Management

Umfrage: Brachte Corona den Durchbruch?

Hat Corona die Arbeitswelt nachhaltig verändert oder werden sich die alten Muster wieder durchsetzen? Homeoffice ist die eine Sache, doch was ist mit agilen Ansätzen? Wir haben unsere Kunden und Leser befragt.

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von Regiomanager 12.08.2021
© Wayhome Studio – stock.adobe.com | Claas Syrt Möller

Erinnern Sie sich, als wir im März 2020 in den ersten Lockdown gingen? Zuerst kam die Verunsicherung über das, was da mit uns geschah. Doch schon sehr bald nährte sich die Hoffnung, dass die Krise denn auch eine Chance bieten würde. Dass sie als Katalysator fungieren würde. Als großer Erneuerer. Jetzt, ein Jahr später, möchten wir ein kleines Zwischenfazit ziehen. Nicht in Bezug auf die großen Themen, wie sie etwa von Zukunftsforscher Mathias Horx in „Die Zukunft nach Corona“ diskutiert werden, sondern ganz nah am unternehmerischen Alltag. Wir haben uns folgende Fragen gestellt:

1. Wird Homeoffice auch nach Corona Bestand haben?
2. Hat Corona der Digitalisierung zum Durchbruch verholfen?
3. Ist New Work inzwischen auch bei
uns angekommen?

Hierfür haben wir nicht nur relevante Studien gesichtet, sondern auch eine kleine Umfrage unter unseren Kunden und Lesern gestartet.


1. Wird Homeoffice auch nach
Corona Bestand haben?


Dies ist eine der wohl spannendsten Fragen unserer Zeit. Aktuell arbeiteten dank Corona ca. 50 Prozent der Beschäftigten zumindest zeitweise im Homeoffice, berichtet Wilhelm Bauer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Als grundsätzlich geeignet fürs Homeoffice gelten jedoch nur rund 40 Prozent der deutschen Arbeitsplätze. Insofern ist ein Rückgang wohl unausweichlich. Es fragt sich nur, bis auf welches Niveau?
75 Prozent der von uns befragten Unternehmer gaben an, seit Corona verstärkt Homeoffice zu ermöglichen. Diese Häufigkeit überrascht nicht. Aber wird das Homeoffice auch nach Corona eine größere Rolle spielen? Auf diese Frage in unserer Online-Umfrage äußerten 39 Prozent Zustimmung oder starke Zustimmung; 31 Prozent glauben, es werde ganz oder teilweise wieder verschwinden. 30 Prozent waren unentschieden.
Da verwundert es wenig, dass die vielfach prognostizierte Reduzierung der Büroflächen nicht bestätigt werden konnte. Gerade einmal sechs Prozent der Befragten gaben an, Büroflächen reduzieren zu wollen. Dies wäre ja auch eine drastische Veränderung, deren langfristige Folgen kaum abzusehen sind. Wenn alle im Homeoffice sind, fehlen der Flurfunk, die Plauderei am Kaffeeautomaten und beim Mittagessen, spontanes Brainstorming, Blödeln über Schreibtische hinweg oder das Feierabendbier. All das stärkt nicht nur das Gemeinschaftsgefühl; für schöpferische Prozesse ist es sogar unverzichtbar. „Das Gefühl, eine Gemeinschaft zu sein, ist das Salz in der Suppe“, sagt Dr. Miriam Baumgärtner, Wissenschaftlerin zum Themenkomplex „New Work und Gesundheit“ an der Universität St. Gallen. „Ich würde mir künftig Hybridmodelle wünschen“, folgert sie. „Es gibt Dinge, die ich zuhause besser tun kann: sich fokussieren etwa oder Texte schreiben. Themen, die auf Wissensaustausch basieren, werden dagegen besser im Office erledigt.“ Schon jetzt ist der Mix aus Homeoffice und Arbeitsplatz in der Firma für viele Beschäftigte Realität.


