digitale Weiterverarbeitung der Daten beispielsweise für den Einsatz von Geräten und Maschinen oder für die Bestellung von Material werden schon genutzt. Im Brücken-, aber auch im Wohnungsbau kommt zudem der Verwendung von Fertigteilen eine wachsende Bedeutung zu. Diese in einem Fertigteilwerk aus Beton hergestellten Elemente werden auf der Baustelle „nur noch“ installiert und nicht mehr bei Wind und Wetter vor Ort erstellt. „Die Serienfertigung birgt durch ihre Skaleneffekte Kostensenkungspotentiale und ermöglicht Qualitätssteigerungen“, so der Bauindustrieverband mit Sitz in Düsseldorf. Man entwickele sich weiter zu einer produzierenden Branche. Insbesondere kleinere Brücken an Kommunalstraßen seien ein sinnvoller Einsatzzweck für Komplett-Fertigteil-Brücken. Durch geringere Bau- und damit Sperrzeiten würden Ausweichverkehre und damit Kosten- und Zeitaufwände vermieden, Immissionen könnten reduziert werden. „Einige technische Innovationen im Bausektor haben Standardisierungsprozesse angestoßen und sind entsprechend heute Stand der Technik“, sagt Architektenkammer-Präsident Ernst Uhing. Das gelte insbesondere für die energetische Optimierung von Gebäuden – Stichwort Drei-Scheiben-Verglasungen – sowie für die Nutzung regenerativer Energien (Photovoltaik, Solarenergie).

Die Aus- und Weiterbildung muss mit dieser Entwicklung Schritt halten. Bereits heute werden zahlreiche Auszubildende der Bauindustrie nicht mehr nur an realen Baugeräten, sondern auch an Baugerätesimulatoren ausgebildet. Dieses digitale Erlebnis ermöglicht schon jetzt eine „baustellenungebundene Schulung“. Anders als auf einem Schulungsgelände lassen sich in Zukunft am Simulator alle denkbaren Szenarien darstellen und Aufgabenstellungen simulieren. Die Etablierung von BIM wird nicht zuletzt zahlreiche Prozesse im Unternehmen umstellen und dabei auch Berufsbilder verändern, wobei der Umgang mit einem digitalen Modell entsprechenden Weiterbildungsbedarf bei den Beschäftigten auslöst.

Die Architektenkammer NRW betont, dass die Digitalisierung im Bausektor qualifiziertes Personal bei Auftraggebern wie Auftragnehmern unverzichtbar mache. Architektinnen und Architekten müssten als Koordinatoren weiterhin die Systemführerschaft innehaben. Die Architektenkammer empfiehlt allen Beteiligten, bei aller Digitalisierung den „analogen“ Aspekt nicht zu vergessen. „Angesichts der starken Auslastung sollte man meinen, dass E-Learning eine größere Rolle spielt. Wir stellen aber fest, dass der persönliche Austausch unter Kollegen bei Seminaren vor Ort weiterhin eine große Rolle spielt“, so der Kammer-Präsident. Erfolgreiches Planen und Bauen beruhe nicht allein auf Fach-, sondern auch auf Erfahrungswissen. Je komplexer Bauprozesse würden, desto wichtiger werde dieser Faktor. „Insofern wird – bei aller Digitalisierung auch der Wissensvermittlung – der persönliche Austausch über konkrete Projekte nicht durch virtuelle Plattformen ersetzt werden
können.“ Daniel Boss | redaktion@regiomanager.de

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Tablet statt langer Papierrolle: Die Zeiten haben sich bereits geändert Foto: ©Rawpixel.com – stock.adobe.com

Ernst Uhing ist Präsident der Architektenkammer NRW Foto: Frauke Brenne

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