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Schulfach Wirtschaft: Früh übt sich

Lehrer sollen im Schulfach Wirtschaft ökonomisches Basiswissen lehren, mündige Verbraucher heranziehen und Unternehmergeist fördern. Wie und in welchem Maße, da sind sich Experten noch nicht einig.

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von Regiomanager 03.12.2018
Unternehmergeist kann bereits in der Schule gefördert werden (Foto: © ty – stock.adobe.com) | Michael Otterbein

Die Deutschen wissen zu wenig über Wirtschaft! Diese Diagnose wird regelmäßig von Studien und Umfragen belegt. Das zeigt auch eine Befragung, die die Universität Bonn im Auftrag der Wochenzeitung „Die Zeit“ Anfang 2018 durchgeführt hat. Die korrekte Höhe des DAX oder die aktuelle Inflationsrate oder Arbeitslosenquote konnten nur wenige der befragten Passanten richtig einschätzen. Und auch mit Zins und Zinseszins hatten viele ihre Probleme. Gerade Schülern und jungen Erwachsenen fehlt oft elementares Finanzwissen – über Konten, Versicherungen und sinnvolle Maßnahmen für die eigene Altersvorsorge, um von der Unterscheidung zwischen Umsatz und Gewinn oder der Gründung eines Unternehmens ganz zu schweigen. „Wir können die dritte Ableitung einer Funktion bilden und lernen alles über Futur 2 und Plusquamperfekt, wissen aber nicht, wie man eine Steuererklärung macht“, klagen selbst Abiturienten häufig.

Welches Wissen meinen wir denn?

Bei so viel offensichtlichem Bedarf wundert es nicht, dass die Forderung nach mehr ökonomischer Wissensvermittlung durch die Schulen grundsätzlich auf breite Zustimmung stößt. Grundsätzlich ja! Geht man aber in die Details, klaffen die Meinungen weit auseinander. Denn was den jungen Menschen vermittelt werden soll, wird je nach Weltbild und Position in der Gesellschaft sehr unterschiedlich gesehen. Während Unternehmerverbände fordern, dass Schüler über die Chancen und Voraussetzungen einer Unternehmensgründung aufgeklärt werden, sehen Gewerkschafter Arbeitnehmerrechte wie Kündigungsschutz und Betriebsräte im Mittelpunkt. Verbraucherschützer möchten, dass sich junge Erwachsene mit den Risiken von Konsumdarlehen und Handyverträgen auskennen, und Finanzunternehmen wollen für Themen rund um Altersvorsorge und Versicherungsschutz sensibilisieren. Ob unser Wirtschaftssystem vor allem kritisch betrachtet oder ob die Chancen der Marktwirtschaft betont werden sollen, darüber sind sich Linke, Konservative und Liberale erwartungsgemäß überhaupt nicht einig.

In jedem Bundesland anders

Betrachtet man die deutsche Bildungslandschaft, dann zeigt sich: Das Thema Wirtschaft ist durchaus in der Schule angekommen, allerdings nur in wenigen Bundesländern, selten als Pflichtfach und meist in der Kombination mit anderen Inhalten. So wird Wirtschaft an Gymnasien in Bayern und Thüringen im Rahmen von „Wirtschaft und Recht“ gelehrt. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es in der Qualifikationsphase der Oberstufe „Arbeit, Wirtschaft und Technik“ und im Saarland wird das Fach „Wirtschaftslehre“ angeboten. Vorreiter für ein flächendeckend verbindliches Fach Wirtschaft ist bisher nur Baden-Württemberg. Dort wurde das neue Pflichtfach „Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung“ mit dem Schuljahr 2016/17 ab Klasse 7 an allen allgemeinbildenden Schulen eingeführt.

