Die Lage im Raum könnte kaum besser sein: Der Kreis Mettmann hat im direkten Umfeld ein Markt- und Arbeitspotenzial von 4,5 Millionen Menschen und bietet ein optimales Zusammenspiel von Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen. Hier findet sich eine einzigartige Branchenmixtur aus kleinen, mittleren sowie weltweit tätigen und bekannten Unternehmen. Überdurchschnittliche Kaufkraft und geringe Steuerhebesätze machen den Standort attraktiv. Seit 2008 sind der Kreis und die Stadt Langenfeld, seit Kurzem auch die Stadt Monheim schuldenfrei.
Das war nicht immer so, weiß Ulrich Rauchenbichler. Der frühere Leiter des Kreisarchivs erinnert an die Dominanz der bäuerlichen Landwirtschaft, die erst durch die Industrialisierung immer mehr verdrängt wurde. Wirtschaftliche Not zwang dazu, neben der Landwirtschaft auch einer zusätzlichen gewerblichen Tätigkeit nachzugehen. Ganz typisch für die Region: Es entwickelte sich das Hausgewerbe. „Tuchmacherei und die Herstellung eiserner Gerätschaften spielten in Niederberg schon früh eine Rolle. Kleinere Tuchmacherzentren waren Mettmann und Wülfrath, besonders aber Kettwig“, beschreibt Rauchenbichler. In Langenberg wurden Messer und Gabeln, in Monheim Ketten produziert. Das Lohngefälle zwischen den sich entwickelnden Industrie- und Gewerbestandorten an der Ruhr und dem mittelbergischen Raum veranlasste Textil- und Metallwarenfabriken Zweigbetriebe zu gründen, dadurch erweiterte sich die Palette der Industrieerzeugnisse. Eisenverarbeitung, Papier- und Textilienherstellung, Federn, Waagen, Fittings und Werkzeuge kamen in die Region. Bereits im 16. Jahrhundert wurde über die Herstellung von Schlössern in Velbert berichtet. Die sollte prägend werden, entwickelte sich doch die „Schlüsselregion“ und das Zentrum der Hochtechnologie-Bereiche Schließen, Sichern und Beschlag: Die meisten Autoschlösser und -schlüssel weltweit kommen von hier. Die Schlüsselregion Velbert/Heiligenhaus ist der weltweit führende Standort
für Sicherungstechnik.
Weltmeister und
Schlüsselregion
15.000 Menschen arbeiten hier täglich daran, Häuser und Autos noch sicherer zu machen: In Velbert und Heiligenhaus gibt es mehr als 70 Unternehmen der Sicherungs- und Beschlagtechnik mit insgesamt mehr als 7.000 Beschäftigten. Zusammen mit weiteren 8.000 Arbeitsplätzen in Zulieferbranchen macht dies die Schlüsselregion zum führenden Standort. Kein Wunder, dass auch bei den „ganz alten“ Unternehmen im Kreis Mettmann viele aus dieser traditionsreichen Branche zu finden sind. Aktuell widmet sich der RHEIN-WUPPER MANAGER zunächst den im nördlichen Kreisgebiet angesiedelten Unternehmen in den Städten Mettmann, Haan, Erkrath, Heiligenhaus, Ratingen, Wülfrath und Velbert. Dort wurde mit der Industrialisierung auch eine Grundproblematik deutlich. Je schneller die Industrie wuchs, desto mehr nahm auch die Wohnungsnot zu. Städte und Bürger zeigten Eigeninitiative: 1899 wurde die „Arbeiterwohnungs-Genossenschaft zu Velbert eG“ gegründet, 1906 das erste Haus fertiggestellt und an Genossenschaftsmitglieder veräußert. „Als „spar und bau“ verwaltet das Unternehmen heute mehr als 1.000 Wohnungen. Ebenfalls 1899 gründeten 30 Bürger der Stadt Hardenberg-Neviges die „Arbeiterwohnungs-Genossenschaft“. 1908 wurde der Spar- und Bauverein Ratingen gegründet, aus dem die Wohnungsgenossenschaft Ratingen hervorging, die heute nahezu 2.000 Wohnungen verwaltet.
Älter als die Wohnungsbaugesellschaften sind natürlich etliche Unternehmen, die aus dem handwerklichen Bereich hervorgegangen sind. In Velbert residiert mit der „Schulte-Schlagbaum AG“ das älteste noch aktive Unternehmen des Kreises. Johann Wilhelm Schulte gründete es 1833 „Am Schlagbaum“, und seit damals ist es natürlich auf dem Gebiet der Schloss-Fertigung aktiv und hat sich mit dem Kürzel „SAG“ einen Namen gemacht: In den Geschäftsbereichen Schloss- und Schließblechsysteme, Schließsysteme für Türen und Möbel sowie Gästemanagement-Systeme steht immer noch das Ursprungs-Produkt im Mittelpunkt.
