Die
Verpackungsindustrie hat einen schweren Stand, denn oft wird sie nicht
ausreichend wertgeschätzt. „Wir werden immer von der Mülltonne aus
betrachtet“, so Thomas Reiner, Vorstandsvorsitzender des Deutschen
Verpackungsinstituts (DVI). Dabei muss sich die Branche nicht
verstecken: Der Gemeinschaftsausschuss Deutscher Verpackungshersteller
(GADV) verzeichnete bei den Unternehmen einen Umsatz von 32 Milliarden
Euro und eine Produktionsmenge von 19 Millionen Tonnen. Für 2016 schätzt
das DVI den deutschen Umsatz sogar auf 36,8 Milliarden Euro. Insgesamt
existieren in Deutschland rund 5.000 Verpackungsunternehmen,
weitestgehend aus dem Mittelstand, mit insgesamt etwa 450.000
Beschäftigten. Nicht zu vergessen ist neben der Materialwelt der
Maschinenbau. Bei der Verpackungstechnologie ist Deutschland
Weltmarktführer.
Dynamik ist entscheidend
Was
nach Reiner die Branche auszeichnet, ist eine hohe Dynamik. Denn mit
Veränderungen im Konsum ändert sich auch stetig der Bedarf an
Verpackungen. Stichwort Digitalisierung: Mit steigendem Online-Versand
müssen Verpackungen robuster werden. Sollen Waren eines Tages
tatsächlich mit Drohnen transportiert werden, muss auch der Schutzkarton
ganz anders funktionieren. Ebenso steht es mit Veränderungen in der
Gesellschaft: „Wir essen unterwegs, die Familien werden kleiner“, weiß
der Vorstandsvorsitzende. Eine 100-Gramm-Wurstpackung sei damit nicht
mehr aktuell, dafür sei der Haushalt nicht groß genug. Also bräuchte es
eigentlich kleinere Portionen. Die Verpackungen sind also einem stetigen
Wandel unterzogen. Gerade geht der Trend beispielsweise zu Hüllen mit
organischem Anklang, die gesund und nachhaltig wirken. Grüne und erdige
Töne herrschen vor, statt Hochglanz wirken matte Flächen, es werden
Naturmaterialien verwendet. Zeitgleich haben Behälter einen persönlichen
Touch. „A name and a face“, nennt Reiner diesen Trend. „Die
Verpackungen vermitteln das Gefühl: ,Das hat der Ulli für mich
gemacht.’“ Gewünscht sind Verpackungen, die nicht so perfekt aussehen,
die einen handwerklichen Look haben, also perfekt in ihrer Unperfektheit
sind. Klassisch eingesetzt, werden solche perfekt-unperfekten Behälter
beispielsweise im Bereich Craftbeer. Die gegebenen Beispiele zeigen es
an: Verpackungen sind mittlerweile mehr als nur ein einfacher Schutz,
sie sind Kommunikationsmedium. Das Thema Verpackungen wandere immer
öfter in die Marketingabteilung, erzählt Thomas Reiner. Denn klassische
Werbekanäle werden immer ineffizienter, die Umhüllung der Ware ist der
neue Hoffnungsträger. Sie lässt sich anfassen und vermittelt so ganz
direkt ein Gefühl, sie wird zum „multisensorischen Erlebnisthema“. Ob
eine Colaflasche aus Glas oder Plastik ist, macht eben einen
Unterschied. Und wie geschickt das für Marketingzwecke genutzt werden
kann, zeigt z.B. die neue Flasche „Ignite“ von Heineken: Das Glasgefäß
blinkt zum Rhythmus der Musik und reagiert mit Lichtsignalen, wenn seine
Besitzer anstoßen und trinken.
