Es war ein Tag, an dem Apple-Chef Tim Cook sich kräftig die Hände reiben konnte und die Europäische Kommission eine echte Schlappe einstecken musste: Am 15. Juli 2020 entschied das Gericht der Europäischen Union (EU) in Luxemburg, dass der kalifornische Technologiekonzern die milliardenschwere Steuernachzahlung, die ihm die EU-Kommission auferlegen wollte, nicht zahlen muss. Stattliche 13 Milliarden Euro Unternehmenssteuern sollte Apple nach dem Willen der Brüsseler Behörde an den irischen Fiskus abführen. Die Steuernachzahlung in Milliardenhöhe hatte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager bereits im August 2016 gefordert, weil Irland dem Apple-Konzern nach ihrer Auffassung eine unzulässige steuerliche Sonderbehandlung gewährt hatte. Die Luxemburger Richter sahen das jedoch anders – und Apple darf sich vorerst als Gewinner wähnen.
Ob die Freude von Dauer sein wird, muss sich noch herausstellen, denn aller Wahrscheinlichkeit nach dürfte die EU-Kommission Berufung einlegen. Doch bis auf Weiteres signalisiert das aktuelle Urteil nicht nur Apple, sondern multinationalen Konzernen generell, dass sie ganz gelassen weiterhin legale Steuertricks anwenden können, um am Fiskus vorbeizukommen – auch am deutschen Finanzamt. Mittelständler hingegen ächzen hierzulande unter einer jährlichen Steuerlast von oft 30 Prozent, auch wenn sich die Steuerquote nicht bei jeder Firma auf den Höchstsatz beläuft. Zum Vergleich: Nur in Malta, Frankreich, Belgien und Italien ist die Unternehmenssteuer mit über 30 Prozent noch höher als in Deutschland.
Legale Steuertricks
Multinationale Konzerne haben ein wichtiges Mittel der Steueroptimierung, das Mittelständlern nicht zur Verfügung steht: Sie können Gesellschaften, Töchter und Niederlassungen rund um den Globus gründen. Tun sie es, so suchen sie sich ganz gezielt Länder aus, in denen die gesetzlich vorgeschriebenen Sätze für die Unternehmenssteuer möglichst niedrig liegen. Wer nun meint, Konzerne wie Apple, Google, Facebook oder gar europäische Riesen wie Ikea würden diese staatlich fixierten Steuersätze auch tatsächlich an die Finanzämter zahlen, irrt sich. So ist eine Untersuchung der Grünen im Europäischen Parlament vom Januar 2019 für die Jahre 2011 bis 2015 zu folgendem Ergebnis gekommen: Außer in Bulgarien stimmen die durchschnittlichen effektiven Steuerzahlungen von Konzernen in keinem Land der Europäischen Union mit den staatlich fixierten Sätzen überein.
Größte Differenz in Luxemburg
Die größte Differenz zwischen den gesetzlichen Steuersätzen und den tatsächlichen Steuerzahlungen an den Fiskus ist in Luxemburg zu erkennen. Dort beläuft sich der vorgeschriebene Satz für Unternehmenssteuern auf 29 Prozent. Nach der Untersuchung der Grünen führen Konzerne aber lediglich zwei Prozent an das Finanzamt ab. Auch in den Niederlanden und in Österreich fallen die Abweichungen erheblich aus. Zum Vergleich: In Deutschland lag die Abgabenlast in den Jahren 2011 bis 2015 bei 30 Prozent. Die Studie kommt jedoch zu dem Resultat, dass Konzerne in diesem Zeitraum im Schnitt nur 20 Prozent pro Jahr an die deutschen
Finanzämter abführten.
Um ihre Abgabenlast unter die im jeweiligen Land vorgeschriebenen Sätze für Unternehmenssteuern zu drücken, nutzen viele Konzerne Sonderkonditionen, die ihnen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Macht zuweilen eingeräumt werden. Oft greifen sie aber auch zu Tricks, nutzen gesetzliche Schlupflöcher, verschieben Erträge in Steueroasen oder setzen einen Mix dieser Varianten ein.
