Ein Drittel Geld, ein Drittel Gold, ein Drittel Immobilien hieß einst die „krisensichere“ Empfehlung. Ging in schlechten Zeiten das Barvermögen verloren, dienten Edelmetall und vor allem die eigenen vier Wände als zuverlässiger Schutz vor dem Bettelstab. In Zeiten von Börsenzock und Zinswetten, Optionen, Hedgefonds und Negativzinsen ist die Suche nach sicheren Häfen noch intensiver geworden, gewinnen Vermögenswerte mit Bestand wieder an Bedeutung.
Grundbuch statt Sparbuch: Gerade in Krisenzeiten gelten Immobilien als sicheres Investment, denn anders als bei Wertpapieren ist bei Immobilien pekuniärer Totalschaden praktisch ausgeschlossen. Doch nicht jede Immobilie erweist sich als krisenfeste Investition. Anlageprofis raten daher, zunächst vor allem in Zeit und fachlichen Beistand zu investieren. „Der Immobilienmakler ist hier unverzichtbarer Helfer“, sind die Berufsverbände überzeugt.
300 Milliarden Investitionsvolumen
Im vergangenen Jahr wurden mehr als 300 Milliarden Euro auf den deutschen Immobilienmärkten investiert. 11,6 Prozent über Vorjahresvolumen, so eine Hochrechnung des Immobilienverbandes Deutschland (IVD). Der Anstieg des Investitionsvolumens sei der höchste der vergangenen vier Jahre, sagt Jürgen Michael Schick, Präsident des IVD. Der Verband hat 6.000 Mitgliedsunternehmen und zählt 35.000 selbstständige und angestellte Immobilienmakler in Deutschland. Sie sind jährlich bei rund 40 Prozent aller Immobilientransaktionen beratend tätig und setzen über 405.000 Vermittlungen mit einem Transaktionsvolumen von knapp 95 Milliarden Euro um.
Laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes gab es 2017 über 70.000 Immobilienmakler in Deutschland. Viele Makler-Unternehmen seien mit Banken und Sparkassen verbunden und sorgten für Verwerfungen in den Statistiken. So sei die Sparkassen-Finanzgruppe als Ganzes betrachtet sogar der größte Immobilien-Vermittler in Deutschland, sie ordne die dort tätigen Mitarbeiter aber anderen Branchen zu.
Corona verändert den Markt
Wie auch andere Branchen wurden die Immobilienmakler durch die Corona-Krise und den Lockdown zunächst schwer getroffen, die Aktivitäten und Umsätze auf unterstem Niveau eingefroren. Wie sich die Zahlen mittelfristig präsentieren, bleibt abzuwarten, so der IVD. Die Nachfrage nach Gewerbeimmobilien sei im ersten Halbjahr in allen Segmenten eingebrochen. Auch bei Einzelhandelsimmobilien sei die Nachfrage während des Lockdowns gesunken. Der stationäre Einzelhandel erhole sich langsam wieder, analysiert der IVD. Allerdings sei absehbar, dass die Flächennachfrage sich mittelfristig nicht erholen werde. Bei Büroimmobilien sei es wahrscheinlich, dass Mieter auf kürzere Laufzeiten oder flexiblere Vertragskonditionen Wert legen werden. Bei Einzelhandelsimmobilien seien derzeit eher kleinere Flächen nachgefragt.
„Der Trend zum Wohnen am Stadtrand dürfte auch vom Trend zum Homeoffice profitieren. Wenn der Präsenzzwang und damit das Arbeitspendeln ganz oder weitgehend wegfallen, gewinnen Wohnungen im ländlichen Raum an Attraktivität“, haben die Immobilienmakler analysiert. Sie schließen daraus: Homeoffice wird neue Wohnbedürfnisse wecken. Ein Arbeitszimmer, höhere Aufenthaltsqualität, Nähe zu Naherholungsangeboten und eventuell auch ein eigener Garten locken.
„Anfang einer neuen Zeitrechnung“
Was der Verband „eine neue Orientierungsphase mit Flächenbedarfen für Hygieneabstände“ nennt, sei „der Anfang einer neuen Zeitrechnung“, so Peter Wallisch, stellvertretender Vorsitzender des IVD-Regionalverbandes West. „Die Banken sind bei Finanzierungszusagen sehr zurückhaltend. Im gewerblichen Bereich sind aber auch die Akteure, die nicht zu den Gewinnern zählen, sehr verhalten. Sie müssen sich erst einmal um die praktischen Dinge kümmern, damit ihr Unternehmen überleben kann. Da bleiben wenig Zeit und wenig Mut, sich um Dinge zu kümmern, die in der Zukunft liegen“, zeigt Wallisch die aktuelle Problematik der Branche auf. Mit dem Lockdown sei das Geschäft gegen null geschrumpft, Besichtigungen seien praktisch nicht möglich gewesen. „Viele Kollegen haben versucht, mit virtuellen Präsentationen Informationsplattformen zu schaffen. Als Folge von Corona wird die virtuelle Wohnungs- oder Hausbesichtigung künftig Standard oder willkommene Ergänzung werden. Auch wenn derzeit bis auf das Neugeschäft wieder weitgehend Normalität eingetreten ist, ist die Verunsicherung allenthalben zu spüren“, analysiert er. „Die Immobilie wird in der Bedeutung zulegen, aber es wird Veränderungen geben“, ist Wallisch überzeugt. Reinhold Häken | redaktion@regiomanager.de
INFO
„Jahrelange Party ist vorbei“
Jürgen Michael Schick, Präsident des
Immobilienverbandes IVD, ist überzeugt: Liquidität sucht sich jetzt eine sichere Anlageform.
