Der „RB293“ ist so schwer wie 25 Passagierflugzeuge und mit 96 Meter so hoch wie ein kleiner Wolkenkratzer. Die größte Maschine der Welt hat 6.745 PS und schaufelt für RWE Braunkohle: Bis zu 100 Tonnen schleppt sein riesiger Löffel. Nahezu bescheiden gibt sich in seinen Ausmaßen dagegen der größte Hydraulik-Hammer der Welt. Ganze 24 Meter hoch und rund 425 Tonnen schwer rammt er Löcher für Bauwerke, die auf offener See vor den Küsten Europas und Asiens entstehen – Windkrafträder, Ölplattformen oder Brücken. Mikro-Pumpen und Mikro-Motoren haben bewiesen, dass sie mit minimalem Leistungsbedarf Kräfte von mehreren Tonnen erzeugen können und bei außergewöhnlichen Umweltbedingungen und Temperaturen funktionieren. Die beiden in Deutschland gebauten Riesen und die filigranen Leichtgewichte haben eines gemein: Sie strotzen vor Kraft und die wird ihnen von hydraulischen (und pneumatischen) Betriebssystemen eingehaucht.
Kraft und Leistung
„Fluidtechnik“ heißt die Technik aus Hydraulik und Pneumatik. Sie überträgt Kraft und Leistung zum Antreiben, Steuern und Bewegen. Im Unterschied zur elektrischen Antriebstechnik nutzt sie die physikalische Eigenschaft eines Fluids wie Wasser, Öl oder Luft, um Kraft für diese Übertragung zu gewinnen. Kaum ein Produkt kommt ohne den Einsatz der Fluidtechnik zustande, kaum eine Maschine bewegt sich ohne sie – allerdings ist uns das meistens nicht bewusst. „So wie der Mensch die Geschmeidigkeit seiner Bewegungen, Eleganz und Kraft durch Muskeln, Nerven, Gehirn, Knochen und Blut erhält, so sind es Hydraulik und Pneumatik mit ihren Steuerungs- und Regelungstechnologien, mit ihren mechatronischen Systemen, die Maschinen, Anlagen, Arbeits- und Verkehrsmitteln Schnelligkeit, Kraft, Präzision und Dynamik verleihen“, beschreibt der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) nahezu poetisch das Aufgabenspektrum seines Fachverbandes „Fluidtechnik“. Der vertritt die speziellen Interessen der deutschen Hersteller hydraulischer und pneumatischer Antriebs- und Steuerungstechnik sowie der Hersteller von Dichtungstechnik.
Zulieferer der produzierenden Industrie
Teile der zum Maschinenbau zählenden Branche finden sich in der gesamten produzierenden Industrie. Zu den Abnehmerbranchen zählen die Automobilindustrie, die Bau- und Landmaschinenindustrie, die Fördertechnik, die Hersteller von Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen, von Holzbearbeitungs- und Werkzeugmaschinen sowie von Druckmaschinen. Ebenfalls auf den Kundenlisten der Spezialisten, die oftmals parallel im Bereich Hydraulik sowie in der Pneumatik unterwegs sind und folglich eher gemeinsam betrachtet werden können, steht auch die Elektrotechnik, der Schiffsbau, die Hütten- und Walzwerksindustrie sowie die Luft- und Raumfahrt; Medizintechnik, Umwelttechnik, Gummi- und Kunststoffindustrie wie auch die Chemie-, Elektronik- und Halbleiter-Industrie nutzen diese Technik. In Windkraftanlagen dreht Hydraulik die Rotorblätter in die optimale Windstellung, in konventionellen Kraftwerken unterstützt sie bei der Rauchgasentschwefelung, sie ist bei der Müllentsorgung und im Recycling, in der Wasseraufbereitung, in der Abwasserreinigung oder in der Land- und Forstwirtschaft zu finden.
