Management

Viel mehr als Käse und Tomaten

Beachtet man die Besonderheiten des jeweils anderen Landes, sind die Aussichten auf Geschäftserfolg bei deutsch-niederländischen Handelsbeziehungen nach wie vor gut.

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von Michael Otterbein 01.07.2016
(Foto: © ivanmateev – stock.adobe.com)

Der größte deutsche Hafen liegt in den Niederlanden und heißt Rotterdam, und das ist nicht nur ein Werbeslogan. In Rotterdam werden mehr Waren für Deutschland umgeschlagen als in allen deutschen Häfen zusammen. Im Jahr 2015 stand der Rotterdamer Hafen (www.portofrotterdam.com) mit einem Gesamtgüterumschlag von über 466 Millionen Tonnen in Europa unangefochten auf Platz eins. Antwerpen und Hamburg folgten mit gut 208 und 137 Millionen Tonnen. In der „Hamburg-Le Havre-Range“, dem Bereich der nordwesteuropäischen Häfen zwischen Hamburg und Le Havre, hatte Rotterdam 2015 damit einen Marktanteil von 38,1 Prozent. Die drei deutschen Überseehäfen Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven kamen zusammen auf 19,7 Prozent. Dabei waren Erdöl und Mineralölprodukte das wichtigste Rotterdamer Handelsgut. Über 191 Millionen Tonnen wurden davon im Jahr 2015 durchgeleitet. Dazu kamen 33,9 Millionen Tonnen Eisenerz und Schrott sowie 30,7 Millionen Tonnen Kohle – wichtige Rohstoffe auch für die nordrhein-westfälische Industrie. Massengüter machen etwa zwei Drittel der in Rotterdam umgeschlagenen Güter aus. Der größte niederländische Hafen hat aber auch eine große Bedeutung für Stückgut. So wurden in Rotterdam 2015 über 126 Millionen Tonnen Container verschifft. Die wirtschaftliche Bedeutung dieses Gütertransfers ist für alle Beteiligten enorm. Nicht umsonst beschäftigten der „Port of Rotterdam“ und die hafenbezogene Wirtschaft 2015 über 320.000 Mitarbeiter und erzielten etwa sieben Prozent des niederländischen Bruttoinlandsprodukts. Ein großer Teil dieser Umsätze werden mit Gütern des „Exportweltmeisters Deutschland“ erwirtschaftet. Gerade Unternehmen aus den Ballungsräumen an Rhein und Ruhr transportieren ihre Überseelieferungen bevorzugt durch die Niederlande zu ihren Endabnehmern. Deutschlands westlicher Nachbar fungiert in hohem Maße als Europas Tor zur Welt.

Niederlande – einer der wichtigsten Partner

Der direkte Handel zwischen Deutschland und den Niederlanden hat ein erhebliches Volumen. Waren im Wert von über 161,2 Milliarden Euro wurden 2014 zwischen den Ländern ausgetauscht, wobei die Importe aus den Niederlanden (88,1 Milliarden Euro) die Exporte in die Gegenrichtung (73,1 Milliarden Euro) deutlich überschritten. Gleichzeitig waren die Niederlande das bedeutendste Warenherkunftsland des deutschen Marktes – vor China und Frankreich auf Platz zwei und drei. In der Exportstatistik belegte unser westlicher Nachbar immerhin den fünften Platz. Hier waren Frankreich, die USA, Großbritannien und China größere Abnehmer deutscher Waren. Nach Frankreich waren die Niederlande somit 2014 der zweitwichtigste Handelspartner Deutschlands. Und es sieht nicht so aus, als ob sich das zukünftig grundlegend ändern wird. Und welche Güter importiert Deutschland aus den Niederlanden? Tomaten und Käse? Ja, auch. Landwirtschaftliche Produkte machten mit einem Warenwert von gut 4,6 Milliarden Euro im Jahr 2010 den zweitgrößten Teil der nach Deutschland gelieferten Güter aus. Platz eins der Importstatistik wurde mit über 11,5 Milliarden Euro Warenvolumen aber unangefochten von Kokerei- und Mineralölerzeugnissen eingenommen – wie die Konzentration der petrochemischen Industrie rund um Rotterdam schon vermuten lässt. Auf dem dritten Platz folgten Metalle – mit 4,3 Milliarden Euro knapp hinter der Landwirtschaft. Deutschland importierte neben landwirtschaftlichen Produkten also vor allem industrielle Grundstoffe. In die Gegenrichtung lieferten deutsche Unternehmen zwar auch für 3,6 Milliarden Euro Metalle sowie für 1,5 Milliarden Euro Mineralöl- und Kokereiprodukte in die Niederlande. Der Schwerpunkt der deutschen Exporte lag und liegt aber eindeutig bei verarbeiteten Gütern wie Maschinen, Autos, IT-Technik, Bekleidung und pharmazeutischen Produkten. Der Export von landwirtschaftlichen Gütern von Deutschland in die Niederlande nahm 2010 mit knapp 1,4 Milliarden Euro Warenwert nur den achten Platz der Exportstatistik ein.

