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Leverkusen im siebten Fussball-Himmel

Historischer Triumph: Bayer Leverkusen feiert den ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte und gewinnt zudem den DFB-Pokal.

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von Henry Bauten 04.07.2024

Am Ende herrschte grenzenloser Jubel. Das Publikum in Leverkusen, das sich nach dem Treffer zum 4:0 gegen Werder Bremen in der Schlussphase erst nach einigem Zureden vom Spielfeld hatte entfernen lassen, war beim dritten Tor von Florian Wirtz zum 5:0 in der 90. Minute nicht mehr zu halten. Schiedsrichter Harm Osmers verzichtete daraufhin darauf, das Spiel nach einem zweiten vorzeitigen Platzsturm erneut anzupfeifen. Damit war der erste deutsche Meistertitel in der Geschichte von Bayer Leverkusen am 14. April endgültig besiegelt – und die Feierlichkeiten waren nicht mehr aufzuhalten.

Tausende von Fans feierten ausgelassen auf dem Rasen, nahmen Rasenstücke mit und schnitten die Netze der Tore heraus. Nach elf aufeinanderfolgenden Meisterschaften des FC Bayern München hat Bayer Leverkusen die Dominanz des Rekordmeisters gebrochen – dank einer Saison, die in jeder Hinsicht nahezu perfekt war. 

„Dieser Erfolg ist besonders für alle, die ein Teil vom Verein sind. Es ist besonders, die Bundesliga das erste Mal in der Leverkusener Geschichte nach 120 Jahren zu gewinnen. Wir müssen heute genießen und mit der Familie, Freunden und den Fans feiern“, verkündete Trainer Xabi Alonso nach dem Spiel.

 

Vizekusen adé

Am 5. Oktober 2022 trat der Spanier bei Bayer 04 Leverkusen seine erste Trainerstation im Ausland an. Zu diesem Zeitpunkt belegte die Werkself lediglich den vorletzten Platz. Unter der Leitung von Alonso verbesserte sich das Team deutlich, beendete die Spielzeit auf dem sechsten Tabellenplatz und zog ins Halbfinale der Europa League ein.

Die darauffolgende Sommerpause nutzte der Verein für einige bemerkenswerte Neuverpflichtungen wie Victor Boniface, Granit Xhaka, Alejandro Grimaldo und Jonas Hofmann, was viele Experten für die folgende Saison optimistisch stimmte. Doch was die neue Spielzeit bereithielt, hätte wohl selbst der leidenschaftlichste Bayer-Fan kaum zu träumen gewagt.

Durchgängig überzeugte die Mannschaft mit spektakulärem und dominierendem Fußball. Nach drei Siegen zu Beginn der Saison eroberte der Verein erstmals die Tabellenführung. Im darauffolgenden Topspiel beim FC Bayern zeigte sich Xabi Alonsos Mannschaft spielerisch mindestens ebenbürtig und erreichte ein verdientes 2:2-Unentschieden.

Auch in der Folge zeigte Bayer beeindruckende Leistungen. Das Jahr 2023 beendete das Team mit einem eindrucksvollen 4:0-Heimsieg gegen den VfL Bochum. Dadurch konnten die Leverkusener bis zum Jahresende 14 von 16 Bundesligaspielen für sich entscheiden.

Über Monate hinweg stand die Werkself einer starken Konkurrenz gegenüber, wobei der entthronte Titelverteidiger aus München bis ins Frühjahr hinein hartnäckig blieb. Dies gipfelte in einem möglicherweise entscheidenden Spitzenspiel um die Meisterschaft: Am 21. Spieltag empfing Leverkusen den FC Bayern in der BayArena, wo sie trotz eines knappen Vorsprungs von nur zwei Punkten den ersten Platz hätten verlieren können. Doch mit einem beeindruckenden 3:0-Sieg über den Rekordmeister machte Bayer einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zum Meistertitel.

Das Gefühl, tatsächlich Meister werden zu können, sei aufgekommen „nach dem Sieg zuhause gegen München, wo viele damit gerechnet haben, dass die Bayern da sind, wenn es darauf ankommt – und wir sie geschlagen haben“, erklärte Mittelfeldspieler Jonas Hofmann. „Da hat es einen Ruck durch die Mannschaft gegeben.“  

Nachdem die Werkself die nächsten acht Spiele ebenfalls gewonnen hatte und die Konkurrenz aus München wiederholt Punkte gelassen hatte, krönte sich Bayer Leverkusen bereits am 29. Spieltag – fünf Spieltage vor Saisonende – zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte mit dem deutschen Meistertitel. Mit diesem historischen Erfolg legte Leverkusen den lange Zeit spöttisch gemeinten Spitznamen „Vizekusen“ ab, der den Klub nach Jahrzehnten vergeblicher Anläufe und fünf Vize-Meisterschaften begleitet hatte.

