Beim heftigsten Fliegerangriff auf Düsseldorf fielen 1.300 Spreng- und 225.000 Brandbomben und zerstörten 16 Kirchen, 13 Krankenhäuser, 28 Schulen, mehrere Tausend Wohngebäude, viele Handwerksbetriebe und Gewerbeflächen. Am Ende des Zweiten Weltkriegs gab es die Brücken über den Rhein nicht mehr, Düsseldorf lag in Trümmern. 60 Prozent der Häuser waren zerbombt, zehn Millionen Kubikmeter Schutt lagen vor dem Wiederaufbau. „Aber merkwürdigerweise war der Stadt die Zuversicht nicht abhandengekommen. Im Gegenteil: Unter den neuen geopolitischen Bedingungen witterte Düsseldorf seine historische Chance und setzte alles daran, diese Chance auch zu nutzen“, formulierte Autor Adolf Stock einst in einem Beitrag des Deutschlandradios. „Die Stadt wurde nicht nur Sitz der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, die geballte Macht von Industrie, Banken und Börse zog an den Rhein“, heißt es in der Rundfunksendung. Darin wird auch der Düsseldorfer Architekt Wolfgang Döring mit einer Bilanz zitiert. Für ihn ist der Düsseldorfer Wiederaufbau eine Erfolgsgeschichte: „Die berühmte Königsallee, die Altstadt, die glitzernden Hochhäuser und die neue Rheinpromenade. Als 1960 das Dreischeibenhochhaus zwischen Hofgarten und City stand, war Düsseldorf in der Moderne angekommen“, so sein Fazit. Mit modernistischer Eleganz und 94 Metern Höhe prägt das Gebäude die Düsseldorfer Skyline. Es zählt zu den großen Zeugnissen der Nachkriegsmoderne und gilt als architektonisches Symbol des Wirtschaftswunders. Der Weg zum schlanken Stahl-Glas-Hochhaus in prominenter Lage war insbesondere in den ersten Nachkriegsjahren ebenso mühselig wie einst die Entwicklung der Kleinstadt Düsseldorf zu einer Wirtschaftsmetropole vor gut 100 Jahren. Als Düsseldorf zum industriellen und wirtschaftlichen Aufschwung ansetzte, fehlte es der Stadt ebenso an Wohnraum, wie nach der Zerstörungsbilanz des Zweiten Weltkriegs. Von der Wohnraumnot berichten nicht nur einschlägige Statistiken, sondern auch Wirtschaftsdaten: Bauhandwerker zählten zu den Wirtschaftspionieren, Baubedarfsartikel waren Mangelware und Renner zugleich, Wohnungsbaugesellschaften erlebten ihre Blüte- oder Gründerzeit.
Düsseldorfer Bau-
und Spargenossenschaft
Als nach dem Zweiten Weltkrieg große Teile Düsseldorfs zerstört waren und die Menschen kein Zuhause mehr hatten, war klar: Gemeinsam geht vieles besser und schneller. Und so gründeten am 13. Juli 1946 Georg Richter und Adolf Schaufen die Siedlungsgenossenschaft „Freies Volk“. Sie wollten keine Luftschlösser, sondern gesunde Wohnungen bauen. Ihr Motto damals: „Wenn uns keiner hilft, helfen wir uns selbst“, heißt es in der Chronik der Düsseldorfer Bau- und Spargenossenschaft. Die Bedingung für den Beitritt verdeutlichen die Besonderheit der Zeit: 400 Reichsmark und 700 Arbeitsstunden musste jedes neue Mitglied investieren – der Genossenschaftsgedanke wurde gefordert. Das Ziel: möglichst schnell möglichst vielen Menschen ein neues Zuhause zu geben. 500 Menschen eilten zur Gründungsversammlung. Mittlerweile setzt sich die Genossenschaft seit 70 Jahren dafür ein, Wohnen sozial freundlich und bezahlbar zu machen. Heute zählt sie rund 2.500 Mitglieder und 1.700 Wohneinheiten mit über 100.000 Quadratmetern Wohnfläche.
Fehlender Wohnraum war eines der drängenden Probleme: Schon wenige Wochen nach Kriegsende gründete Bernhard Lammerdinger im August 1945 ein Baugeschäft, das sich auf Sanierungsarbeiten spezialisiert hat. Schrauben, Befestigungs- und Verbindungselemente waren 1945 ebenfalls gefragt, „Wischermann & Co.“ heißt eine weitere frühe Gründung und auch „Glas Thor“ hatte beim Wiederaufbau gut zu tun; noch heute beschäftigt sich der Betrieb mit der Reparatur von Verglasungen, Fenstern und Haustüren. Auf unternehmerische Familienwurzeln aus dem Jahre 1897 kann eine weitere frühe Nachkriegsgründung bauen: Walter Steinrück, ein Neffe der Unternehmensgründer, ging 1946 mit der „Bau- und Möbelbeschlag Vertrieb Walter Steinrück“ an den Start, 85 Mitarbeiter zählen heute zum Unternehmen.
