Management

Praxischeck: Zukunftsthema Fachkräftegewinnung

Wie groß ist aktuell die Fachkräftelücke im Handwerk und mit welchen Maßnahmen lässt sich gegensteuern?

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von Miriam Leschke 12.07.2024
(© ­­­deagreez − stock.adobe.com)

Ebenso wie in vielen anderen Wirtschaftssektoren führt auch im Handwerk der demografische Wandel in Kombination mit einer gestiegenen Studierneigung zu einem großen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und neuen Auszubildenden. So fehlen laut dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) derzeit geschätzt rund 250.000 Fachkräfte im Handwerk. Nach Berechnungen des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) gibt es bereits seit 2015 mehr offene Stellen in handwerklichen Berufen als arbeitslose Handwerkerinnen und Handwerker.

Darüber hinaus sind dem ZDH zufolge aktuell im Handwerk durchschnittlich 20.000 Ausbildungsplätze unbesetzt und in den nächsten fünf Jahren kommen noch 125.000 ausstehende Betriebsnachfolgen hinzu. Speziell im Hinblick darauf, dass das Handwerk bei der praktischen Umsetzung der Klimatransformation als einer der Hauptakteure besonders gefordert ist, sind diese Rekrutierungsschwierigkeiten besonders problematisch. Doch die Problematik wird sich in den kommenden Jahren noch einmal zuspitzen: Denn bis zum Jahr 2036 werden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mit der Generation der Babyboomer rund 12,9 Millionen Erwerbspersonen in den Ruhestand gehen, was die Fachkräftelücke nicht nur im Handwerk noch einmal erheblich vergrößern wird.

Auch wenn das deutsche Handwerk recht homogen strukturiert ist, zeichnen sich, was die Fachkräftesicherung angeht, in vielen Gewerken ähnliche Probleme ab. Etwa zur Hälfte ist das Handwerk durch die Bauwirtschaft mit dem Bauhaupt- und Ausbaugewerbe geprägt. Weitere Marktfelder werden durch die Handwerke für den gewerblichen Bedarf, das Kfz-Gewerbe, das Lebensmittelgewerbe, das Gesundheitsgewerbe und die personenbezogenen Dienstleistungen besetzt. Der Verband HANDWERK.NRW weist darauf hin, dass derzeit auf vielen Märkten des Handwerks mit hohem Tempo neue technische Lösungen zum Einsatz kommen, was sich u.a. auf die Energiewende zurückführen lässt. Dies erfordere eine Erweiterung des Know-hows und zwinge Betriebe zur Spezialisierung. Parallel zum Fachkräftemangel wachse daher zusätzlich auch der Bedarf an Qualifikationen erheblich.

 

Gewerkeübergreifende Nachwuchssorgen

Stellvertretend für viele Märkte des Handwerks stehen auch die SHK-Gewerke für die Nachwuchssorgen dieses Wirtschaftssektors. Frank Ebisch, Bereichsleiter Kommunikation und Pressesprecher des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK), zeigt auf, dass gerade die SHK-Gewerke an vielen Stellen gleichzeitig gefordert sind: „Neben allen – vor allem von der Politik ausgelösten – Aufgaben (u.a. Gebäudeenergiegesetz, Trinkwasserverordnung) kommen ja noch die Modernisierung von Millionen Bädern, der Umbau zu pflegerechten Bädern, Maßnahmen zur Rauminnenlufthygiene etc. hinzu.“ Im Rahmen der letzten Konjunktur-Umfrage hätten 57 Prozent der Betriebe im SHK-Handwerk über offene Stellen berichtet, so Ebisch. „Im Durchschnitt werden 2,3 Mitarbeiter im gewerblich-technischen Bereich pro Betrieb gesucht. Es besteht weiterhin auch ein Bedarf von durchschnittlich 1,6 kaufmännischen Mitarbeitern pro Betrieb. Ferner werden im Durchschnitt 1,6 Azubis pro Betrieb gesucht.“ Je größer das Unternehmen, desto höher sei auch der Fachkräftebedarf. Zudem geht Ebisch davon aus, dass dieser im SHK-Handwerk in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen wird.

Rolf Fuhrmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Bereichsleiter Berufsbildung des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH), ist der Ansicht, dass sich das Dachdeckerhandwerk trotz einer derzeit erfreulichen Entwicklung der Ausbildungszahlen und der Weiterbildungsbereitschaft in den Betrieben angesichts der Herausforderungen, die die Klimawende mit sich bringt, nicht zurücklehnen dürfe. „Nach fünf Jahren kontinuierlichen Zuwachses und einem Rückgang im letzten Jahr zeigt sich nun wieder ein Anstieg der Gesamtzahl der Auszubildenden“, berichtet Fuhrmann. Mit 8.490 Auszubildenden gebe es im Dachdeckerhandwerk aktuell eine höhere Zahl von Auszubildenden als im Jahr 2023. Auch die Abbrecherquote bei den Auszubildenden sei zurückgegangen.

