Werbetechnik – der Begriff umfasst die gestalterische und praktische Umsetzung von Werbung im Bereich Schilder- und Lichtreklame. Er schließt aber auch Dienstleistungen mit ein, die mittlerweile von vielen kleinen und mittelständischen Firmen übernommen werden, deren unternehmerischer Schwerpunkt eigentlich auf anderen Aufgaben liegt. „Seit die Meisterpflicht weggefallen ist, legen sich beispielsweise auf Autotuning spezialisierte Betriebe Schneideplotter zu, um ihren Kunden auch Folienbeschriftung für ihre Wagen bieten zu können“, erklärt Tim Rehse, Vorsitzender des Ausschusses für Öffentlichkeitsarbeit beim Zentralverband Werbetechnik (ZVW) mit Sitz in Dortmund. Der 41-Jährige ist Geschäftsführer der Rehse Reklame GmbH in Tönisvorst und Obermeister der Werbetechniker-Innung Düsseldorf. Gerade die Tatsache, dass viele Firmen die Werbetechnik erst als zweites oder drittes Standbein ins Leistungsportfolio mitaufgenommen haben, erschwert handfeste Aussagen über die Anzahl der bundesweit tätigen Unternehmen in dieser Branche. „In der Handwerksrolle eingetragen sind rund 2.800 Betriebe mit durchschnittlich fünf bis acht Mitarbeitern. One-Man-Shows oder bei der IHK angemeldete Betriebe, die nebenbei noch Folienbeschriftung oder Textilbeflockung anbieten, entziehen sich meistens den statistischen Erhebungen“ sagt Rehse.
Ins rechte Licht gerückt
Der ZVW-Sprecher schätzt, dass es deutschlandweit rund 150 Werbetechnik-Unternehmen in der Größenordnung zwischen 20 und 50 Angestellten gibt – sie sind es, die größere Objekte mit riesigen Werbetürmen, Großwerbeanlagen und Leuchtbuchstaben ausstatten und oft auch europaweit im Einsatz sind. Bei ihren Kunden handelt es sich zumeist um die großen Filialisten, die auf der grünen Wiese schon von Weitem auf sich aufmerksam machen wollen. „Die großen Aufträge sind da sicherlich die Umflaggungen“, sagt Tim Rehse – kauft etwa ein Einzelhandelsriese den anderen auf, müssen die neu erworbenen Märkte natürlich umgestaltet und die Werbung entsprechend angepasst werden. „Das sind lukrative Aufträge, wenn man da auf einen Schlag 30 Märkte umrüsten soll. Allerdings ist das ein hart umkämpftes Geschäft, der Ertrag wird immer knapper.“ Man gewinne immer mehr den Eindruck, dass sich bei den Auftraggebern eine Art „Geiz ist geil“-Mentalität breitmache, eben weil diese Umflaggungen an der Tagesordnung sind. „Der Einkauf weiß schon jetzt: ‚Bald heißen wir eh wieder anders‘ – da nimmt man ungern das große Geld in die Hand“, erklärt Tim Rehse. Bei einer Markt-Übernahme muss dann alles schnell gehen – oft geht die gesamte Umrüstung innerhalb von drei Monaten über die Bühne. Die Werbeflächen werden dann erst kurz vor der Eröffnung in Angriff genommen, die Zeit sitzt den Werbetechnikern dabei immer im Nacken.
LED-Technik und
Digital Signage
Die wohl wichtigste Innovation der vergangenen Jahre war wohl die Einführung der LED-Technik: Statt die Leuchtbuchstaben und –kästen wie bisher mit anfälligem und stromintensivem, mundgeblasenem Neon auszustatten, greift man heute zu Ketten mit LED-Modulen, die verschraubt oder verklebt werden können. LEDs sparen Strom und lassen sich deutlich leichter verbauen und bei Ausfall reparieren. „Zudem kann man die Helligkeit regulieren“, erklärt Tim Rehse. In der Dämmerung gehe man dazu über, die Anlage sehr hell scheinen zu lassen, um sich von der noch sichtbaren Umgebung abzuheben. Im Dunklen kann die Helligkeit dann wieder zurückgefahren werden. Die Zukunft steht ganz im Zeichen von Digital Signage: elektronische Plakate und Verkehrsschilder, digitale Türbeschilderungen oder Großbildprojektionen werden nach und nach das Gesicht der Städte verändern. „Aber keine Sorge: Wie in Las Vegas wird es bei uns auch in 20 Jahren nicht aussehen“, ist sich der Werbetechniker sicher.
