Eine große Tüte Popcorn auf dem Schoß, dazu ein XXL-Getränk – der Kinoabend kann beginnen. Auch wenn das Genre „Wirtschaftsfilm“ weniger Herzschmerz oder Fernweh erwarten lässt, ist Spannung doch zumeist garantiert. Überhebliche Börsenzocker bei waghalsigen Deals, smarte Immobilienhaie am Ende der Spekulationsspirale oder korrupte Politiker am Tropf mächtiger Wirtschaftsbosse. Sie sitzen vielleicht gerade in einem der besten Wirtschaftsfilme aller Zeiten (sieheunsereTabelle) und erleben, wie sich ein Hollywood-Regisseur die Welt der Wirtschaft vorstellt – mit Betrug, Neid, Vorteilsnahme und allerlei fiesen Tricks, um an das Geld anderer Leute zu kommen. Alles nur Entertainment, aber keine wahren Geschichten!? Nun, eine große Portion Unterhaltung gehört sicher auch in den Cocktail, wenn Hollywood-Stars in Blockbustern die üble „Alles oder nichts“-Masche abziehen. Dabei geht die Kalkulation der großen Filmstudios auch zumeist noch auf. „Deutlich mehr als die Hälfte aller Kinobesucher waren auch im Jahr 2016 wegen eines Blockbusters im Kino. Zwischen Anfang Januar und Ende Dezember wurden 68 Millionen Kinotickets – und damit 56 Prozent aller Eintrittskarten – für einen der 34 Filme gelöst, die im vergangenen Jahr eine Million Besucher und mehr erreichten, darunter erneut sieben deutsche Produktionen“, so die Filmförderungsanstalt (FFA) in Berlin, die gerade aktuell im Mai gemeinsam mit der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ihre jährliche Studie zur Entwicklung der Kinobesuche in Deutschland veröffentlicht hat.
Weniger Kinobesucher
Für die Filmwirtschaft malt diese repräsentative Studie allerdings ein besorgniserregendes Bild. Zwar waren 2016 insgesamt 25 Millionen Menschen mindestens einmal im Kino, die Zahl markiert aber einen drastischen Rückgang um 4,9 Millionen Besucher (–16 Prozent) im Vergleich zum Vorjahr. Damit lag die Besucherreichweite in der Gesamtbevölkerung mit 37 Prozent erstmals seit 2007 wieder unter der 40-Prozent-Marke. Kleiner Lichtblick: die Besuchsintensität. Die wahren Kinofans gingen wieder häufiger ins Kino – und zwar 4,7 Mal im Durchschnitt (2015 waren es 4,5 Besuche). Die besten und häufigsten Kinogänger finden sich in der Alterszielgruppe von 30 bis 39 Jahren.
Die Ursachen für diesen Besucherrückgang mögen so vielfältig sein, wie die Zunahme der Zahl sonstiger, visueller Vergnügungen groß ist. In einer Zeit, wo selbst schon das klassische Fernsehen auf dem besten Weg ist, die jungen Altersgruppen zu verlieren, wo Online-Portale die spannenderen Filme und Serien zeigen, und zwar allzeit verfügbar auf dem Smartphone, und schließlich in einem Umfeld, wo es Technologiekonzerne geschafft haben, die Kameratechnik so klein, leistungsfähig und zugleich preiswert zu gestalten, dass es kaum noch technischer sowie finanzieller Ressourcen bedarf, einen ansprechenden Film zu produzieren, in diesem Spannungsfeld verzeichnet die Filmwirtschaft nicht etwa einen Niedergang – im Gegenteil wächst die Zahl kleiner und kleinster Produktions-Agenturen oder Freelancer, behaupten sich langjährig erfahrene Produktionsfirmen mit ihrem fachlich-professionellen Erfahrungsvorsprung, finden immer mehr kreativ-unkonventionelle Filmemacher neue Auftraggeber und sonnen sich zunehmend selbstbewusste Protagonisten als Darsteller vor der Kameralinse. Produzent, Kameramann und Top Act in einer Person, das ist keine Utopie mehr.
