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Kassensysteme: Kasse machen – aber richtig

Bis 1.1.2020 muss ein Großteil der 1,8 Millionen Kassensysteme in Deutschland ausgetauscht werden, um Manipulationen zu verhindern.

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von Regiomanager 15.10.2019
(Foto: ©Robert Kneschke – stock.adobe.com)

Noch bis vor zehn, 15 Jahren funktionierte ein Großteil der in Deutschland eingesetzten Kassen rein mechanisch. Heute sind sie hochspezialisierte Datenerfassungsgeräte, die mit den unterschiedlichsten Programmen kommunizieren und einen wichtigen Beitrag in Sachen Steuerermittlung oder auch Warenwirtschaft leisten. Kassen in Supermärkten beispielsweise sind an eine Zentrale angeschlossen. Wird ein Artikel verkauft, wird er automatisch aus dem Bestand minimiert; bei Unterschreiten eines bestimmten Mindestbestands kann automatisch nachbestellt werden. „Generell sind die Analysemöglichkeiten sehr viel vielseitiger geworden. Das Kaufverhalten der Kunden kann auch dank der Kassensysteme viel besser ausgewertet und diese Informationen wieder für eigene Zwecke genutzt werden“, erklärt Roland F. Ketel. Er ist Vorstand des Deutschen Fachverbandes für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik im Bargeld- und bargeldlosen Zahlungsverkehr e. V. Der DFKA e. V. ist der einzige Interessenverband für Anbieter und Hersteller von Kassen- und Abrechnungssystemen in Deutschland und vertritt derzeit rund 150 Mitgliedsunternehmen.

Bis zu 10.000 Beschäftigte

Zur Fachbranche gehören zum einen Hersteller von Registrierkassen und Abrechnungssystemen, von denen mittlerweile allerdings viele in Asien produzieren lassen, zum anderen die Unternehmen, die für die passende Software sorgen. Heute ist diese eher standardisiert, kann also auf verschiedene Produkte unterschiedlicher Hersteller angewandt werden. „Das ist eine eher jüngere Entwicklung“, so Ketel. Lange Zeit habe man eine Art Herrschaftswissen zelebriert und Software nur und ausschließlich für einen Hersteller entwickelt. Zu den bekannten Unternehmen gehören unter anderem die japanischen Elektronikkonzerne CASIO, SHARP, Toshiba und Panasonic, aber auch viele Hersteller aus anderen asiatischen Staaten (z. B. Südkorea und Taiwan), die sich weitgehend am US-amerikanischen Markt orientieren.
Die Vectron Systems AG aus Münster ist einer der wenigen deutschen Produzenten von Kassensystemen und -software für Gastrosysteme und zur Vernetzung von Filial- und Franchisebetrieben. Auch die Quorion Data Systems GmbH mit Sitz in Erfurt entwickelt, produziert und vertreibt Kassen für den Weltmarkt und exportiert zurzeit in fast 70 Länder. Roland F. Ketel macht deutlich, dass jede Auflistung unvollständig bleiben muss, da die Entwicklung von Registrierkassen und Kassensystemen höchst innovativ und zukunftsträchtig ist. Deshalb gehören Softwarehäuser mit Ausrichtung auf Kassen- und Abrechnungssoftware und natürlich der Fachhandel zur Branche; letzterer stellt Kassen und Kassensysteme passend zur Anwendung zusammen (z. B. für Tankstellen, Apotheken, Gastronomiebetriebe, Supermärkte, Discounter usw.) und gewährleistet den fachlich qualifizierten Service. Roland F. Ketel schätzt, dass deutschlandweit bis zu 10.000 Menschen in der Branche beschäftigt sind.

Maßnahmen gegen den Steuerbetrug

Diese Summe muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Circa zehn Milliarden Euro sollen dem deutschen Fiskus jährlich an Steuern durch die Lappen gegangen sein, weil es manipulierte Kassen in bargeldintensiven Branchen möglich machten. DFKA-Vorstand Ketel war in diesen Tagen ein gefragter Gesprächspartner und stand rund um die sogenannte Kassensicherungsverordnung Rede und Antwort. Dabei handelt es sich um eine Verordnung des Finanzministeriums, die neue Standards zur Verhinderung von Manipulationen an Registrierkassen verbindlich vorschreibt. Ihr ging 2016 das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen voraus. Am 12. August hat nun das Bundeszentralamt für Steuern die letzten erforderlichen Dokumente zur praktischen Umsetzung der Verordnung veröffentlicht. Dabei geht es um die Beschreibung einer Schnittstelle für den Datenexport aus elektronischen Aufzeichnungssystemen (Registrierkassen) im Rahmen von Außenprüfungen sowie Kassen-Nachschauen. Nun können Anbieter von Kassensystemen endlich mit der technischen Umsetzung der neuen Anforderungen beginnen, denn ab dem 1.1.2020 müssen in Deutschland Registrierkassen, deren Bauart es technisch zulässt, mit einer sogenannten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) ausgestattet sein. Die Sicherheitseinrichtung verschlüsselt und speichert die Transaktionen der Kasse auf ihrem internen Speichermedium und liefert einen Code zurück an die Kasse. Dieser Code ist auf jeden Verkaufsbeleg zu drucken. Die Daten werden in einem unveränderbaren Protokoll gespeichert, das für das Finanzamt exportierbar sein muss.

Gegen Wettbewerbsverzerrung – für Rechtssicherheit

Nachdem der DFKA e. V. das ursprüngliche Konzept zur Manipulationssicherung deutlich kritisierte, weil es nicht präzise genug formuliert war, sind die nun spezifizierten technischen Lösungen aus Sicht des Verbandes deutlich praxistauglicher und sinnvoller umzusetzen. „Entwicklung und Erprobung dieser Vorgaben wurden durch den DFKA e. V. in einem Feldversuch mit mehreren Anbietern von Kassensystemen unterstützt: Zwei TSE-Anbieter befinden sich im Zertifizierungsverfahren des BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) und haben eine Verfügbarkeit für das vierte Quartal 2019 angekündigt“, heißt es in einer Pressemitteilung des Verbandes – also gerade noch rechtzeitig, um der neuen Gesetzeslage entsprechen zu können. Circa 1,8 Millionen Kassenarbeitsplätze gibt es in Deutschland. „Ein großer Teil der Kassen muss erneuert werden, weil die meisten keine Schnittstelle oder auch kein geeignetes Speichermedium besitzen. Die alten Kassen sind einfach nicht auf die heutigen Anforderungen ausgerichtet“, erklärt Roland F. Ketel. Nachrüstfähig seien gerade einmal rund 400.000 der zurzeit eingesetzten Kassen. Bußgelder von bis zu 25.000 Euro drohen für den Fall der Nichtbeachtung der Kassenumrüstung. Roland F. Ketel versteht den Frust vor allem der kleinen Betriebe, die nun wieder investieren müssen. „Klar ist aber auch, dass es ganz dringenden Handlungsbedarf gab. Uns als Verband ging es um zwei Dinge: Erstens sollte die Wettbewerbsverzerrung ein Ende haben. Ehrlichkeit sollte wieder großgeschrieben werden. Es darf nicht sein, dass diejenigen noch belohnt werden, die am besten betrügen bzw. Betrug möglich machen. Zweitens wollten wir wieder Rechtssicherheit herstellen. Denn zuletzt haben die Finanzbehörden Bilanzen und Steuererklärungen der entsprechenden Unternehmen immer öfter nicht akzeptiert und manchen ehrlichen Unternehmer an den Rand des Wahnsinns getrieben.“ Christina Spill | redaktion@regiomanager.de

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