Videowände, ganz klein oder mehrere Quadratmeter groß, ermöglichen einen viel flexibleren Einsatz von Reklame als beispielsweise ein fest installiertes Banner. Da kann etwa die Waschstraße, die bei Regen von den Kunden eher links liegen gelassen wird, spontan auf die Wetterlage reagieren und ihre Dienste bei schlechtem Wetter über ein Display etwa zu günstigeren Tarifen anpreisen. Richtige Videobotschaften über die digitalen Leinwände zu schicken, birgt allerdings ein zu hohes Gefahrenpotenzial allein im Straßenverkehr. „Da sind auch die Bauämter restriktiv. Technisch ist alles machbar, aber schon aus Sicherheitsgründen wird es bei uns wohl kaum Las Vegas like.“ Momentan zeige man vor allem Standbilder, die einander auf den digitalen Reklametafeln abwechseln. Noch sei die neue Technik allerdings auch noch anfällig für „Kinderkrankheiten“, wie es Tim Rehse ausdrückt: Mit Temperaturschwankungen, Feuchtigkeit und Sonneneinstrahlung hat man in den kommenden Jahren wohl noch ein wenig zu kämpfen.
Das Stichwort „Bauamt“ ist für Tim Rehse unweigerlich auch mit zahlreichen Auflagen verbunden: Schon für ein unbeleuchtetes Schild, das mehr als einen Quadratmeter misst, muss ein Antrag bei der zuständigen Kommune, Gemeinde oder Stadt gestellt werden. Da gilt es, Gestaltungssatzungen zu beachten, die Befestigung muss statisch abgesichert und das Ganze dokumentiert werden. Ganz egal, was der Kunde sich wünscht und die Werbetechnik möglich machen kann – im schlimmsten Fall wird das Schild nicht aufgehängt. Regeln und Standards sind natürlich richtig und sinnvoll, sagt Tim Rehse. Aber manchmal habe er doch den Eindruck, dass die Entscheidung für oder gegen die Außenwerbung letztlich vom Geschmack des zuständigen Sachbearbeiters abhänge. Vor allem kleine Betriebe können die anfallenden Gebühren für zusätzliche Dokumentationen und Prüfungen kaum noch stemmen. Zumal diese oft erst im Nachhinein anfallen, wenn die Werbung schon längst sitzt bzw. hängt. Qualitätsstandards wie etwa die CE-Kennzeichnung bringen wiederum auch dem Werbetechniker neben zusätzlichem Arbeitsaufwand auch Sicherheit: Es muss genau dokumentiert werden, welche elektronischen Bauteile beispielsweise in einem Leuchtkasten verbaut wurden oder welche Garantien auf die einzelnen Komponenten es gibt – auch die Rückverfolgung über Seriennummern muss sichergestellt werden.
Abwechslungsreiches
Jobprofil
Der Beruf bietet Vielfalt: Letztlich finden sich in der Werbetechnik Tätigkeiten von Siebdruckern, Vergoldern, Schriftsetzern, Elektrikern, Schlossern, Malern, Lackierern und auch Mediengestaltern. Viele Aufträge sind Einzelanfertigungen, Lösungen von der Stange eher selten gefragt. Jede Lichtreklame, jede Autobeschriftung ist schließlich ein Unikat. „Es ist ein sehr spezieller Job – und es wird immer schwieriger, Auszubildende zu finden“, klagt Tim Rehse. Er selbst bildet im eigenen Betrieb jährlich drei Lehrlinge aus, drei Jahre dauert die Ausbildung. „Vor einigen Jahren konnte ich aus 60 Bewerbungen wählen – heute muss ich nehmen, was ich kriegen kann.“ Allgemein sei das Image handwerklich geprägter Berufe im Keller – dabei sind die Zukunftsperspektiven für die Werbetechnik gut, glaubt Tim Rehse. Wer sich weiterqualifizieren will, kann beispielsweise die Meisterprüfung ablegen – trotz Abschaffung der Meisterpflicht immer noch ein geschätztes Qualitätskriterium oder aufgrund der praktischen Erfahrung mit den Produkten im Vertrieb einsteigen und Werbeanlagen gestalten und verkaufen.
Miriam Leschke | redaktion@regiomanager.de
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