Branche zeigt sich umweltbewusst
Ein
Problem haftet der Verpackungsindustrie nach wie vor an: das der
Umweltbelastung. Nirgendwo fällt diese stärker auf als bei den
Verpackungen im Mülleimer. Lösungsansätze gibt es viele, eine Welt ohne
Verpackungen sei zwar möglich, allerdings ein Bruch mit der heutigen
Gesellschaft, meint Thomas Reiner. „Wir können nicht leben wie heute und
gleichzeitig hoffen, dass wir keine Verpackungen brauchen.“ Eine Welt
ohne Verpackung sei wie eine ohne Straßen und Autos – machbar aber mit
dem heutigen Leben nicht vereinbar. Man müsse auf dem Land leben, wieder
selbst anbauen und für den Winter horten. Auch Dr. Carl Dominik
Klepper, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Verpackung + Umwelt
(AGVU), hält einen Trend hin zu einer Welt ohne Verpackungen für
unwahrscheinlich: „Schließlich werden die Haushalte immer kleiner und
nehmen in der Anzahl zu.“
Die Lösung liegt nach Meinung der beiden
Experten vielmehr im Recycling. Die Firma Frosch setzt beispielsweise
auf Verpackungen, die zu 100 Prozent aus recyceltem Material bestehen,
und zeigt damit, dass der Wechsel möglich ist. Teurer sei der Weg, seine
Verpackungen aus recycelten Materialien herzustellen – nach Klepper
nicht zwingend, nur aufwendiger, da die Sekundärrohstoffe noch nicht in
ausreichenden Mengen verfügbar seien. Auch recycelbare Produkte können
eine Lösung sein. Deutschland sei dabei auf einem guten Weg, ist sich
Dr. Klepper sicher: „Bei der Kreislaufwirtschaft ist Deutschland
Pionier.“ Die Kreisläufe weiter zu schließen sei ein guter Ansatz. Zum
Teil müsse bei dem Thema jedoch abgewogen werden, weiß Reiner: Derzeit
sei eine Folie, die beispielsweise einen Käse umhüllt, halb so dick wie
ein Haar, besitze allerdings zwölf bis 13 Lagen. Je komplizierter also
die Folie ist, desto schwieriger ist deren Wiederaufbereitung. „Wir
müssen überlegen: Machen wir die Folie vielleicht doppelt so dick, geben
ihr dadurch aber ein zweites Leben?“, so Reiner. Auf solche Konflikte
müssten Antworten gefunden werden, doch die Branche sei auf einem guten
Weg. So sei es heute schon möglich, transparente Verpackungen aus Müll
zu kreieren.
Gesetz bringt Recycling nach vorne
Einen
Sprung dürfte das Thema Umwelt mit dem Verpackungsgesetz machen, das im
nächsten Jahr verabschiedet werden und 2018 in Kraft treten soll,
vermutet Dr. Carl Dominik Klepper. Mit diesem Gesetz würde die
Recyclingfähigkeit ernster genommen, die Recyclingquoten würden steigen.
Indirekt treffe das auch die Verpackungsindustrie. Weniger ins Gewicht
fiele das Kreislaufwirtschaftspaket der EU. „Die deutsche Gesetzgebung
ist da einen Schritt voraus“, so Dr. Klepper. Sein Rat an Unternehmer:
Sich frühzeitig über die neue Gesetzgebung zu informieren und sich
vorzubereiten. Schließlich tut sich in dem Bereich viel. Soll eine neue
Verpackung gefunden werden – ob nun wegen neuer Gesetze oder aus
Marketinggründen –, so rät Thomas Reiner dazu, alle Beteiligten an einen
Tisch zu bringen. Wichtig seien sowohl Menschen aus der Logistik, der
Entwicklung und Fertigung wie auch aus Marketing und Vertrieb.
„Verpackung ist immer ein Kompromiss.“ Allen voran sollte die Frage
stehen, was der Konsument will. Erfahrungsgemäß kommt die Verpackung
immer einen Tick zu spät auf den Tisch, im schlimmsten Fall entsteht so
ein neues Produkt in alter Verpackung, also kommt sprichwörtlich neuer
Wein in alte Schläuche. „Überlegungen zur Verpackung sollten am Anfang,
ja vielleicht noch vor dem Anfang stehen“, sagt Reiner. Schließlich sei
die Verpackung die Brücke zwischen dem Konsumenten und dem Produkt.
Nathanael Ullmann | redaktion@regiomanager.de
Teilen: