Marktwirtschaft, das heißt harte Konkurrenz und ständiger Kampf ums Überleben … so ein gängiges Klischee. Das ist allerdings nur ein Teil der Wahrheit. Unternehmen kooperieren mindestens genauso häufig miteinander, wie sie zueinander in Konkurrenz treten – und das nicht nur im Sozial- oder Genossenschaftssektor. Für Unternehmen aller Größen sind Kooperationen ein gutes Mittel, Märkte zu erschließen und Innovationen zu entwickeln, für die die eigenen Ressourcen nicht ausreichen würden. Kooperiert wird u.a. bei Forschung und Entwicklung, zur Ergänzung des eigenen Angebots, im Vertrieb oder bei Transport und Logistik. Formen der Kooperation reichen von Empfehlungen und Vermittlung über Unteraufträge bis zur Gründung von „Joint Ventures“, also gemeinsamen Unternehmen.
Für Mittelständler oft überlebenswichtig
Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) hat das Thema Kooperation alleine aufgrund ihrer geringeren Größe eine eminente Bedeutung. Finanzielle und personelle Ressourcen geben oft zu wenig Spielraum für aufwendige Forschungsprojekte oder Jahre dauernde Produktentwicklung. Außerdem sind die im Unternehmen vorhandenen Kompetenzen meist weniger breit gefächert als bei multinationalen Großunternehmen. Um mit diesen konkurrieren zu können, sehen sich daher viele Mittelständler gezwungen, mit anderen Marktteilnehmern zusammenzuarbeiten. Im Verbund bekommen sie günstigere Einkaufskonditionen und können ihren Kunden ein besseres Produktportfolio oder marktkonformere Lieferbedingungen bieten – was alleine nicht realisierbar wäre. So können KMU auch unter schwierigen Marktbedingungen unabhängig bleiben und sogar agiler agieren als die manchmal durch ihre allzu bürokratische Organisation behinderten Konzerne.
Handwerk, Einzelhandel und Unternehmernetzwerke
Wer Kunden ein anderes Unternehmen empfiehlt oder aktiv einen Auftrag vermittelt, beginnt bereits mit der Kooperation. Nicht umsonst ist Empfehlungsmarketing eine beliebte Praxis unter Selbstständigen und Kleinunternehmen. Davon leben lokale Unternehmernetzwerke mit regelmäßigen Treffen und Empfehlungskultur. Einen Schritt weiter geht, wer die Zusammenarbeit – und sei es mit informellen Absprachen – verstetigt. Gerade im Bauhandwerk ist es gängige Praxis, mit Unternehmen, die ergänzende Gewerke anbieten, zu kooperieren, um größere Aufträge überhaupt bearbeiten zu können. Wobei manchmal auch ein Partner als Generalunternehmer fungiert und Aufträge untervermittelt. Praktiziert wird das auch zwischen Unternehmen ergänzender Branchen, wie z.B. bei einem Holzhändler, der mit einem Parkettlegebetrieb zusammenarbeitet. Typisch für den stationären Einzelhandel sind lokale Werbegemeinschaften, die gemeinsam – und oft auch in Kooperation mit Städten und Gemeinden – an der Entwicklung eines Standortes arbeiten.
Auch mit der Konkurrenz kann man kooperieren
Dass Unternehmen mit ergänzenden Dienstleistungen zusammenarbeiten, ist auch im industriellen Mittelstand keine Seltenheit. Dabei beschränken sich Kooperationen hier – anders als in Handel und Handwerk – fast nie auf die eigene Region. Kooperationsnetzwerke können durchaus Länder und Kontinente übergreifen, so wie ein Maschinenbauunternehmen aus dem Sauerland Joint Ventures in den USA eingehen und mit Partnern aus Belgien und Kanada zusammenarbeiten kann. Ob man dagegen mit direkten Wettbewerbern, die das eigene Angebot im Zweifel ersetzen könnten, kooperieren soll, darüber sind die Meinungen geteilt. Für Unternehmensberater Dr. Ralf Mühlbauer haben Allianzen mit verwandten oder gleichartigen Fachbetrieben den Vorteil, dass man entlang der gesamten Wertschöpfungskette kooperieren kann – wobei man allerdings in der Lage sein muss, den Konkurrenzgedanken hintanzustellen. Da „Mittelstandskartelle“ in Deutschland weitgehend vom Kartellverbot befreit sind, kann die Zusammenarbeit mehrerer gleichartiger Unternehmen oft ganz offiziell und legal stattfinden, was allerdings im Einzelfall juristisch geprüft werden muss, erklärt er im „manager magazin“.
Innovationstreiber Kooperation
Für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist Kooperation sogar ein ausgesprochener Innovationstreiber – und eine große Chance für den Mittelstand. Dabei seien KMU und Forschungseinrichtungen oft sehr gute Partner, die zusammen Großes bewegen können. Ideal sei es, wenn die Kooperation in einer möglichst frühen Phase des Innovationsprozesses beginne. Gerade Kooperationen zwischen Mittelstand und außeruniversitären Forschungseinrichtungen könnten noch wesentlich häufiger stattfinden. Das vorhandene Wissen werde zu wenig abgerufen, so die Studie, die das DLR zusammen mit der EBS Business School verfasst hat.
Mittelstand plus Start-up
Ein anderer, aber unter Umständen ebenfalls sehr interessanter Weg, neues Wissen in den etablierten Mittelstand zu holen, ist die Kooperation mit technikorientierten Start-ups. Die Plattform „Markt und Mittelstand“ berichtet z.B. von einem bayerischen Automobilzulieferer, der mithilfe eines aus vier jungen Ingenieuren bestehenden Start-ups wesentliche Fortschritte bei der Entwicklung eines Leichtbau-Sportwagens aus Carbonfasern gemacht hat. Generell können Start-ups Mittelständlern bei Fragen der Digitalisierung, der IT-Sicherheit und dem Online-Vertrieb helfen. Es sei besser, mit aufstrebenden Techfirmen zusammenzuarbeiten, als sich sein Geschäft disruptiv zerstören zu lassen, so Autor Dr. Christoph Winkler. „If you can´t beat them join them“, das gilt auch für den Mittelstand.
Chancen und Risiken
Wie bei allen Projekten kommt es natürlich auch bei Kooperationen darauf an, es richtig zu machen, wenn sich der positive Effekt nicht ins Gegenteil verkehren soll. Vor allem bei festeren Zusammenschlüssen sollten unbedingt klare Ziele und Regeln definiert werden. Vor dem Eingehen eines Joint Venture ist natürlich zu prüfen, ob die Partner wirklich zusammenpassen und genügend kooperationsbereit sind. Und die beteiligten Unternehmen müssen sich bewusst machen, dass sie durch eine Kooperation Wissen, Kompetenzen und Marktchancen gewinnen, dafür aber Teile ihrer Freiheit und Unabhängigkeit abgeben. Gerade bei der Kooperation zwischen Konkurrenten ist es sinnvoll, potenzielle Reibungspunkte von Anfang an zu minimieren, z.B. indem man eine gemeinsame Vertriebsgesellschaft nicht bei einem der beiden Partner, sondern an einem unabhängigen Standort etabliert. „Werden Kooperationen nicht nur um des kurzfristigen Nutzens willen, sondern ehrlich und strategisch orientiert eingegangen, überwiegen die Chancen die Risiken bei Weitem“, erklärt Professorin Theresia Theurl von der Universität Münster.
Michael Otterbein | redaktion@regio-manager.de
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