Entgrenzung erlernen


Arbeit im Homeoffice stellt extrem hohe Anforderungen an die eigene Selbststeuerung, ist Baumgärtner überzeugt. Eine große Gefahr bildet jedoch die sogenannte Entgrenzung, also die Aufhebung der Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. Das fängt schon damit an, dass der Weg zur Arbeit und wieder nach Hause entfällt. Nach einer Studie des Fraunhofer IAO berichten über 70 Prozent der Führungskräfte von negativen Wirkungen durch Entgrenzung bei den Beschäftigten ihrer Unternehmen.
Wenn Eltern wegen geschlossener Kindertagesstätten oder Homeschoolings zum Jonglieren mit vielen Bällen gezwungen sind, verschärft sich das Problem. „Viele Menschen haben keine klare Vorstellung mehr: Wann arbeite ich und wann nicht?“ Dagegen hilft „Boundary Management“, wie Miriam Baumgärtner erläutert. Also die zeitliche, räumliche und kommunikative Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit: „Viele Menschen sagen nicht mehr so deutlich, wann sie arbeiten und wann nicht. Es hat sich aber gezeigt, dass die Menschen am gesündesten sind, die alle drei Abgrenzungstaktiken beherrschen.“
Ein viel geäußerter Einwand gegen das Homeoffice lautet, dass die Arbeit zuhause weniger effektiv sei. Da zeigt unsere Umfrage ein differenziertes Bild: 57 Prozent halten die Produktivität im Büro und zuhause für vergleichbar; ein gutes Drittel glaubt, dass es sich daheim weniger produktiv arbeiten lässt, und nur zehn Prozent gehen von einer höheren Produktivität im Homeoffice aus. Das Ifo-Institut kam in einer Befragung von Führungspersönlichkeiten auf ähnliche Gewichtungen: 18 Prozent halten die Produktivität im Homeoffice für höher, über ein Drittel hält sie für niedriger und etwa die Hälfte geht von ähnlicher Produktivität aus.


Neuer Anspruch andie Führung


Wenn Remote Work zumindest teilweise zur Regel wird, wie findet dann eigentlich Führung statt? Hier hat der Lockdown zu Aha-Effekten auf breiter Front geführt: „Was wir alle gelernt haben, ist, dass Führen nicht Kontrolle heißt, sondern dass man das Vertrauen gibt, dass die Leute ihren Job machen“, sagte kürzlich Siemens-Arbeitsdirektorin Judith Wiese auf einem Forum der FAZ. „Wir haben gute Leute eingestellt. Warum sollten wir nicht das Vertrauen haben, dass sie die richtigen Entscheidungen treffen, dass sie in einem Umfeld und zu einer Zeit arbeiten, die es ihnen erlaubt, am produktivsten zu sein?“
„Führungskräfte sollten vor allem darauf achten, was am Ende herauskommt“, so die Siemens-Vorständin. „In Anwesenheit führen, das kann nicht das Modell der Zukunft sein – und ganz ehrlich: Das ist es auch schon in den letzten zehn Jahren nicht mehr gewesen. Da findet ein Umbruch statt – schon länger, aber der wird durch die Pandemie beschleunigt.“
Mit ganzen Belegschaften im Homeoffice wird Führen allerdings nicht einfacher. „Ein Team zusammenzuhalten, auf einzelne Mitarbeiter einzugehen, zu wissen, was sie bewegt, was sie beschäftigt, wo sie Probleme haben, wie man sie fördert, all diese Dinge machen schon immer gutes Leadership aus“, meint Susanne Steffes, Arbeitsmarktexpertin am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und Juniorprofessorin an der Uni Köln.
Zur Führung gehört auch die Leistungsbeurteilung. „Objektive Leistungsmessung anhand von Ergebnisorientierung ist nicht überall einfach“, sagt Susanne Steffes. „In manchen Jobs müssen Ziele vereinbart werden, damit überhaupt klar ist, was geleistet werden sollte und woran dann am Ende gemessen wird. Das bedeutet für viele Unternehmen: Wenn es ein hohes Maß an Homeoffice gibt und nicht mehr über die Anwesenheit kontrolliert wird, dann müssen andere Wege gefunden werden. Da ist man mit Sicherheit noch am Anfang.“