Wechselvolle Geschichte, gute Aussichten

Um niederländische Landwirtschafts- und Industrieerzeugnisse in Deutschland bekannter zu machen und Handelshemmnisse abzubauen, trafen sich im Jahr 1905 in Düsseldorf niederländische Kaufleute und gründeten „Het Eerste Nederlandsche Koopmansgilde“. Dabei war der Vorläufer der heutigen „Deutsch-Niederländischen Handelskammer“ (www.dnhk.org) zunächst eine einseitige Initiative, die aber auch deutsche Unternehmen als Mitglieder gewann. Dazu wurden Niederlassungen in mehreren deutschen Städten, darunter Dortmund und Krefeld, gegründet. Leider waren die politischen Rahmenbedingungen in der Folge nicht sehr förderlich für einen Ausbau der bis dahin sehr guten Handelsbeziehungen. Inflation, Wirtschaftskrise und die nationalsozialistische Machtergreifung beeinträchtigten das deutsch-niederländische Wirtschaftsklima, und der deutsche Überfall auf das Nachbarland schien einer guten Zusammenarbeit völlig den Garaus zu machen. Aber weit gefehlt. Bereits kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die alten Beziehungen vor allem auf niederländische Initiative hin reaktiviert, sodass der Handel bereits in den 50er-Jahren ein Rekordniveau erreichen konnte, und 1956 wurde die Handelskammer zu einer paritätisch geführten Organisation, die ihren Mitgliedern in beiden Ländern umfangreiche Serviceleistungen bietet. Parallel zu der Initiative der Wirtschaft wurden auch staatliche Stellen beider Länder aktiv. In den 60er- und 70er-Jahren wurden entlang der deutsch-niederländischen Grenze fünf „Euregios“ gegründet, die die grenzüberschreitende Zusammenarbeit lokal und regional koordinieren sowie interessierten Unternehmen Beratung und Fördermittel bieten. Interessante Tipps und Infos bietet auch „NRW.International“, die Außenwirtschaftsförderungsagentur des Landes NRW mit ihrer Mittelstandsinitiative für die Benelux-Länder (www.mi-benelux-nrw.de). Dazu haben sich am Markt Dienstleistungsunternehmen, wie zum Beispiel das Essener „Hollandbüro“ (www.hollandbuero.com), etabliert, deren Aufgabe die Erleichterung und Bündelung der Kommunikation zwischen Unternehmen auf beiden Seiten der Grenze ist. Ein wichtiges Beratungsthema sind dabei immer Unterschiede in der Verhaltenskultur sowie rechtliche und steuerliche Fragen, da das niederländische Rechtssystem einige vom deutschen abweichende Besonderheiten aufweist. Wer sich vorab fachkundigen Rat holt, hat dann allerdings beste Aussichten auf einen guten Geschäftserfolg im Nachbarland.

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