KPI stehen für „Key Performance Indicators“ – also Schlüsselkennzahlen, die sich laut Gabler Wirtschaftslexikon auf den Erfolg, die Leistung oder Auslastung des Betriebs, seiner einzelnen organisatorischen Einheiten oder gar Maschinen beziehen. In vielen Bereichen eines Unternehmens, beispielsweise in der Produktion bei hohem Automatisierungsgrad, werden diese Kennzahlen präzise und regelmäßig angepasst. Im Vertrieb und Verkauf jedoch haben KPI den Status eines beliebten Führungsinstruments erlangt – ohne dabei immer auf Aktualität, Anpassung oder den Umfang zu achten. Daher stellen sich Vertriebler häufig die Frage: „Ist das KPI oder kann das weg?“
Der überladene Schlüsselbund
Ein wesentlicher Grund für diese kritische Sicht liegt in der schieren Anzahl an erfassten Kennzahlen. Das „K“ in KPI steht ja für Schlüssel – und wie bei einem Schlüsselbund sollte hier nur das Wesentliche zusammengefasst werden. Stattdessen gleichen die vertrieblich getrackten KPI oft einem überfüllten Schlüsselbund, wie ihn etwa ein Hausmeister in einem Gewerbepark mit sich führt: aufgebläht, unübersichtlich und schwer zu handhaben. Besonders dann, wenn Vertriebler überwiegend telefonisch im Homeoffice arbeiten oder im Außendienst unterwegs sind – wo eine direkte Kontrolle kaum möglich ist – neigen Verantwortliche dazu, eine Vielzahl an Kennzahlen zu erheben.
Dabei werden teils sogar KPI kombiniert oder aus anderen abgeleitet, was letztlich dazu führt, dass die Mitarbeiter die Übersicht verlieren und das Interesse an der Thematik schwindet.
Umsatz als Kennzahl – ein Fehlgriff?
Ein klassisches Beispiel: Der Umsatz wird oft als KPI herangezogen. Dabei handelt es sich eher um einen Unternehmensindikator, der das Gesamtergebnis verschiedener Bereiche widerspiegelt. Zwar wird der Umsatz häufig auch auf den einzelnen Vertriebler heruntergebrochen, um dessen Performance zu messen – jedoch sollte dies nicht der alleinige Maßstab sein.
Um das Umsatzziel eines Mitarbeiters zu erreichen, ist es entscheidend, regelmäßig zu prüfen, ob die erforderlichen Aktivitäten eingehalten wurden – und das nicht erst am Quartalsende, sondern in kleineren Schritten.
Sinnvolle Kennzahlen können beispielsweise sein:
• Anzahl der Telefonate
• Anzahl der Besuche bei Bestandskunden
• Anzahl der Neukundenbesuche
• Anzahl der Webmeetings
• Anzahl der erstellten Angebote
Zur Vermeidung eines überladenen Kennzahlenkatalogs lassen sich Aktivitäten wie Besuche und Webmeetings auch zu einer gemeinsamen Kennzahl zusammenfassen – alternativ kann man zwischen Neukunden- (Akquise-Kontakten) und Bestandskundenkontakten unterscheiden, je nach vertrieblichem Schwerpunkt.
Aktualität als entscheidender Faktor
Ein weiterer kritischer Aspekt ist die Aktualität der KPI. Schauen wir fünf Jahre zurück: Die Corona-Pandemie zwang viele Vertriebe, die sich bisher auf den persönlichen Kontakt verlassen hatten, umzudenken. Statt des klassischen Referenzbesuchs dominierten vermehrt Telefonate und Webmeetings. Auch externe Faktoren – etwa der damals beginnende Ukraine-Konflikt – bewirkten, dass sich die Kommunikationsgewohnheiten nachhaltig veränderten. Selbst wenn heute viele Vertriebe wieder vermehrt „auf der Straße“ unterwegs sind, bevorzugen Kunden oft den effizienten Webmeeting-Ansatz oder arbeiten aus dem Homeoffice heraus. Wird in den KPI jedoch nur der Vor-Ort-Besuch erfasst und Webtermine außer Acht gelassen, entsteht eine verzerrte, unvollständige Datenbasis. Ähnlich verhält es sich, wenn als Aktivitäts-Tracking ausschließlich Telefonate und E-Mails berücksichtigt werden – immer häufiger kommen auch Messenger-Dienste wie LinkedIn, WhatsApp oder sogar Facetime zum Einsatz. Es ist daher unerlässlich, die KPI regelmäßig darauf zu überprüfen, ob sie noch zeitgemäß sind. Corona war hier ein deutlicher Indikator für notwendige Anpassungen. Nicht selten basieren KPI immer noch auf 20 Jahre alten Vorgaben, obwohl sich Vertrieb, Tools und Kommunikationswege seither grundlegend verändert haben.
