Fußball-Bundesligist Bayer Leverkusen konnte das Duell gegen die Insolvenzanfechtung nicht gewinnen: Im Rechtsstreit mit seinem früheren Hauptsponsor Teldafax musste der Werksklub Federn lassen: Rund 13 Millionen Euro der vereinbarten Sponsoringzahlungen musste der Fußballklub dem Insolvenzverwalter zurückerstatten. Das Landgericht Köln bestätigte die Ansprüche des Insolvenzverwalters, auch das Oberlandesgericht Köln machte in seinem Vergleichsvorschlag deutlich, dass der Fußball-Bundesligist seinerzeit die Insolvenz von Teldafax hätte erkennen müssen. Auch ein anderes prominentes Verfahren wird als Beispiel dafür herangezogen, dass der § 133 Abs. 1
der Insolvenzordnung, die sogenannte Vorsatzanfechtung, seine Berechtigung hat: Dabei geht es um den Ex-Karstadt-Manager Thomas Middelhoff. Middelhoff hatte seit 2011 offenbar den Versuch unternommen, sein Vermögen dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen. Vermögenswerte von mehr als 90 Millionen Euro sollen auf Firmen seines Rechtsanwaltes und auf Familienangehörige übertragen worden sein. Im April ermächtigte das Amtsgericht Bielefeld den Insolvenzverwalter, sämtliche Vermögensgegenstände zurückzufordern und dadurch für die Gläubigergemeinschaft nachteilige Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen. Im Ergebnis werde so für Verteilungsgerechtigkeit gesorgt, hieß die Einschätzung.
Befürworter dieser Rechtsauffassung machen deutlich, dass der Gesetzgeber darauf abzielt, Betrügereien von wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmern zu verhindern. Ihnen solle die Chance genommen werden, kurz vor der Insolvenz noch vorhandenes Geld aus ihrem Betrieb zu ziehen. Außerdem will der Staat verhindern, dass sich trickreiche Gläubiger ihre Forderungen noch vor Eröffnung des Konkursverfahrens in vollem Umfang bezahlen lassen – und dies an anderen Gläubigern vorbei.
Die Regelungen sind jahrealt, im Moment liefern sich Befürworter und Gegner im Vorfeld der gesetzlichen Neuregelunge einen hitzigen Schlagabtausch. „Ein seit Jahrzehnten bewährtes System des Interessensausgleichs unter allen Gläubigern soll zulasten der Kleinstgläubiger und Verbraucher ausgehebelt werden. Es muss verstanden werden, dass das Anfechtungsrecht ein vitaler Baustein des Verbraucherschutzes in der Krise ist. Gerade Insolvenzverfahren wie Prokon oder Teldafax mit mehr als 750.000 betroffenen Verbrauchern haben dies nachdrücklich unter Beweis gestellt“, so Dr. Christoph Niering. Der Vorsitzende des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) kritisiert aktuelle Vorstöße: „Die ohnehin bereits durch bestehende Regelungen besonders geschützten Gläubigergruppen verlangen vom Gesetzgeber die Entschärfung des Anfechtungsrechts. Sorge bereiten die Bestrebungen einflussreicher Interessenvertreter von Banken und der Industrie, das Insolvenzrecht in seiner sanierungsorientierten und interessensausgleichenden Funktion zu schwächen“, so seine Einschätzung.
Rückforderungen für bis zu zehn Jahre möglich
„Was im ersten Augenblick nach einer vernünftigen Regelung für wenige Einzelfälle klingt, kann sich auf Mittelständler verheerend auswirken“, widerspricht Dr. Thomas Riemann, Leiter der Abteilung Recht beim Verband der Vereine Creditreform ganz entschieden, „Insolvenzverwalter haben die Insolvenzanfechtung als probates Mittel entdeckt, um auf einfache und schnelle Art die Insolvenzmasse anzureichern, an der sie prozentual mitverdienen. Darunter haben z.B. Baustoffhändler zu leiden. Sie sind meist darauf angewiesen, in der kalten Jahreszeit Bauunternehmen Forderungen längerfristig zu kreditieren. Probleme können auch andere Branchen mit saisonalen Schwankungen wie Brauereien und Lebensmittellieferanten bekommen, die ihren wirtschaftlich angeschlagenen Gastronomen durch Ratenzahlungen oder verlängerten Zahlungszielen wieder auf die Beine helfen wollen. Sie riskieren, durch die Rückzahlung erhaltener Geldbeträge erheblich belastet oder sogar in den wirtschaftlichen Ruin getrieben zu werden“, hält er entgegen.
Die Analyse von Creditreform: Wer schwächelnde Kunden mit Waren oder Dienstleistungen beliefert oder ihnen Ratenzahlung oder Stundungen einräumt, geht große Risiken ein. Er läuft Gefahr, bei einer Insolvenz des Geschäftspartners dessen geleistete Zahlungen zurückzahlen zu müssen. Und zwar für einen Zeitraum von zehn Jahren. Erschwerend kommt hinzu, dass die betroffenen Gläubiger nicht nur sicher geglaubtes Geld für ihre erbrachten Lieferungen und Leistungen wieder herauskehren müssen, sondern auch den Nutzen, den sie daraus gezogen haben. Auf gut Deutsch: Sie dürfen auch noch Zinsen auf den angefochtenen Betrag zahlen.
