Ein Datenleck von 2,6 Terabyte, 11,5 Millionen Dokumente und 214.000 Briefkastenfirmen: Das sind die Eckdaten des am 3. April dieses Jahres bekannt gewordenen Skandals um die Panama Papers. Das Recherchenetzwerk International Consortium of Investigative Journalists hatte enthüllt, wie Konzerne und reiche Privatpersonen Milliardengewinne und hohe Steuerzahlungen am Fiskus vorbeigeschleust hatten. Der Trick dabei: Sie hatten sich mit Hilfe der in Panama ansässigen Kanzlei Mossack Fonseca mit Briefkastenfirmen versorgen lassen. Die Bestürzung über die Steuerflucht gigantischen Ausmaßes war groß, die Reaktionen aus der Politik hart. So forderte Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) ein weltweites Verbot von Briefkastenfirmen. Doch auch Gegenstimmen wurden laut. Denn: Selbst wenn Briefkastenfirmen mittlerweile geradezu symbolisch für Steuerhinterziehung und Geldwäsche stehen, sind kriminelle Machenschaften nicht immer ihr Zweck.
Auch legale Motive
Die Beweggründe dafür, eine Briefkastenfirma aus der Taufe zu heben, können durchaus legaler Natur sein. Die Vermeidung von Doppelbesteuerung oder der kostengünstige Marktzugang in einem Schwellenland gehören etwa dazu. Da die Wahl der passenden Rechtsform und die Gründung nicht ganz unkompliziert sind, helfen spezialisierte Dienstleister dabei, auch „Relocators“ genannt. Diese beraten ihre Kunden über einen Umzug in ein anderes Land oder den Erhalt einer Aufenthaltsgenehmigung. Auch Investoren, die ihr Geld steuersparend im Ausland anlegen möchten, finden Unterstützung. Wer über den Aufbau einer Firma oder Investitionen in einem anderen Land Steuerzahlungen vermeiden will, hat bei der Wahl des Staates künftig allerdings keinen großen Spielraum mehr. Der Grund: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) geht verstärkt gegen grenzüberschreitenden Steuerbetrug vor. „Eine wesentliche Maßnahme dafür ist ein automatischer Informationsaustausch über Finanzkonten zwischen einzelnen Staaten“, erklärt Ellen Ashauer-Moll, Steuerberaterin und Partnerin der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Rödl & Partner. Daher hat die OECD einen Standard für einen automatischen Informationsaustausch (AIA) entwickelt, der ein einheitliches Meldeverfahren für alle teilnehmenden Länder vorsieht. 91 Staaten haben sich dem AIA bereits angeschlossen. Zwar müssen die Regelungen des OECD-Standards von den teilnehmenden Staaten zunächst einmal in nationales Recht umgesetzt werden. Nicht alle Steuerparadiese schließen also gleich morgen ihre Pforten. Aber: Spätestens 2018 werden Unternehmer und Privatpersonen weltweit kaum noch Steuer-Schlupflöcher finden. Die Betonung liegt auf „kaum“. Denn vier kleine Länder verweigern standhaft ihre Teilnahme am AID. Und auch in den USA gibt es noch Möglichkeiten.
Not born in the USA
„In den USA ist im März 2010 ein Gesetz mit dem Namen ’Hiring Incentives to Restore Employment Act‘ in Kraft getreten“, sagt Carl-Christian Thier von der deutsch-amerikanischen Kanzlei Urban Thier & Federer. Teil dieses Gesetzes sind Vorschriften, die zusammengefasst und abgekürzt als „Fatca“ bezeichnet werden. Fatca bringt für Finanzinstitute, die ihren Sitz in Partnerländern wie der Bundesrepublik haben, verschärfte Reporting-Pflichten mit sich. Ziel ist es zu verhindern, dass US-Steuerpflichtige ihr Geld am US-Fiskus vorbeischleusen. Will sich die US-Regierung selbst keine Steuereinnahmen entgehen lassen, so ist es ihr aber relativ egal, wenn ausländische Unternehmen oder vermögende Privatpersonen den umgekehrten Weg gehen. Einer Untersuchung zufolge, die die Grünen-Fraktion im Europaparlament in Auftrag gegeben hat, weigern sich die Vereinigten Staaten, die wirtschaftlichen Nutznießer von Unternehmen preiszugeben. Zudem nehmen sie sich vom automatischen Bank-Datenaustausch zwischen den Finanzämtern der Welt aus. Und: Das amerikanische Recht regelt die Registrierung von Unternehmen bundesstaatlich. So ist es in 14 von 50 Bundesstaaten möglich, Firmen zu gründen, ohne dass der Eigentümer oder Geschäftsführer benannt werden muss. Besonders beliebt sind Delaware, Nevada und Wyoming. Welcome to Paradise. Geradezu paradiesisch sieht es für Steuersparer auch nach wie vor in Panama aus, außerdem in Bahrain und den Inselstaaten Nauru und Vanautu. Die Hauptgründe dafür, dass bislang keines dieser Länder den Standard der OECD unterzeichnet hat, sind in allen Fällen ähnlich: Es fehlt an einer breit aufgestellten Wirtschaft und diversifizierten Einnahmequellen. So zum Beispiel im nordöstlich von Australien gelegenen Inselstaat Nauru. Das Land war aufgrund seines Reichtums an Phosphat bis in 1990er-Jahre hinein zwar sehr gut situiert. Doch als die Rohstoffreserven verbraucht waren, zeigte sich, dass in Nauru weitere Wirtschaftszweige komplett fehlten. So suchte die Regierung des Mini-Staates nach Alternativen, um ihren Bürgern Einkünfte zu verschaffen. Seitdem hat sich Nauru als perfekte Oase für ausländische Firmengründer entwickelt. Abgaben an den Fiskus muss hier niemand leisten. Allerdings: Während die Regierung es gern sieht, wenn sich Unternehmen aus dem Ausland in Nauru ansiedeln, gibt sie Privatpersonen kaum die Chance, dauerhaft dort zu leben.
In Vanautu geht noch was
Anders sieht die Situation im Inselstaat Vanautu aus, der im Südpazifik liegt. Die Wirtschaft auf den insgesamt 83 Inseln besteht fast ausschließlich aus dem Abbau von Kokospalmen und Bananenstauden sowie aus ein wenig Tourismus. Da die Einkommen daher sehr gering sind, hat der Staat die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer sowie die Kapitalertragsteuer abgeschafft. Damit unterliegt Kapitalvermögen keiner Kontrolle, zudem können Privatpersonen sehr leicht Treuhandstiftungen oder Trusts gründen. Ein Abkommen über den Austausch von Steuerinformationen besteht nur mit Australien. Auch Panama bleibt bis auf Weiteres ein Paradies für alle, die ihre Steuerzahlungen optimieren möchten. Denn trotz aller Bekundungen, dass Land solle sich zu einem seriösen Finanzplatz entwickeln, verweigert die Regierung bislang ihre Unterschrift des OECD-Standards. Panama besteuert zwar Einkommen, die im Land erzielt werden, andere Erträge und Kapitalvermögen hingegen nicht. Da sich der Immobilienmarkt in Panama City sehr gut entwickelt, bieten zahlreiche Investmentgelegenheiten. In den Genuss geringer Zahlungen an den Fiskus kommt jeder, der eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung erhält. Das Königreich Bahrain am Persischen Golf erhebt keine Steuern auf Einkommen von Privatpersonen und auf Unternehmenserträge. Der Grund dafür ist, dass sich das Land aus der Abhängigkeit von Einnahmen aus dem Ölgeschäft befreien möchte und sich daher immer mehr zu einem attraktiven Finanzplatz entwickelt. Investoren aus dem Ausland sind sehr gefragt, Firmengründungen werden leicht gemacht – auch, wenn es sich dabei um Briefkasten-Unternehmen handelt.
Andrea Martens I redaktion@regiomanager.de
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