Charakteristika erfolgreicher KPI
Damit KPI ihren Zweck erfüllen, sollten sie folgende Eigenschaften besitzen:
• Erreichbarkeit:
Die Zielvorgaben müssen im Tagesgeschäft realistisch sein – sowohl hinsichtlich der zeitlichen Ressourcen als auch des erforderlichen Know-hows.
• Relevanz für die
Unternehmensziele:
Nicht immer steht die Umsatzsteigerung im Vordergrund. In manchen Fällen rückt auch die Kundenzufriedenheit in den Fokus – dann sind etwa Bestandskundenbesuche entscheidender als die Anzahl an Angeboten.
• Objektivität:
Trotz der Tatsache, dass KPI starre Zahlen liefern, muss in der Bewertung auch auf die individuellen Stärken und Schwächen der Mitarbeiter eingegangen werden.
• Strategische und
verbesserungsorientierte Ausrichtung:
KPI sollen nicht nur den aktuellen Status abbilden, sondern auch kontinuierliche Verbesserungen ermöglichen – hier spielt die regelmäßige Aktualisierung eine zentrale Rolle.
• Klare Definition und Verständlichkeit:
Es muss eindeutig festgelegt sein, was genau unter einem Besuch, einem Telefonat oder einem Webmeeting zu verstehen ist.
• Relevanz und Explizitheit:
Um einen überladenen Kennzahlenkatalog zu vermeiden, sollten nur die wirklich wesentlichen Indikatoren erhoben werden.
• Spezifität:
Vage Vorgaben wie „Steigerung der Besuchsquote“ sind wenig zielführend. Konkret messbare Ziele – etwa „sechs Besuche pro Woche“ – sind hier wesentlich hilfreicher.
Regelmäßiger Austausch als Erfolgsfaktor
Die Einhaltung und Umsetzung der KPI sollte kontinuierlich mit den Vertriebsmitarbeitern besprochen werden. Zwar mag ein solch regelmäßiger Dialog auf manche wie Kontrolle wirken, er erfüllt aber mehrere wichtige Funktionen: Zum einen neigen wir dazu, Zeitfenster und messbare Leistungen falsch einzuschätzen, da Mitarbeiter ihre Aktivitäten oft nicht selbst tracken. Wird also nur alle vier Wochen ein Feedback gegeben, kann es passieren, dass ein deutlicher Rückstand entsteht, obwohl der Mitarbeiter subjektiv sein Tun als im grünen Bereich einschätzt. Zum anderen dienen KPI als Steuerungsinstrument, das ein zeitnahes Nachsteuern bei Minderperformance ermöglicht – und auch signalisiert, wenn trotz guter KPI-Ergebnisse die Gesamtergebnisse nicht stimmen. Regelmäßige Mitarbeitergespräche sind zudem ein Ausdruck von Respekt und stärken das gegenseitige Vertrauen – die Basis einer erfolgreichen KPI-Arbeit.
Fazit
KPI sind im Vertrieb ein unverzichtbares Instrument, vorausgesetzt, sie werden zielgerichtet, aktuell und übersichtlich eingesetzt. Richtig konzipiert und angewendet bieten sie nicht nur einen klaren Überblick über vertriebliche Prozesse, sondern liefern auch den entscheidenden Impuls zur kontinuierlichen Verbesserung. Das ist KPI – und richtig gemacht, kann es nicht weg!
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