Auch größere und große Unternehmen seien gegen diese Angriffe nicht gefeit: Auch bei Leasinggesellschaften und Inkasso-
unternehmen seien Ratenzahlungen und längere Vertragslaufzeiten der Normalfall. „Bei einer Anfechtung geht es dann meist um viele Raten und damit große Summen, die der Insolvenzverwalter einfordert“, warnt Dr. Thomas Riemann vor „beängstigenden Entwicklungen im Bereich Insolvenzanfechtung“. Seine Einschätzung: „Die Anfechtungsvoraussetzungen für Fälle vorsätzlicher Benachteiligung von Gläubigern sind gesetzlich nicht hinreichend konkretisiert. Als Vorsatz wird bereits gewertet, wenn der insolvente Schuldner in Kauf nimmt, dass er mit der Begleichung der einen Rechnung eine andere nicht bezahlen kann. In der täglichen Praxis werten die Gerichte das Bestehen von Ratenzahlungs-, Stundungs- und Verzichtserklärungen häufig bereits als Anzeichen für die Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners und einer vorsätzlichen Benachteiligungsabsicht des Schuldners. Eine völlige Fehlinterpretation. Denn das Ziel von Kreditierungen und Ratenzahlungen ist es in erster Linie, die Liquidität des Schuldners zu sichern. Und nicht, andere Gläubiger zu benachteiligen.“
„Höchstrichterliche Rechtsprechung hat jegliche Konturen verloren“
§ 133 Abs. 1 der Insolvenzordnung müsse dringend überarbeitet werden, fordert Dr. Riemann. Gerade im Bereich der sogenannten Vorsatzanfechtung gäbe es in der aktuellen Fassung erhebliche Missstände. „Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat in der Vergangenheit wesentlich dazu beigetragen, dass die Vorschrift, die sich gegen vorsätzliche Benachteiligungen von Gläubigern richtet, jegliche Konturen verloren hat“, ist er überzeugt. „Bei einer Überarbeitung der Insolvenzordnung muss sichergestellt werden, dass Unternehmen Ratenzahlungsverträge abschließen dürfen, ohne in jedem Fall befürchten zu müssen, von Insolvenzverwaltern zur Rückzahlung aufgefordert zu werden.“
Dazu seien die Kriterien für eine Vorsatzanfechtung klarer und detaillierter zu formulieren. Auch sollte die derzeitige Anfechtungsfrist von zehn Jahren deutlich reduziert werden. „Gesetzgeberisches Ziel muss es sein“, so der Creditreform-Rechtsexperte, „nur solche in Schädigungsabsicht vorgenommenen Rechtshandlungen der Anfechtung zu unterwerfen, die eine ‚kriminelle Tendenz‘ aufweisen.“ Zudem müsse den Insolvenzverwaltern der monetäre Anreiz genommen werden, möglichst spät anzufechten.
Die Diskussion um die Insolvenzanfechtung und der daraus resultierende Referentenentwurf zur Reform des Anfechtungsrechts zeigen nach Beobachtung von Creditreform erste positive Auswirkungen in der Rechtsprechung.
Der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) begrüßt den vorliegenden Entwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz. Zu begrüßen sei, dass künftig nur eine unangemessene Gläubigerbenachteiligung zur Vorsatzanfechtung berechtigen soll. Damit schaffe der Gesetzgeber einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des durch die Deckungshandlung Begünstigten und den Interessen der Insolvenzgläubiger. Auch die vorgesehene Verkürzung des Anfechtungszeitraums auf vier Jahre vor Stellung des Insolvenzantrages sei konsequent. Durch die Verkürzung auf einen überschaubareren Zeitrahmen lässt es sich leichter vermeiden, dass sich die Betroffenen nach vielen Jahren plötzlichen Forderungen ausgesetzt sehen, auf die sie wirtschaftlich nicht vorbereitet sind. Gerade für KMU führt dieser Umstand gegenwärtig noch zu häufig unkalkulierbaren Risiken im Geschäftsverkehr und teilweise existenzbedrohenden Schwierigkeiten.
Zahlreiche Unternehmen erhalten nach Angaben von Creditreform jedes Jahr die Aufforderung eines Insolvenzverwalters, eine zuvor geleistete Zahlung eines Vertragspartners zurückzuführen. Daraus sei ein neues Risiko für Lieferanten erwachsen, weil erhaltene Zahlungen ihrer Vertragspartner tatsächlich bestandskräftig sind oder gegebenenfalls zurückgezahlt werden müssen. Ein Lichtblick wird aufgezeigt: Unternehmen können sich gegen solche Risiken wappnen und zur Risikominimierung eine Warenkreditversicherung ab-
schließen. Reinhold Häken | redaktion@regiomanager.de
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