Im Hinblick auf die Klimatransformation erläutert Fuhrmann: „Im vergangenen Jahr hat sich die Weiterbildung im Dachdeckerhandwerk mit ihren Angeboten schwerpunktmäßig mit den Themen Klimawende und der Klimaanpassung befasst. Der ZVDH-zertifizierte Photovoltaik-Manager im Dachdeckerhandwerk hat sich etabliert: Es haben bereits rund 3.500 Dachdecker und Dachdeckerinnen teilgenommen, somit über 40 Prozent der Innungsbetriebe und rund 25 Prozent aller Dachdeckerbetriebe. Entsprechende Weiterbildungsangebote für Auszubildende im Dachdeckerhandwerk sind in Planung und werden folgen.“ Man betrachte sich als maßgebliches Klimahandwerk mit der energetischen Sanierung der Gebäudehülle und der Montage von Photovoltaikanlagen, sagt Fuhrmann und betont: „Unsere Anstrengungen zur Nachwuchsgewinnung, die vom Betrieb über die Innung und die Landesverbände mit ihren hervorragenden Projekten bis hin zum Zentralverband reichen, müssen weiterverfolgt und verstärkt werden.“

 

Betriebe müssen Präsenz zeigen

Gemeinsam mit den 53 Handwerkskammern hat der ZDH zuletzt im Herbst 2022 eine Sonderumfrage zur Ausbildungssituation in deutschen Handwerksbetrieben durchgeführt. Diese hat u.a. gezeigt, dass 27 Prozent der Handwerksbetriebe zum Befragungszeitpunkt Auszubildende beschäftigten. Demgegenüber lag dem ZDH zufolge die Ausbildungsbetriebsquote in der Gesamtwirtschaft lediglich bei knapp 20 Prozent. Neben den bereits genannten Problemen hat das Handwerk nach wie vor mit einem großen Bewerbermangel zu kämpfen. So gab bei der Sonderumfrage jeder zweite Handwerksbetrieb an, keine passenden Bewerber für offene Ausbildungsplätze zu finden. Um mehr junge Menschen für eine berufliche Ausbildung zu interessieren, braucht es aus Sicht der befragten Betriebe einen Ausbau der Berufsorientierung an allen Schulformen sowie eine Wiedereinführung des Werkunterrichts an allgemeinbildenden Schulen.

Nach Ansicht von Frank Ebisch vom ZVSHK war die Debatte über die „Bildungskrise“ nie so treffend wie aktuell: „Früher suchten sich die Betriebe die Auszubildenden aus, heute können sich ausbildungsfähige Jugendliche die Betriebe aussuchen. Gerade das macht es schwer für die Betriebe: Sie müssen sich einerseits attraktiv als Ausbildungsbetrieb machen, müssen sich aber gleichzeitig in verstärktem Maße damit auseinandersetzen, dass viele Kandidaten eigentlich gar nicht die Qualifikation für eine anspruchsvolle Berufsausbildung im SHK-Handwerk mitbringen.“

Rolf Fuhrmann vom ZVDH berichtet, dass im Dachdeckerhandwerk viele Betriebe bereits Einiges tun, um junge Menschen zu gewinnen: „Das geht von ihrem Engagement in Schulen über Ausbildungsmessen und Speeddatings bis hin zu betrieblichen Praktika, um nur Beispiele zu nennen. Dies wird durch vielfältige Aktionen unserer Landesinnungsverbände wie etwa Jugendorganisationen, Ausbildungsbeauftragten oder Messemobilen mit modernster Technik unterstützt. Daran arbeiten wir verstärkt weiter mit dem Ziel, Synergieeffekte zu schaffen.“ Auch Frank Ebisch vom ZVSHK weist darauf hin, dass gute Personalentwicklung bereits mit dem Azubi-Recruiting beginne und nennt Beispiele dafür, welche Maßnahmen der ZVSHK bereits ergriffen hat: „Aufgabe ist es, Jugendliche für die spannenden Tätigkeiten im SHK-Handwerk zu begeistern und umfassend über die hervorragenden Karriereperspektiven zu informieren. Sich in diesem Zusammenhang offen gegenüber neuen Praktiken und Ideen zu zeigen und alle relevanten Kommunikationskanäle zu nutzen, ist essentiell für den langfristigen Erfolg. Beispielsweise werden innerhalb der SHK-Verbandsorganisation Events organisiert, im Rahmen derer Jugendliche VR-Brillen nutzen, um die Instandhaltung von Wärmepumpen virtuell auszuprobieren. Zusätzlich stehen auf diesen Veranstaltungen SHK-Profis bereit, die mit den Jugendlichen ins Gespräch kommen und aus der Berufspraxis berichten. Auf diese Art und Weise können in lockerer Atmosphäre Kontakte geknüpft und Informationen zu den beruflichen Tätigkeiten vermittelt werden.“

Frank Ebisch und Rolf Fuhrmann sind überzeugt davon, dass die duale Berufsausbildung das zentrale Erfolgsmodell zur Fachkräftesicherung ist und bleibt. „Das duale Ausbildungssystem ist Basis und Dreh- und Angelpunkt zur Schaffung von Nachwuchs, da es nachhaltig berufliche Perspektiven mit dem Gesellenbrief, dem Meisterbrief und darauf aufsattelnder Weiterbildung im Blick hat“, sagt Fuhrmann. Dennoch zeige der ZVDH sich offen und habe nun auch Teilqualifikationen im Fokus, um denen eine Chance im Handwerk zu bieten, deren Weg nicht über eine klassische Ausbildung führt.

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Frank Ebisch, Bereichsleiter Kommunikation und Pressesprecher des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (© ZVSHK)

Rolf Fuhrmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Bereichsleiter Berufsbildung des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks

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