„Den Begriff ‘Vizekusen’ habe ich noch nie leiden können – jetzt ist er Geschichte und das absolut zurecht“, äußerte Rudi Völler, Bayers langjähriger Geschäftsführer: „Ich weiß, wie viel dem gesamten Klub dieser erste deutsche Meistertitel der Vereinsgeschichte bedeutet.“

 

Eine Saison für die Ewigkeit

Auf dem Weg zur ersten Meisterschaft des Klubs hat Bayer Leverkusen zahlreiche vereinsinterne Rekorde aufgestellt und blieb wettbewerbsübergreifend in der abgelaufenen Spielzeit in 51 Pflichtspielen ungeschlagen. Damit stellte die Mannschaft von Xabi Alonso einen europäischen Rekord auf.

Zudem feierte Leverkusen den Rekord, als erster Club eine komplette Bundesliga-Saison ohne Niederlage beendet zu haben. Mit 90 Punkten verpasste der Verein den historischen Punkterekord des FC Bayern aus der Saison 2012/13 nur um einen Zähler.

In sportlicher Hinsicht ist dieser Erfolg eindeutig Xabi Alonsos Verdienst. Der Spanier hat eine eng verbundene Gemeinschaft geformt, die durch große Überzeugung und starken Charakter besticht – Qualitäten, die es ermöglichten, mehrere Spiele in den letzten Minuten noch zu drehen. Alonso hat eine Mannschaft entwickelt, die technisch versiert ist und im Umschaltspiel bei Ballverlust Maßstäbe gesetzt hat. Im Laufe der Saison hat sich das Team stetig verbessert und wirkte zunehmend unbesiegbar.

Der Glaube an Alonsos Philosophie und der daraus resultierende Erfolg haben die Spieler durch die Spielzeit getragen und zu einem Meistertitel geführt, der lange vor dem letzten Spieltag gesichert war. Dieser Erfolg ist nicht nur sportlich bedeutend, sondern hat auch die Sympathiewerte des Clubs in ganz Deutschland gesteigert. 

Einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Saison leistete der in Pulheim geborene Wirtz, der im Jahr 2020 aus der Jugend des 1. FC Köln zu Bayer Leverkusen wechselte. Der 21-Jährige steuerte in der Bundesliga elf Tore und zwölf Vorlagen zum Titelgewinn bei und gilt mit einem Marktwert von 130 Mio. Euro als einer der wertvollsten Fußballspieler weltweit. 

 

Das erste Double der Vereinsgeschichte

Neben dem Meistertitel gab es in Leverkusen Ende Mai erneuten Grund zum Feiern, als die Werkself nach einem 1:0-Erfolg gegen den Zweitligisten FC Kaiserslautern zusätzlich den DFB-Pokal gewinnen konnte. Somit stand am Ende der Saison das erste Double der Vereinsgeschichte. Auch in der UEFA Europa League trumpfte Bayer Leverkusen sehr erfolgreich auf und schaffte es bis ins Finale der irischen Hauptstadt Dublin. Dort verlor der amtierende deutsche Meister allerdings gegen den italienischen Vertreter Atalanta Bergamo mit 0:3 – die einzige Niederlage einer (fast) perfekten Spielzeit. Während der Klub in seiner 120-jährigen Geschichte zuvor nur zwei Titel erringen konnte, konnte der Verein seinen Trophäenschrank in dieser Saison gleich um zwei weitere Trophäen erweitern. 

Der Geschäftsführer Fernando Carro drückte seine Freude aus: „Wir sind sehr glücklich, aber es hört hier nicht auf.“ Er betonte die Notwendigkeit, dieses Leistungsniveau zu halten: „Wir müssen versuchen, auf diesem Niveau zu bleiben. Und das werden wir tun.“ 

Der Spanier formulierte zudem die zukünftigen Ziele des Vereins klar: „Das Ziel ist immer, ganz oben zu stehen. Das Ziel ist, in der Bundesliga mindestens oben dabei zu sein, im Pokal so weit wie möglich zu kommen und auch in der Champions League zu zeigen, dass Bayer Leverkusen ein top Niveau hat.“

Unabhängig davon, wie die kommende Spielzeit verläuft: Mit dem Gewinn des ersten deutschen Meistertitels und dem DFB-Pokal hat die Werkself in dieser Saison historische Erfolge gefeiert. Die beeindruckende Entwicklung des Teams unter Trainer Xabi Alonso, die strategischen Verstärkungen und die unerschütterliche Hingabe der Spieler haben das Fundament für diesen Erfolg gelegt. Der Jubel auf und neben dem Spielfeld in Leverkusen wird noch lange nachklingen. 

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Fotostrecke

Großer Anteil am Erfolg der Leverkusener Meisterschaft: der in Pulheim geborene Florian Wirtz

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