2. Hat Corona der Digitali-
sierung zum Durchbruch
verholfen?


Damit Homeoffice überhaupt funktionieren kann, müssen sich alle Beteiligten auf neue Methoden und Techniken einlassen. Und dies scheint zu funktionieren. So gaben in unserer Umfrage immerhin 76 Prozent der Befragten an, aufgeschlossener gegenüber neuen Methoden zu sein als vor Corona. Das Homeoffice wird aber auch ganz konkret unterstützt: 82 Prozent der Befragten gaben an, ihren Mitarbeitern Hard- und Software fürs Homeoffice bereitzustellen; 77 Prozent haben Remote-Zugriffe eingerichtet. Immerhin jedes fünfte Unternehmen zahlt seinen Mitarbeitern Zuschüsse für einen schnellen Internetzugang oder ergonomische Büromöbel fürs Homeoffice. Zwei von drei Unternehmen haben zudem Tools für Online-Konferenzen bereitgestellt.
Spezielle Online-Kollaboration-Tools, etwa zur gemeinsamen Arbeit in Dokumenten oder zum besseren Austausch via Chat anstelle von E-Mails, wurden nur von jedem vierten Unternehmen angeschafft. Ein ähnliches Bild zeigt auch eine Studie der Initiative D21. Das ist leider viel zu wenig. Denn diese Tools werden benötigt, damit „agile Teams“ – ein weiteres New-Work-Element – sich voll entfalten können.
Wie das Institut für Mittelstandsforschung Bonn herausfand, konzentriert sich der deutsche Mittelstand auf die digitale Optimierung von Prozessen. Die Erschließung neuer Märkte oder die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle – eine typisch amerikanische Herangehensweise – steht bei uns jedoch hinten an.


3. Ist New Work inzwischen auch bei uns angekommen?


Diese Frage ist schwer zu beantworten. Sicherlich sind eine ganz wesentliche Ursache hierfür die Begrifflichkeiten des New-Work-Ansatzes. So gaben zwar drei von vier Unternehmen an, Homeoffice zu ermöglichen; jedoch gaben nur zwei von dreien an, Remote Work zu unterstützen, was technisch fast das Gleiche ist wie Homeoffice: die Arbeit von Standorten außerhalb des eigentlichen Büros.
Fast jedes zweite Unternehmen gibt an, auf selbstorganisierende Teams zu setzen. Auf nur rund zehn Prozent der Angaben kommen die diversen Methoden des New Work, wie etwa agiles Projektmanagement, Scrum, Design Thinking, Jobsharing, New Leadership, Crowdworking oder OKR. Denn hierbei handelt es sich tatsächlich um Konzepte, die sich nicht aus dem Begriff selbst heraus erklären, sondern erlernt werden müssen. Wer sich also nicht bereits intensiver mit den Methoden auseinandergesetzt hat, wird mit den Begriffen nichts anfangen können. So gab immerhin fast jeder dritte Teilnehmer an, mit den genannten Begriffen nichts anfangen zu können.
Die Frage ist nun, welche Schlüsse wir daraus ziehen. Leben wir alle hinterm Mond, dass wir die Konzepte nicht kennen? Vielleicht. Viel wahrscheinlicher wird es aber so sein, dass die meisten Mittelständler recht ähnliche Methoden entwickeln werden wie die Vorreiter des New Work aus dem Silicon Valley, diese aber schlicht anders nennen werden. Wobei auch Frankreich mit Minitel und Deutschland mit BTX ähnliche Konzepte wie das Internet entwickelt hatten …Claas Syrt Möller
| redaktion@regiomanager.de

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