Einführung in NRW verschoben

Und wie steht es mit dem einwohnerstärksten deutschen Flächenland Nordrhein-Westfalen? Laut Koalitionsvertrag der CDU-FDP-Regierung sollte hier ein Schulfach Wirtschaft ab dem Schuljahr 2019/20 verbindlich eingeführt werden. Laut NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer wird sich diese Einführung jedoch mindestens um ein Jahr nach hinten verschieben. Grund dafür seien vor allem der Mangel an geeigneten Lehrern und die noch lange nicht fertiggestellten Lehrpläne, was wiederum die Produktion von Schulbüchern für das neue Fach verzögert. Dieses Argument wollen Experten, wie der Bundesverband Deutscher Volks- und Betriebswirte (bdvb), aber nicht gelten lassen: „Die Befürchtung der Landesregierung, für die Einführung des Schulfachs stünden nicht genügend Lehrer zur Verfügung, ist angesichts der in Baden-Württemberg gemachten Erfahrungen nicht nachvollziehbar. Auch und gerade in NRW sind Bildungsträger vorhanden, die eine hochwertige akademische Aus- und Weiterbildung der benötigten Lehrkräfte sogar kurzfristig bereitstellen könnten“, so bdvb-Vizepräsident Hartmut Jaensch.

Mündige Verbraucher oder Jungunternehmer

Unabhängig davon, unter welchem Namen und in welcher Fächerkombination Wirtschaft zukünftig in Schulen gelehrt wird, bleibt die Grundfrage, was die Schülerinnen und Schüler denn nun wirklich lernen sollen. Geht es darum, junge Menschen auf Selbstständigkeit und die Übernahme wirtschaftlicher Verantwortung in Unternehmen vorzubereiten, oder sollen angehende Konsumenten mit finanziellem Basiswissen ausgestattet werden? Vermutlich beides – und dazu eine ausgewogene Betrachtung des modernen Wirtschaftslebens, die weder den ,bösen Kapitalismus‘ verteufelt noch alle negativen Nebenwirkungen der Marktwirtschaft ausblendet. „Ob man den Kapitalismus nun mag oder nicht, es ist besser, man versteht ihn. Und am besten lernt man schon in der Schule, wie er funktioniert“, fordert daher Wirtschaftsethik-Professor Dr. Thomas Beschorner bei Zeit Online und betont, dass man dabei Arbeitnehmer und Konsumenten nicht vergessen sollte. Also geht es bei der Auswahl der Lerninhalte auf jeden Fall auch um Themen wie Altersvorsorge, Darlehenszinsen und Kündigungsschutz.

Mehr Praxis als Theorie

Möchte man in den Schulen nicht nur folgsame Arbeitnehmer erziehen, sollte parallel dazu aber auch die aktive Teilnahme am Wirtschaftsleben angeregt werden. Das geht am besten durch praktisches Üben. Denn durch das Lesen von Lehrbüchern ist noch niemand zum Unternehmer geworden. Ideales Übungsfeld für zukünftige Managerinnen und Start-up-Lenker sind Schülerfirmen, wie sie in Baden-Württemberg an einigen Schulen schon angeboten werden. Wer bereits im jugendlichen Alter mit Geschäftsideen, Umsatz und Gewinn umgeht, bekommt viel eher Lust, dies später im „richtigen Leben“ auszuprobieren. Dazu ist es natürlich sinnvoll, so oft wie möglich in real existierende Unternehmen hineinzukommen. Kritikern wie Dr. Moritz Peter Haarmann, dem Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung (DVPB), der das baden-württembergische Modell für ein „abschreckendes Beispiel“ hält, sei gesagt, dass die Lust, Wirtschaft zu vermitteln, genauso wichtig ist wie die Darstellung von Problemen und Gefahren. Wenn es dann irgendwann endlich ausgearbeitete Lehrpläne und Lehrbücher gibt, müssen Schulen auch nicht mehr auf kostenlose Materialien von Banken und anderen Unternehmen zurückgreifen und damit zugleich deren Werbung in die Schule holen. Und noch etwas: Immer die Höhe des DAX und die aktuelle Inflationsrate zu kennen gehört vielleicht nicht zum ökonomischen Basiswissen. Man sollte aber zumindest wissen, was diese Begriffe bedeuten.Michael Otterbein
| redaktion@regiomanager.de

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