In welche Richtung kann sich Herr Maier entwickeln? Schauen wir doch mal in sein Persönlichkeitsprofil der Testauswertung … Und der Bewerber, der gestern da war – sollen wir ihn nun einstellen oder nicht? Seiner Persönlichkeitsanalyse zufolge ist ja seine Entscheidungskompetenz nicht so ausgeprägt … Persönlichkeitstests sind in der Personalentwicklung, im Recruiting und in Management-Trainings verbreitet. Die aus den Tests gebildeten Persönlichkeitsprofile dienen Personalmanagern als Basis für Feedback. Sie ziehen die Tests zudem oftmals hinzu, um Personalentscheidungen zu treffen. Und in Trainings- und Coachingprozessen werden sie eingesetzt, damit der Mitarbeiter die eigenen Potenziale erkennen und reflektieren kann.
Ungeeignet: projektive Tests
Allerdings ist allgemein umstritten, ob der Einsatz von Persönlichkeitstests sinnvoll für Personalauswahl und -entwicklung ist. Relativ einig ist man sich dabei, dass sogenannte projektive Tests, die aus dem klinischen Bereich kommen, für unternehmerische Zwecke ungeeignet sind. Projektive Testverfahren arbeiten mit abstrakten Mustern, mehrdeutigen Bildern oder Zeichnungen. Bekannt ist etwa der Rorschach-Test, bei dem Tintenklecksbilder individuell gedeutet werden. Interpretiert werden hier letztlich die Gefühle, Erfahrungen und Konflikte, die die Testpersonen in das Material projizieren. Tatsächlich aber setzt so manches Unternehmen Tests dieser Art immer noch ein. Das zeigt jedenfalls die Studie „Status Quo der Führungskräfteauswahl – Gegenwärtig genutzte Verfahren und Methoden“, die der Hamburger Personaldienstleister Get Ahead Executive Search vor zwei Jahren in Zusammenarbeit mit 112 Unternehmen unterschiedlicher Branchen aus dem In- und Ausland durchgeführt hat.
Auch andere Tests umstritten
Doch auch Persönlichkeitstests, die für den Einsatz in Unternehmen entwickelt wurden, werden vielfach kritisiert. Es handelt sich in der Regel um sogenannte psychometrische Tests, bei denen der Kandidat einen Fragebogen zur Selbsteinschätzung erhält. Die Fragen beantwortet er durch Angaben auf einer quantitativen Skala. Der Computer ermittelt die Persönlichkeitsmerkmale dann im Vergleich zu einer „Normalstichprobe“ anderer Menschen. Viele dieser diagnostischen Analysen gelten nicht als wissenschaftlich. In ihrem Buch „Persönlichkeitstests im Personalmanagement“ haben die Psychologen Rüdiger Hossiep, Michael Paschen und Oliver Mühlhaus zahlreiche gängige Tests sowohl aus dem wissenschaftlichen Bereich als auch von kommerziellen Anbietern unter die Lupe genommen – mit verheerendem Ergebnis: Für keinen der 15 untersuchten deutschsprachigen Persönlichkeitstests ist laut der Untersuchung der wissenschaftliche Nachweis erbracht, dass sie einen nennenswerten Beitrag zur Verbesserung von Auswahlentscheidungen leisten. Das gilt auch für so angesehene und bekannte Tests wie die deutschen Versionen des 16-PF (16 Persönlichkeitsfaktoren) und des Myers Briggs Typenindikators (MBTI).
Mangelnde diagnostische Kompetenz
„Die in deutschen Unternehmen populärsten Instrumente sind solche, deren Grundkonzeption aus wissenschaftlicher Sicht völlig überholt erscheint und/oder deren diagnostische Qualität bestenfalls fragwürdig zu nennen ist“, sagt Uwe Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück mit den Arbeitsschwerpunkten Personaldiagnostik und fragwürdige Methoden der Personalarbeit. Konkret kritisiert er Testverfahren, die Menschen typologisieren. Diese würden in Unternehmen immer noch am häufigsten eingesetzt. Kanning bemängelt aber auch die geringe diagnostische Fachkompetenz der Entscheidungsträger. „Personaler sind oft nicht entsprechend diagnostisch ausgebildet. Sie schauen eher darauf, ob das Instrument weit verbreitet ist“, sagt er.
Eigene Potenziale erkennen
Stellt sich die Frage: Auf was ist bei einem Persönlichkeitstest zu achten? Um zu erkennen, ob ein Tool geeignet ist, sollten laut Daniel Held, Gründer und CEO des Schweizer Unternehmens PI Management, folgende Aspekte geprüft werden: die wissenschaftliche Genauigkeit bei seiner Entwicklung und Aktualisierung, seine Fähigkeit, unterschiedliche kulturelle Eckwerte zu berücksichtigen, seine Relevanz, seine Zuverlässigkeit, seine Validität und sein Beitrag zu einem echten Dialog. Ist wissenschaftliche Fundierung gegeben und gewiss, dass die Analyse durch das Tool ein differenziertes Bild aufzeigt, kann der Einsatz eines Persönlichkeitstests insbesondere in der Personalentwicklung durchaus sinnvoll sein. So ist es möglich, dem Mitarbeiter anhand seines Selbstbildes seine Stärken und Schwächen sowie seine Potenziale zu veranschaulichen. „Es geht darum, in eigener Person kundiger zu werden“, sagt Rüdiger Hossiep. Nur wenn man wisse, wo man stehe, sei Entwicklung möglich. „Der Nutzen liegt im Thema Selbststeuerungskompetenz und Selbstreflexion“, ergänzt Oliver Mühlhaus.
Bei der Personalauswahl indes hat ein Persönlichkeitstest nur dann Sinn, wenn auch klar umrissen ist, welche Kompetenzen für die ausgeschriebene Stelle nötig sind und ein Abgleich von Soll und Ist unter anderen Umständen schwierig ist. Das betrifft vorrangig Eigenschaften, die auch bei einem Gespräch schwer herauszufinden sind. Ob jemand eher introvertiert oder eher extrovertiert ist, wird man dagegen im persönlichen Kontakt feststellen. Da reicht Menschenkenntnis aus und es bedarf keines ausgeklügelten Persönlichkeitstests. Petra Walther | redaktion@regiomanager.de
INFO
Gütekriterien seriöser Tests
1. Objektivität
Das Ergebnis des Tests muss unabhängig vom Testleiter sein. Zudem müssen die Testbedingungen stets für alle Probanden die gleichen sein.
2. Reliabilität (= Messgenauigkeit)
Wie zuverlässig ist die Messmethode? Eine Untersuchung wird dann als reliabel bezeichnet, wenn es bei einer Wiederholung der Messung unter denselben Bedingungen und an denselben Gegenständen zu demselben Ergebnis kommt.
3. Validität (= Aussagekraft)
Wie treffsicher ist der Test in seinen Aussagen? Ein Test ist dann valide, wenn er genau die Eigenschaften misst, die er messen soll.
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