Jürgen Michael Schick ist seit Juni 2015 Präsident des Immobilienverbandes IVD. Der Verband ist mit ca. 6.000 Mitgliedsunternehmen der zahlenmäßig stärkste Unternehmensverband der Immobilienwirtschaft. Seit 1990 ist Schick in der Immobilienbranche aktiv. Anfang der 1990er-Jahre gründete er in Berlin ein Investmentmaklerhaus, dem er auch heute noch als Geschäftsführer vorsitzt. Zur aktuellen Situation der Immobilienbranche spricht er im Interview mit dem REGIO MANAGER.
REGIO MANAGER: Wie kommt die Branche, wie kommen die Immobilienmakler durch die Corona-Krise?
Jürgen Michael Schick: Bislang mit einem blauen Auge, im Vergleich geht es dem Immobilienmarkt noch gut. Die von vielen befürchtete Katastrophe mit Zahlungsausfällen, leeren Gebäuden und Preisverfall ist bislang nicht eingetreten. Der Wohninvestmentmarkt wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zu den Gewinnern der Corona-Krise gehören. Büro- und Gewerbeimmobilien trifft es im Gegenzug viel härter. Zwei Drittel unserer Mitgliedsunternehmen berichten von erheblichen Umsatzeinbußen, jedes sechste Unternehmen ist von Kurzarbeit betroffen. Inzwischen hat sich die Geschäftslage wieder etwas erholt.
REGIO MANAGER: Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf den Immobilienmarkt?
Jürgen Michael Schick: Mit dem Lockdown war der Immobilienmarkt in der Breite eingefroren. Entscheidungen wurden vertagt, allgemeiner Attentismus und Verunsicherung herrschten vor. In einigen Teilmärkten müssen wir uns mittelfristig auf Korrekturen einstellen, weil bereits laufende Entwicklungen begünstigt oder sogar verstärkt wurden, die insbesondere die Assets Büro und Einzelhandel unter Druck setzen. Erste geringe Preisnachlässe sind bereits zu beobachten.
REGIO MANAGER: Welche Bereiche sind betroffen?
Jürgen Michael Schick: An erster Stelle Homeoffice und Online-Shopping. Es bleibt abzuwarten, wie stark diese Trends die Nachfrage nach Flächen einschränken werden. Aber klar dürfte mittlerweile sein, dass die Nachfrage zurückgehen wird. Für den Büromarkt heißt das, dass die jahrelange Party erst mal vorbei sein dürfte. Der Markt für Einzelhandelsflächen befand sich schon lange vor Corona, dank des sich ausbreitenden Onlinehandels, in einer strukturellen Krise. Hier verstärkt die Pandemie lediglich den Anpassungsdruck. Die Rezession wird im Gewerbemarkt mit Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie die tiefsten Spuren hinterlassen. In der Folge wird die Flächennachfrage sinken. Verbleibende Mieter wiederum werden ihre Mieten nachverhandeln müssen. Neuvermietungen, insbesondere mit längerer Laufzeit, werden seltener. Der Preisdruck wird weiter zunehmen.
REGIO MANAGER: Was bedeutet die Krise speziell für den Wohnimmobilienmarkt?
Jürgen Michael Schick: Die Wohnungswirtschaft wird als Gewinner aus der Krise gehen. Wir erleben eine deutliche Erholung der Nachfrage und der Marktaktivitäten. Auch halten sich bislang die Mietausfälle in Grenzen. Die Erträge aus Wohnimmobilien sind weniger krisenanfällig als andere Assets wie Büro und Einzelhandel, aber auch weniger volatil als Aktien. Für institutionelle Anleger, für Kapitalsammelstellen wie Versicherungen, Versorgungswerke für Family Offices und vermögende Private stellen Wohnimmobilien, insbesondere Mietwohnungen, einen sicheren Hafen dar. Liquidität sucht sich jetzt eine sichere Anlageform – den Wohnimmobilienmarkt.
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