Baustelle und Erfolgsmodell
Düsseldorf war aber nicht nur eine Baustelle, sondern ein Erfolgsmodell – und das musste der Welt verdeutlicht werden. Der Startschuss für die nationale wie internationale Präsentation fiel für den Messestandort am 7. Januar 1947 mit der Gründung der Nordwestdeutschen Ausstellungsgesellschaft (Nowea). Das Düsseldorfer Ausstellungswesen blickte bereits auf eine fast 150-jährige Tradition zurück, fand doch die erste Industrie- und Gewerbeausstellung 1811 statt. 14 Aussteller aus dem Bergischen Land präsentierten damals ihre Industrieerzeugnisse. 1837 besuchten 8.654 Besucher die „Erste Ausstellung von Industrieerzeugnissen des Regierungsbezirks Düsseldorf“. Für den Neuanfang griff die Nowea auf das alte Ausstellungsgelände am Ehrenhof in Nähe der Altstadt zurück und entwickelte die Idee des Fachmessekonzepts als entscheidende Alternative zur Universal- und Mehrbranchenmesse. Eine Idee, die die Düsseldorfer Messe zu weltweitem Erfolg führen sollte. 1968 entschied sich der Rat der Stadt für das größte kommunalpolitische Projekt der Nachkriegszeit: den Neubau der Messe Düsseldorf im Norden der Stadt. Das Ergebnis der Bemühungen war ein speziell für Fachmessen entwickeltes Raumprogramm, es entstand Europas modernstes Messegelände. Heute ist die Messe Düsseldorf ein global agierendes Unternehmen und eine der weltweit führenden Messegesellschaften. Das Messegelände bietet 262.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche in 19 Hallen und 43.000 Quadratmeter Freigelände. Zu den Veranstaltungen kommen jährlich 1,5 Millionen Aussteller und Besucher an den Rhein. Mit 50 Fachmessen am Standort Düsseldorf und 80 bis 100 Eigenveranstaltungen, Beteiligungen und Auftragsveranstaltungen im Ausland ist die Messe Düsseldorf Gruppe eine der führenden Exportplattformen weltweit.
Messe Düsseldorf
„Exportiert“ wird auch Düsseldorfer Licht: Als Johannes und Lisa Dinnebier 1956 „Licht im Raum“ gründeten, war der Begriff Lichtplanung so gut wie unbekannt. Dachte man Mitte der 50er-Jahre an gutes Licht, meinte man meist einen Kronleuchter. Die jungen Unternehmer hatten da ganz andere Vorstellungen. Für sie war Licht in erster Linie ein Gestaltungsmittel in der Architektur. Gemeinsam mit Architekten, Innenarchitekten und Künstlern entstanden die ersten spektakulären Lichtplanungen; sie machten das Unternehmen weit über die Grenzen des Rheinlands hinaus bekannt. Zu den Höhepunkten dieser Phase zählt die Lichtdecke des Stadttheaters Solingen, die Kongresshallen in Berlin und Brüssel, die Oper in Istanbul oder der Palast des Königs von Nepal. Hinzu kamen Lichtlösungen für Kirchen, wie die Düsseldorfer Neanderkirche. Highlight aus jüngerer Zeit ist die komplette Lichtplanung für den Düsseldorfer Flughafen.
„Licht im Raum“
Dies ist selbst wie 2.140 Groß- und 4.100 Einzelhandelbetriebe eines der bedeutenden Unternehmen der Stadt, die damit eines der bedeutendsten deutschen Handelszentren darstellt. Stahlverarbeitung, Maschinen- und Anlagentechnik, Konsumgüterproduktion, Zulieferer, Logistik und Infrastrukturdienstleistungen – in fast allen am Standort vertretenen Branchen finden sich Unternehmen, die mit ihren Produkten die globalen Märkte bedienen. Dazu gehören auch international tätige Player und insbesondere eine ganz besondere Liebe. Erstmals lässt sich 1951 ein japanischer Geschäftsmann in Düsseldorf nachweisen; 1952 waren es drei. Die offizielle Anmeldung eines japanischen Unternehmens ist erst 1955 verzeichnet: Das Handelshaus Mitsubishi nahm seine Aktivitäten in Düsseldorf auf, 1957 folgte das Handelshaus Okura. Ab der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre ließen sich sukzessive japanische Unternehmen aus dem Industriegüterbereich wie der Elektrotechnik, der Chemie, der Metall- und Stahlverarbeitung und des Maschinen- und Fahrzeugbaus nieder. Europazentralen von Fujifilm, Hitachi, Toshiba Electronic, NEC Electronics und TDK Electronics siedelten sich an. Gleichzeitig wuchs die japanische Infrastruktur. Die Jetro (Japanische Außenhandelszentrale) eröffnete 1962 ihr Büro, 1964 wurde der Japanische Club gegründet, 1965 das Japanische Konsulat, 1966 die Japanische Industrie- und Handelskammer, 1971 die Japanische Internationale Schule und 1976 der erste japanische Kindergarten. Bis Ende der 1980er-Jahre folgte das komplette Spektrum der japanischen Dienstleistungen: Banken, Versicherungen, Transportunternehmen, Werbeagenturen, Einzelhandel, Gastronomie und Mediziner. 380 japanische Unternehmen sind aktuell in Düsseldorf ansässig. Düsseldorf ist für Japan die Nummer eins in Deutschland. Aber nicht nur für Nippon. Chinesische Unternehmen sind dabei, die Japaner zu überholen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Reinhold Häken | redaktion@regiomanager.de
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