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Immobilienblase : Platzen ohne großen Knall

In den vergangenen zehn Jahren kannten die Preise für Immobilien in Deutschland nur eine Richtung: aufwärts. Doch nun ist die Zinswende da. Und mit ihr die bange Frage, wie es weitergeht.

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von Regiomanager 06.09.2022
Achtung, gleich knallt’s: Die Zinswende, die die Europäische Zentralbank eingeleitet hat, könnte die Blase am Immobilienmarkt zum Platzen bringen. Doch die Folgen dürften deutlich weniger gravierend sein als 2007 in den USA. (© Pixel-Shot − stock.adobe.com) | Andrea Martens

Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber zuweilen dreht sie abenteuerliche Schleifen. Bekanntlich war es das boomende Geschäft mit faulen Hypothekendarlehen, das vor etwa 20 Jahren in den USA nach und nach eine riesige Immobilienblase entstehen ließ. Als diese 2007 platzte, löste dies eine internationale Finanz- und Wirtschaftskrise aus. Der Einsturz des Turms aus faulen Kredittranchen, den die US-Banken aufgebaut hatten, riss Institute wie Bear Stearns, Lehman Brothers oder die Hypo Real Estate mit.
Auch in Europa mussten viele Staaten einspringen. Sie häuften gigantische Schulden auf, die nur dank der ultralaxen Geldpolitik der Notenbanken überhaupt tragbar waren. Genau diese Niedrigzinsen veranlassten Anleger dazu, verstärkt in Immobilien zu investieren. Wer schon lange von den eigenen vier Wänden geträumt hatte, baute nun mit extrem günstigen Finanzierungen ein Haus oder kaufte eine Wohnung, wenn nicht mehrere. Und so entstand erneut eine Immobilienblase – auch in Deutschland. Schon seit einiger Zeit werden immer wieder Stimmen laut, die besagen, lange könne es mit den Preisen am Immobilienmarkt nicht mehr weiter nach oben gehen. Spätestens wenn die Europäische Zentralbank (EZB) zum ersten Mal die Zinsen erhöhe, werde die Blase platzen. Nun ist die Zinswende da – und in der Tat sehen Finanzexperten einen Verfall der Immobilienpreise kommen.
Deutschland steuert auf eine selbstgemachte Subprime-Krise zu, stellt etwa Christian Sammet, Geschäftsführer des Stuttgarter Family Offices Wealthgate, in Aussicht. Er ist überzeugt: „In zwei bis drei Jahren wird die Immobilienblase platzen.“ In der aktuellen Wirtschaftslage stiegen die Risiken stärker als die Renditen, begründet er seine Prognose. Einer der großen Risikotreiber ist seiner Meinung nach die enorme Verteuerung bei den Baudarlehen.
Die Zinswende bedeute „fast direkt ein Ende der langen Preisrally“, so Sammet. Auch die Finanzierungskosten bestehender Immobilien würden künftig mit dem Zinsniveau steigen, was wiederum die Renditen schmälere. Bei knapp kalkulierten Immobilienkrediten könne der Gewinn sogar in einen Verlust umschlagen, warnt er.


Risikofaktor Inflation


Einen anderen Risikofaktor stelle die generelle Inflation dar, erklärt der Experte. Die steigenden Mieten seien lange durch die sonst sehr niedrige Inflation aufgefangen worden. Wenn jedoch Mieter jetzt mehr für Energieträger wie Strom, Heizöl und Erdgas zahlen müssten, so lasse das in manchen Bereichen die Gesamtkosten fürs Wohnen unbezahlbar werden. Vermieter müssten Mieten dann gegebenenfalls reduzieren oder damit rechnen, dass sie schlicht nicht mehr bezahlt würden. Mit einer deutlichen Zunahme von Mietausfällen sei zu rechnen.
Ein Problem, vor dem Finanzexperten, Verbraucherschützer und Medien bereits vor zehn Jahren immer wieder gewarnt hatten, dürfte nun ebenfalls virulent werden. In Zeiten dauerhafter Niedrigzinsen hatten viele Bundesbürger günstige Immobilienkredite aufgenommen. Wurde dabei dann auch noch die Tilgung sehr niedrig angesetzt, lag der Abtrag zum Teil unter der bisher zu zahlenden Miete. So waren plötzlich auch Haushalte in der Lage, sich eine eigene Immobilie zu finanzieren, denen dies zu Zeiten höherer Zinsen nie möglich gewesen wäre.
Im Prinzip eine schöne Sache, die Crux dabei ist nur: Die Zinsbindung läuft bei Immobilienfinanzierungen in der Regel nach zehn, 15 oder 20 Jahren aus. Je länger die Frist gewählt wird, desto höher ist der Zinsaufschlag. Daher haben Häuslebauer oder Wohnungskäufer, die sich eine günstige Finanzierung wünschten, oft eine Zinsbindung von zehn Jahren gewählt. Damit läuft die Bindung bei vielen Immobiliendarlehen in den nächsten Jahren aus. Dann wird eine Anschlussfinanzierung notwendig – und
diese wird nur noch zu höheren Zinssätzen gewährt werden, als es vor zehn Jahren der Fall war. Die Folge: So mancher Immobilienkredit wird nicht mehr bedient werden können, so manches günstig finanzierte Eigenheim wird verkauft werden, was die Preise in den Keller treiben dürfte.