Das gilt auch für „CES“: Die drei Buchstaben stehen für Carl Eduard Schulte; er folgte seinem Vater Heinrich, der ab 1840 die Schlossmacherei nicht mehr als Nebenerwerb, sondern in einem regulären Handwerksbetrieb organisierte. Carl Eduard beschäftigte 1890 schon 40 Arbeiter und fertigte Zylinderschlösser für Türen und Möbel. CES wurde zum Marktführer in Deutschland, der vergoldete Hauptschlüssel wird schon bald zum Markenzeichen. Für den Neubau der Universität Köln wird die bis dahin größte Schließanlage der Welt gestemmt: 1934 berichtet die „Kölnische Zeitung“ vom „Zauberschloss der Universität“, bei der ein Schlüssel 867 Schlösser öffnen kann. CES zählt heute zu den führenden Herstellern von Schließanlagen und elektronischen Zutrittskontrollsystemen, ist weltweit bekannt für komplexe Schließanlagen, die sogar im Reichstag und im Bundeskanzleramt zu finden sind.
Sicherheit für Hab und Gut
Auch auf Schließanlagen, aber für einen ganz anderen Einsatzzweck, hat sich „Huf“ Hülsbeck & Fürst spezialisiert. 1859 gründeten der Kaufmann Ernst Hülsbeck und der Werkmeister August Fürst in Velbert ein Unternehmen und fertigten Schlösser, Beschläge, Kleineisen- und Messingwaren. 1920 wurden erste Autotürschlösser für Mercedes-Benz geliefert, heute ist „HuF“ mit 22 Tochtergesellschaften in 15 Ländern weltweit vertreten und ein namhafter Hersteller von Schließsystemen für die Automobilindustrie. Huf entwickelt und produziert mit 7.500 Mitarbeitern auch mechanische und elektronische Schließsysteme, Fahrberechtigungssysteme, Fahrzeugzugangssysteme, Türgriffsysteme sowie Systeme für Heckklappen und Hecktüren.
1874 ging Julius Niederdrenk in Velbert ans Werk und stellte Möbelschlösser und Beschläge her. „JuNie“ behauptet sich seit mittlerweile über 140 Jahren am Markt und vergrößerte durch Übernahmen wie Nico (1967), Flohr (1994), August Knapp Schließtechnik (2004) sowie die „Paul Kaltenpoth GmbH“ (2014) das Tätigkeitsgebiet. Schließsysteme für Möbel, Schließanlagen, Sicherheitszylinder sowie Verschlusslösungen für die Industrie zählen dazu. „Seit jeher haben die Menschen den Wunsch, ihr Hab und Gut sicher zu verwahren. Das tun sie in Truhen und Kommoden, hinter Schrank-, Zimmer- oder Haustüren“, begründet WILKA Schließtechnik, genau dabei helfen zu wollen. Wilhelm Karrenberg gründete 1865 seine Schlosserwerkstatt. Neben Einlassschlössern gehören Pilaster-, Teekisten-, Jagdkisten-, Klappen- und Briefkastenschlösser zum Sortiment. Seit genau 150 Jahren bietet WILKA in Velbert Lösungen für die Schließtechnik an, baut Zylinder, Schließanlagen, Schlösser und elektronische Zutrittskontrollen.
„Ich erlaube mir hiermit, die ergebene Mittheilung zu machen, dass ich am hiesigen Platz unter der Firma August Ring ein Fabriggeschäft in Schlösern errichtet habe“, steht in schnörkeligen Fraktur-Lettern, datiert auf den 1. Juni 1888, in einer Bekanntmachung. Nicht mehr die Herstellung, aber der Fachhandel bestimmt mittlerweile das Geschehen in Velbert: Heute kann das Unternehmen Ring lagermäßig auf mehr als 10.000 Artikel zurückgreifen. Schlösser und Baubeschläge spielen auch bei „Fuhr“ in Heiligenhaus eine entscheidende Rolle: 1859 von Carl Fuhr gegründet, reicht das Produktspektrum heute von der modernen Fenster-Verschlusstechnik (Drehkipp-Beschläge) bis zu modernen Mehrpunktverriegelungs-Systemen für Haus- und Wohnungsabschlusstüren. Auch Otto Hüdig begann 1904 mit der Fertigung von Schloss- und Beschlagteilen. Dann entwickelte er den ersten Papierabreißapparat, dem später Abroller und Abschneider für Bindfaden und Verpackungsband folgten. Hüdig + Rocholz ist heute führender Hersteller ergonomischer Systemarbeitsplätze.
Steingut folgt Kanalisation
Auch abseits der Schloss- und Sicherheitstechnik gibt es namhafte Entwicklungen mit historischen Wurzeln: Siebeck, 1898 in Ratingen gegründet, steht für Industrie-Armaturen. Verwendet werden sie im Bergbau, im Maschinen- und Anlagenbau, für Tank- und Bitumenfahrzeuge sowie Ver- und Entsorger und die chemische Industrie. Kurios ist die Gründungsgeschichte von Schwepper in Heiligenhaus: Maschinenbauer Johann Vitz erhielt 1908 den Auftrag, eine Maschine zur Herstellung von Schlossfedern zu fertigen. Die Maschine funktionierte prima, schnell wurde aber deutlich, dass deren Einsatz die Heimarbeitsplätze der Meistergattinnen gefährdet.
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