5,4 Milliarden Euro Jahresumsatz
Dabei ist die Fluidtechnik mit einem Umsatz von 8,2 Milliarden Euro (2018) eine der wichtigsten Zulieferbranchen für den gesamten Maschinen- und Anlagenbau. Auf die Hydraulik entfallen 5,4 Milliarden Euro, die Pneumatik kommt auf einen Umsatz von 2,8 Milliarden Euro. Im Vergleich hat der Umsatz der Fluidtechnik im vergangenen Jahr insgesamt um sieben Prozent zugelegt. Die deutsche Spitzentechnologie fertigt innovative Produkte, die wiederum entscheidend zur globalen Wettbewerbsfähigkeit ihrer Kunden beiträgt: In der Branche ist Deutschland weltweit wichtigster Lieferant und liegt deutlich vor den USA und China – ein Beleg für die Innovationskraft der Branche. Die Exportquote liegt im Schnitt bei 57 Prozent, wobei die Fluidtechnik seit Jahren ihre Exportquote steigert und damit immer wieder beweist, dass sie Spitzentechnologie entwickeln kann. Mit mehr als 30.000 Beschäftigten ist die Fluidtechnik auch ein wichtiges Branchensegment innerhalb des deutschen Maschinenbaus.
Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit
Die Fluidtechnik ist eine Zulieferindustrie. Ihre technisch fortschrittlichen Produkte, von einfachen Elementen über Komponenten, modularen Subsysteme, bis hin zu komplexen Aggregaten und Anlagen werden wiederum in Maschinen, Produktionsstraßen und Anlagen eines breiten Branchenspektrums eingebaut. Die Fluidbranche leistet daher einen erheblichen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit ihrer Abnehmerbranchen. Die Produkte der Fluidtechnik sind in ihrem Einsatz meistens unsichtbar, und vielleicht liegt darin ein Grund, warum dieser Fachzweig in seiner wirtschaftlichen Bedeutung oft verkannt oder unterschätzt wird. Ein Blick in die verschiedenen Bereiche kann helfen: Hydraulik findet sich in der Lenkung jedes Autos, auch das Bremsen der Kraftfahrzeuge wird hydraulisch erleichtert. Die Landeklappen der Flugzeuge, das Fahrwerk sowie die Höhen- und Seitenruder arbeiten mit Hydraulik. Überall dort, wo schwere Lasten gehoben oder gesenkt werden, kommt Hydraulik zum Einsatz. Hebebühnen und Aufzüge arbeiten hydraulisch und in jedem Gabelstapler, Radlader oder Bagger sind hydraulisch arbeitende Komponenten verarbeitet. Anwendungen finden sich auch im Nahrungsmittel- und Verpackungsbereich, aber auch im Schiffbau und bei Werkzeugmaschinen.
Deutsche Spitzentechnologie
„Weltweit setzen Kunden auf die deutsche Spitzentechnologie, die sich durch Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und damit einhergehend einer hohen Rentabilität auszeichnet“, ist der VDMA-Fachverband überzeugt. Die Technik sei anwendungsorientiert ausgerichtet, sie werte die bestehenden Kundenprodukte durch moderne Steuerungen und hohe Leistungsdichte auf und bestimme maßgeblich die Performance des Kundenprodukts. „Die Fluidtechnik bietet energieeffiziente Lösungen und ermöglicht damit letztendlich niedrige Total Cost of Ownership. Die Kunden weltweit wissen das und setzen auf Technologie „made in Germany“, heißt denn auch das Fazit des Verbandes.
INFO
Hydraulik für das Publikum
Alte Ägypter und Michelangelo als Vorreiter
Schon die alten Ägypter entwickelten vor 4.500 Jahren hydraulische Systeme, um der ständigen Überschwemmungen am Nil Herr zu werden. Michelangelo hinterließ die tollsten Ideen mit hydraulischen Elementen. 1795 wurde eine mit Druckwasser betriebene hydromechanische Maschine entwickelt, 1905 startete die Ölhydraulik.
Wasserdruckgetriebene Bühnenaufbauten faszinieren seit 200 Jahren Publikum und Regisseure. So ging 1913 das „Neue Königliche Schauspielhaus“ in Dresden an den Start. Das Theater erhielt einen für diese Zeit spektakulären Bühnenboden mit einem hydraulischen Hebesystem. Dieses System läuft auch heute noch tadellos: Wie ein überdimensionierter Fahrstuhl überwindet die Plattform einen Höhenunterschied von elf Metern, also gut drei Stockwerken: In nur 20 Sekunden bietet sich dem Publikum eine neue Kulisse.
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