Double Irish with a Dutch Sandwich
Um zu illustrieren, wie ausgefeilt die Methoden der Konzerne sein können, soll als Beispiel das sogenannte „Double Irish with a Dutch Sandwich“ dienen. Klingt merkwürdig? Mag sein, aber der Steuertrick ist ebenso pfiffig wie perfide. Dabei gründet ein Konzern zunächst eine Tochter in Irland, meldet ihren Sitz aber z.B. auf den Bermudas oder den Cayman Islands an – auf jeden Fall in einem Steuerparadies, wo das Finanzamt ausländischen Konzernen keinerlei Steuerzahlungen abverlangt. In Irland zahlt die neue Tochtergesellschaft ebenfalls keine Steuern, da dort nur Unternehmen besteuert werden, die neben einem Eintrag im Handelsregister auch ihren Sitz auf der grünen Insel haben. Dieser Briefkastenfirma wird nun das geistige Eigentum an Produkten übertagen, sie hält z.B. Patente oder Markenrechte.
Double Irish …
Im zweiten Schritt gründet der Konzern eine weitere Tochter – und diese hat ihren Sitz tatsächlich in Irland. Zum einen fließen an dieses Unternehmen die Erträge aller Tochtergesellschaften in Europa. Zum anderen führt diese irische Tochtergesellschaft alle Lizenzgebühren an die Briefkastenfirma im gewählten Steuerparadies ab. Damit ist das irische Doppel zweifach charmant: Da von den in Europa erwirtschafteten Erträgen die an die Briefkastenfirma gezahlten Lizenzgebühren abgezogen werden dürfen, reduziert sich die in Irland zu versteuernde Summe. Diese unterliegt dem ohnehin niedrigen Satz von rund 13 Prozent, einem der geringsten in der EU überhaupt. Die in die Steueroase geflossenen Lizenzgebühren werden dort gar nicht besteuert.
… with a Dutch Sandwich
Doch da die Sache nicht ganz so einfach ist, wie es scheint, stößt zu den beiden irländischen nun die niederländische Komponente hinzu – „with a Dutch“. Die Niederlande werden gebraucht, denn in Irland würde für die Lizenzzahlungen an die Briefkastenfirma eine Quellensteuer in Höhe von 20 Prozent anfallen. Innerhalb der EU wird auf diese Zahlungen keine Quellensteuer erhoben, sodass die irische Konzerntochter, die das Geld einsammelt, es steuerfrei in die Niederlande transferieren kann. Von dort aus wiederum gelangen die Lizenzgebühren ohne jede Zahlung an den Fiskus in das gewählte Steuerparadies, denn: Die Niederlande zählen zu den wenigen EU-Mitgliedstaaten, die auf den Transfer von Erträgen in Drittländer keine Quellensteuer erheben.
Der Trick mit zweimal Irland und einmal Niederlande hat jahrelang bestens funktioniert und Konzernen wie Apple oder Ikea wunderbar dabei geholfen, Steuern zu sparen. Nun allerdings ist es mit dem praktischen „Sandwich-Kniff“ vorbei. Bereits 2015 hat Irland auf die Kritik vonseiten der europäischen Politik reagiert und es untersagt, Firmen auf der grünen Insel registrieren zu lassen, die dort nicht auch ihren Sitz anmelden. Das galt zunächst allerdings nur für zu gründende Unternehmen; bestehenden Firmen hatte der irische Gesetzgeber eine Übergangsregelung eingeräumt.
Ähnliche Steuertricks
Die Frist endet aber 2020, daher müssen die Apple-, Google- oder Ikea-Ableger mit irischem Handelsregistereintrag ihren Sitz in den schönen Steuerparadiesen nun verlassen. Das war’s dann mit dem „Double Irish with a Dutch Sandwich“. Deutsche Mittelständler dürften das begrüßen, sie sollten sich aber nicht zu früh freuen. Denn möglichweise haben die findigen Steuer- und Rechtsexperten der multinationalen Konzerne schon eine ähnliche Masche ausgeklügelt, um Steuern optimal zu gestalten – und reiben sich die Hände. Andrea Martens I redaktion@regiomanager.de
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