Der Reifen ist eines der wenigen Teile des Autos, die sich in den letzten Jahrzehnten weder in ihrer Gestaltung noch in ihrer Materialzusammensetzung wesentlich verändert haben. Bislang gab es auch wenig Gründe, „das Rad“ neu zu erfinden. Mittlerweile ist es aber an der Zeit, dem Reifen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Denn was nützen ein noch so leistungsstarker Motor oder ein intelligentes Fahrwerk, wenn der Reifen am Ende völlig überfordert ist? Der Reifen hat nämlich eine ganz entscheidende Funktion: Er ist die Komponente, die für die Verbindung zwischen Auto und Straße sorgt.
„Im Moment erlebt die Reifenbranche einen gewaltigen Umbruch“, heißt es bei Goodyear. Es werde viel ausprobiert – und das in alle Richtungen: „Derzeit kann keiner genau sagen, was unsere Reifen in zehn Jahren alles leisten werden“, urteilen auch Continental und Bridgestone, die anderen großen Hersteller der Branche.
Großhandelsgeschäft wird aktiv
Der Reifen der Zukunft beschäftigt aber nicht nur die Hersteller, gefordert sind auch die Händler, die im Reifenersatzgeschäft auf mehr als 55 Millionen verkaufte Reifen im Jahr verweisen können. Gleichwohl räumen sie ein, dass schwierige Zeiten auf die Reifenbranche zukämen. „Der Reifenfachhandel gerät in einem schrumpfenden und hart umkämpften Markt zunehmend unter Druck“, formulierte der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV) schon vor Jahren. Marktforscher malen ein düsteres Bild der Zukunft des Reifenhandels. Der Reifenmarkt sei gesättigt und lasse kein Stückzahlenwachstum mehr erwarten; allenfalls gehe die Verschiebung vom Sommer- zum Wintersegment weiter. Stark wachsen soll das Segment Ganzjahresreifen. Das führt allerdings zu zurückgehenden Serviceumsätzen, weil die Räder nicht mehr gewechselt und eingelagert werden müssen, heißt es in einer Branchenstudie.
55 Millionen Reifen verkauft
Die Branche verweist auf stabile Zahlen: Rund 55,1 Millionen Reifen wurden im Reifenersatzgeschäft in Deutschland im Jahr 2017 verkauft. Das entspricht einem leichten Plus von 0,5 Prozent im Durchschnitt aller Produktsegmente. „Wir haben eine Stabilisierung auf hohem Niveau“, so der Präsident des Bundesverbandes Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV), Stephan Helm. Mit gut 92 Prozent der abgesetzten Stückzahlen sind dabei die sogenannten Consumer-Reifen (Produktgruppen Pkw- und Off-road- sowie Leicht-Lkw-Reifen) mit großem Abstand das größte Segment im Reifenersatzgeschäft, gefolgt von Lkw-Reifen (knapp 5 Prozent) und Motorradreifen (2,4 Prozent). Mit rund 92,5 Prozent Anteil an der Produktgruppe Consumer-Reifen und gut 85 Prozent am Reifenersatzgeschäft gesamt bestimmt die Produktgruppe Pkw und Offroad-Reifen (4×4) maßgeblich die Gesamtentwicklung im Markt. Ganzjahresreifen machten 2017 mit einem Absatz von 8,2 Millionen einen Anteil von rund 16 Prozent im Consumer-Segment aus. Dies ging aber hauptsächlich zu Lasten des Sommerreifenabsatzes, während der Absatz von Winterreifen stabil blieb.
Im Produktsegment Lkw-Reifen wurden 2,7 Millionen Stück verkauft. Gut 70 Prozent davon waren Neureifen, der Rest runderneuerte Reifen. Das Motorradsegment ist stückzahlenmäßig für die Reifenbranche eine Nische. Der Absatz an Motorradreifen im deutschen Ersatzmarkt lag im Jahr 2017 bei 1,3 Millionen. Die Durchschnittstemperatur im Jahr 2018 lässt satte Zuwächse an Stückzahlen erwarten.
Besondere Kompetenz
Neben der Stückentwicklung im Reifenersatzgeschäft analysiert der BRV auch die betriebswirtschaftliche Situation der Branche. „Die Ergebnisse zeigen, dass der Gesamtumsatz 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 1,6 Prozent gestiegen ist“, berichtet Yorick M. Lowin. Die Umsätze mit Dienstleistungen, im Betriebsvergleich getrennt nach den Bereichen Reifenservice und Autoservice ausgewiesen, konnten im Kerngeschäft Reifenservice um 2,5 Prozent, im Standbein Autoservice um 3,7 Prozent ausgebaut werden. Autoserviceleistungen machen mittlerweile im Durchschnitt 11,4 Prozent des Umsatzes aus, liegen aber in der Gruppe der Unternehmen mit vorwiegend Pkw-Kundschaft mit rund einem Drittel Umsatzanteil deutlich höher. Hier zeigt sich die zunehmende Entwicklung der Reifenservicebetriebe hin zu freien Kfz-Werkstätten mit Dienstleistungsangebot rund um das Kfz und besonderer Kompetenz im Reifenservice.
Die Personalkosten sind im Vergleich zum Vorjahr um rund drei Prozent auf 25,4 Prozent vom Umsatz gestiegen, was aber nicht in einem Ausbau der Personalkapazität, sondern vielmehr in klassischen Lohnerhöhungen begründet sei. Hier macht sich wie überall in der Wirtschaft zunehmender Wettbewerb um Fachpersonal bemerkbar: Um qualifizierte Mitarbeiter auf Dauer zu halten, müssen die Unternehmen tiefer in die Tasche greifen. Reinhold Häken
| redaktion@regiomanager.de
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