Die Roboter kommen. Auch in Deutschland. Anzutreffen sind die künstlichen Gefährten hier in fast allen Branchen, besonders häufig natürlich in der Automobil- und Elektronikindustrie. Mit einer Dichte von 301 Robotern pro 10.000 Industriebeschäftigte (2015) zählt die deutsche Wirtschaft zu den am stärksten automatisierten Standorten überhaupt. Weltweit ist sie laut Welt-Roboterverband IFR damit die Nummer vier, in Europa mit großem Abstand Spitzenreiter. Nur in Korea, Singapur und Japan kommen noch mehr Roboter auf einen Arbeitnehmer. Schaut man sich die Neu-Installationen von Industrierobotern an, spielen noch zwei andere Länder eine prominente Rolle: China und die USA. Besonders China, Deutschlands größtes Roboter-Abnehmerland außerhalb Europas, hat noch viel Luft nach oben: Bis zu 1,5 Millionen Industrieroboter wären dort nötig, damit es bei der Roboterdichte zu den jetzt führenden Ländern aufschließt. Diese Zahl entspricht in etwa dem jetzigen weltweiten Bestand an Industrierobotern. 2018 sollen es sogar 2,3 Millionen sein. In diesen Statistiken noch nicht eingerechnet sind Haushaltsroboter. 31 Millionen von ihnen werden im Jahr 2019 auf unserem Planeten z.B. Staub saugen, den Rasen mähen oder den Swimmingpool reinigen, schätzen Experten. Diese Daten belegen eindrucksvoll: Schon heute sind die maschinellen Helfer ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeitswelt und auch unseres privaten Lebens. Dass diese Entwicklung unumkehrbar ist, darüber herrscht weitgehend Einigkeit – wie wir damit umgehen, darüber gehen die Meinungen allerdings stark auseinander. Wenn es etwa nach dem Chef-Volkswirt der ING-DiBa, Carsten Brzeski, geht, übernehmen Roboter bald den Arbeitsmarkt. Seinen Berechnungen nach ist rund die Hälfte aller Arbeitsplätze in Deutschland von der beschleunigten Technologisierung bedroht. Experten wie Patrick Schwarzkopf, Geschäftsführer VDMA Fachverband Robotik + Automation, sehen dagegen eher die großen Chancen für den Arbeitsmarkt. „In Ländern mit hoher Roboterrate ist auch die Produktivität insgesamt höher. Arbeitsplätze werden dadurch eher aufgewertet. Zudem ersetzen Roboter keine ganzen Jobs, sondern einzelne Tätigkeiten. Die Zusammensetzung der Tätigkeiten innerhalb eines Jobs verändert sich also, wenn man es genau nimmt“, erklärt Schwarzkopf.
Kollaborierende Roboter ohne Schutzzäune
Dieses Verständnis einer ergänzenden und nicht ersetzenden Rolle des Roboters spiegelt sich auch in einem neuen Trend wider. Nach dem Vorbild der Konzerne erhält gerade eine marktreife Robotergeneration Einzug in den deutschen Mittelstand, die ohne Schutzzäune auskommt. Die sogenannten Cobots arbeiten als Assistenten dem Menschen zu – quasi Maschinenhand in Menschenhand. Während klassische Industrieroboter in Schutzzäunen feste Programmierungen abarbeiten, verlassen die Cobots ihre „Käfige“, um auch bei komplexen und individuellen Aufgaben behilflich zu sein. Die Idee dabei: Tätigkeiten werden so aufgeteilt, dass sich Mensch und Maschine jeweils auf ihre Stärken konzentrieren können, um in der Summe effektiver und damit produktiver zu sein. „Während Roboter einfache standardisierte Bewegungen ausführen können wie etwa Greifen, Stapeln oder Anpressen, kann der Mensch besser feinfühligere Dinge tun, etwa eine Schutzfolie abziehen. Auch ist die menschliche Anpassungsfähigkeit auf eine abweichende Situation größer – etwa bei Varianten eines Bauteils oder kleinen Losgrößen“, erläutert Schwarzkopf. So kann ein Cobot etwa Bauteile halten und anreichen, die ein Mensch dann montiert. Auch kann der maschinelle Helfer ergonomisch ungünstige Anteile übernehmen. In puncto Arbeitssicherheit stehen die Cobots ihren klassischen Kollegen in nichts nach: Zwar haben sie keine Schutzzäune, dafür aber hoch entwickelte Sensoren. Bei der kleinsten Berührung (oder auch schon kurz davor) kommen sie sofort zum Stillstand, sodass sie für nebenstehende Menschen keine Unfallgefahr darstellen. Außerdem lernen die flexiblen Helfer, wie man lernt. Heißt: Diese Roboter werden nicht mehr nach dem Prinzip programmiert: „Wenn A eintritt, dann mache B“, sondern: „Erreiche Dein Ziel bestmöglich“. Und diese Zielerreichung erfolgt, wie beim Menschen, über Erfahrung, z.B. wie man am besten einen Gegenstand greift.
Human Augmentation und hohe Mobilität
Ein weiterer fortschreitender Trend in der Robotik ist die „Human Augmentation“. Diese technologische Unterstützung des Menschen kann sowohl auf körperlicher als auch auf kognitiver Ebene umgesetzt werden. Zu den körperlichen Formen zählen z.B. Exoskelette, die man ursprünglich aus der Medizin kennt. Mit diesen am Körper tragbaren Robotern können Bewegungen des Trägers unterstützt oder verstärkt werden. Ein besonders schönes Beispiel dafür ist der „Chairless Chair“: Er wird an der Rückseite der Beine getragen und passt sich beim Sitzen der Körpergröße und Position des Trägers individuell an. In der Montage, etwa in der Automobilindustrie, können so Körperhaltung verbessert und die Gelenke entlastet werden. Im kognitiven Bereich der Human Augmentation kommen z.B. Assistenzsysteme mit Bildverarbeitung zum Einsatz, die die Qualität der manuellen Montage verbessern können. Wie die restliche Welt auch, werden Roboter natürlich mobiler. Über intelligente, mobile Plattformen finden sie ihr Ziel – auch in Schwärmen. Um Transferzeit effektiv zu nutzen, werden Werkstücke währenddessen von Robotern weiterverarbeitet. Und – so testet es Google Car z.B. – Roboter werden sich zukünftig stärker über die Cloud miteinander austauschen, um gemeinsam zu lernen und zu optimieren. Wenn man so will, mutiert der Roboter zum Kern der Industrie 4.0 und des Internets der Dinge. „Die Robotik bringt die Industrieproduktion in die digitale Ära“, resümiert Schwarzkopf.
Thomas Corrinth l redaktion@regiomanager.de
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