Ernüchternde Rechnung


Das „Handelsblatt“ hat auf Basis von Zahlen des Immobilien-Bewertungsportals Scoperty kürzlich folgende Berechnung angestellt: Wer im Jahr 2013 einen Kredit in Höhe von 200.000 Euro aufgenommen, seine Zinslast für zehn Jahre auf 2,5 Prozent jährlich fixiert hat und drei Prozent jährlich tilgt, der zahlt derzeit eine monatliche Rate von 916 Euro. Wenn nächstes Jahr die Zinsbindung ausläuft und der Kreditzins auf vier Prozent steigen sollte, was einige Experten offenbar für durchaus möglich halten, dann steigt die monatliche Verpflichtung um mehr als ein Viertel auf 1.166 Euro.
Von der Verschlechterung der Finanzierungskonditionen sind aber nicht nur Wohnimmobilien, sondern auch alle anderen Nutzungsarten wie Büro, Logistik, Einzelhandel oder Hotels betroffen. Der Deutsche Immobilienfinanzierungsindex DIFI, mit dem der Immobiliendienstleister JLL quartalsweise die Stimmung an den Finanzierungsmärkten spiegelt, ist im zweiten Quartal 2022 in den Keller gerauscht. „Die gravierenden Veränderungen sind eine Reaktion auf ein Bündel von aktuellen geopolitischen und wirtschaftlichen Risikofaktoren“, kommentiert JLL-Chefresearcher Helge Scheunemann.


Im Sinkflug


Zumindest im Bereich der Wohnimmobilien hat der Sinkflug bereits begonnen. Während die Entwicklung der Preise in Deutschland hier über viele Jahre hinweg nur eine Richtung kannte, ist der Hauspreis-Index im Juli 2022 erstmals gesunken. Der Transaktionsplattform für Immobilienfinanzierungen Europace zufolge sind die Preise für neu gebaute Eigentumswohnungen um 0,86 Prozent gefallen. Der Index stand Anfang Juli bei 228,65 Punkten. Während der vergangenen zwölf Monate war das Barometer noch um knapp acht Prozent gestiegen. Auch die Preise für Bestandswohnungen haben nachgegeben. Hier beträgt der Rückgang 0,69 Prozent. Auch in diesem Segment war die Vergangenheit von stetigem Wachstum gekennzeichnet, in den vergangenen zwölf Monaten um mehr als acht Prozent.
Von einem Platzen der Blase aufgrund massiver Kreditausfälle gehen dennoch nicht alle Immobilienexperten aus. Und es gibt auch tatsächlich gute Argumente dagegen. Immerhin haben deutsche Banken auch in der dauerhaften Niedrigzinsphase nicht ohne jede Risikoabwägung Finanzierungen an Häuslebauer und -käufer
vergeben. Dazu haben sie auch viel zu strenge Vorgaben zu beachten. Anders als in den USA vor etwa 20 Jahren haben hiesige Geldinstitute nie Immobilienfinanzierungen an Kunden mit extrem geringer Bonität und zu wenig oder gar keinem Eigenkapital herausgegeben. Auch wenn die Geschichte zuweilen abenteuerliche Schleifen dreht – sie wiederholt sich nicht. Ein Platzen der Immobilienblase mit einem derart lauten Knall wie vor 15 Jahren in den USA dürfte in Deutschland nicht zu erwarten sein. Eher wird aus dem aufgeblasenen Ballon langsam die Luft entweichen.Andrea Martens
| redaktion@regiomanager.de

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