Kultur- und Innovationsfaktor
„Die Filmwirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Deutschland“, betonte daher auch Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries, als sie eine vom BMWi beauftragte Branchenstudie zur Bedeutung der Filmindustrie im Februar dieses Jahres der Öffentlichkeit vorstellte. „Der Produktionswert der deutschen Filmwirtschaft belief sich im Jahr 2014 auf 24,5 Milliarden Euro. Der Beitrag zur Wirtschaftsleistung (Bruttowertschöpfung) beläuft sich auf rund 13,6 Milliarden Euro. Die Zahl der in der Filmwirtschaft beschäftigten Erwerbstätigen beträgt rund 161.000 Personen“, zitiert die „Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen e.V.“ einige Zahlen und Fakten der Studie und sieht die signifikante Verflechtung der Branche in der Volkswirtschaft als bestätigt: „Demnach werden pro Euro direkter Bruttowertschöpfung aus den Kernaktivitäten der Filmwirtschaft insgesamt 1,60 Euro an Wertschöpfung in der Volkswirtschaft realisiert. Jeder direkt Beschäftigte ergibt einen Gesamteffekt von 2,1 Erwerbstätigen.“ „Es sind beeindruckende Zahlen und Schlussfolgerungen, die das Bundeswirtschaftsministerium vorgelegt hat“, erklärte dazu Alexander Thies, Vorsitzender der Produzentenallianz. „Ich hoffe, dass das Engagement des BMWi in dieser Sache dazu beitragen wird, dass unsere Branche als das wahrgenommen wird, was sie ist: einerseits der zentrale Erzeuger von Kultur in unserem Land, andererseits aber eben auch Zukunftsindustrie, Schrittmacher der Digitalisierung und Job-Maschine.“
50 Jahre Wirtschaftsfilmpreis
Dabei verbindet der Verbandsvorsitzende die Studienergebnisse auch gleich als Steilvorlage mit der Anregung, doch die Beträge der staatlichen Filmförderung zu erhöhen, denn die Erfahrung zeige, dass sie keine „verlorene Subvention“ sei, sondern dass die „durch Filmförderung ausgelösten Folgeinvestitionen einen Hebeleffekt je eingesetztem Euro von 1,25 bis 7,40 Euro Bruttowertschöpfung“ ergeben würden. Alexander Thies weiter: „Diese Erkenntnis ist für uns nicht neu. Dass sie jetzt aber auch vom Wirtschaftsministerium bestätigt wird, nährt unsere Hoffnung auf eine wirkungsvolle filmische Industriepolitik, mit der sich die deutsche Filmwirtschaft ihrem Potential gemäß entwickeln kann.“ Dass hierbei gerade das Genre des Wirtschaftsfilms im gleichnamigen Ministerium eine herausgehobene Rolle spielt, macht der „Deutsche Wirtschaftsfilmpreis“ deutlich, der in diesem Juli zum 50. Mal vergeben wird und damit einer der traditionsreichsten Filmpreise in Deutschland ist. Er wurde in fünf Kategorien ausgelobt: Wirtschaftsfilme bzw. -reportagen, Imagefilme aus der Wirtschaft, Audiovisuelle Beiträge für digitale Medien, Nachwuchsfilme und schließlich mit dem Sonderpreis „Deutsche Wirtschaftsgeschichte“. „Filme können auf eine besondere Art das Verständnis und Interesse für wirtschaftliche Zusammenhänge wecken. Ich freue mich daher auf viele spannende Beiträge, ganz besonders auch auf die Filme junger Filmemacherinnen und Filmemacher“, sagte Dirk Wiese, parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, im Vorfeld der Preisverleihung.
Filmförderfonds stagniert
Aber wie steht die deutsche Filmindustrie im internationalen Vergleich da? Der Deutsche Filmförderfonds, der als „Anreiz zur Stärkung der Filmproduktion in Deutschland“ 2013 noch 70 Millionen Euro zur Verfügung hatte, stagniert –, nach Angaben der Produzentenallianz –, derzeit bei 50 Millionen Euro pro Jahr. Hingegen habe im November 2016 „das italienische Parlament ein neues Filmförderungsgesetz beschlossen, nach dem die Fördergelder für die Filmproduktion um 60 Prozent (!) auf ungefähr 400 Millionen Euro pro Jahr erhöht werden. Auch das Tax Credit-System für die Filmindustrie wurde gestärkt: Investitionen im Filmbereich werden jetzt mit Steueranreizen bis zu 30 Prozent belohnt.“ Dazu erklärt Uli Aselmann, Vorsitzender der Produzentenallianz-Sektion Kino: „Durch die stetige Stärkung z.B. der italienischen Filmförderung hat sich ein erhebliches Know-how bei den Kreativen im Lande entwickelt, das in den Ländern mit einer starken Bewegtbildindustrie und in den Märkten überproportional gefragt ist. Es geht also nicht nur um die Fördermittel, sondern auch und vor allem um deren positive Auswirkungen vor Ort. Deutschland wird von den anderen europäischen Filmstandorten zunehmend abgehängt.“ Während europaweit neue Fördermodelle eingeführt oder ausgebaut werden, habe bei uns die Summe der kulturwirtschaftlichen Filmförderungen 2015 den niedrigsten Stand seit 2009 erreicht. Dabei seien die volkswirtschaftlichen Effekte bekannt, so Uli Aselmann. Zurück in den Kinosessel? Es gibt einen Wirtschaftsblockbuster der 80er-Jahre, den man sich auch heute noch mit viel Vergnügen anschauen kann, und das liegt an der großartigen Besetzung mit Eddy Murphy und Dan Aykroyd: „Die Glücksritter“. Wer es hingegen deftig-realistisch mag, der sollte die sehr gut gemachten Dokumentationen aus unserer Liste mal anschauen. Es ist sogar eine deutsche Top-Produktion dabei.
Emrich Welsing I redaktion@regiomanager.de
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