Nur wenige Themen bewegen die Medien so stark wie der erstmalige Austritt eines Mitgliedslandes aus der Europäischen Union. Am 30. März 2019 wird es geschehen, vermutlich mit weniger Massenbegeisterung als bei einer königlichen Hochzeit. Dafür aber mit erheblich mehr Konsequenzen für Wirtschaft, Industrie und letztlich jeden Briten und Europäer.
Es ist eine Minute vor zwölf!
Das Referendum zum Austritt aus der EU war am 23. Juni 2016. 51,89 Prozent der abgegebenen Stimmen votierten für den Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU. Am 29. März 2017 unterrichtete das Vereinigte Königreich (UKI) die EU offiziell über den geplanten Austritt. Zwei Jahre später ist viel passiert. In der Sache gibt es jedoch kaum zielführende Entscheidungen. Im Oktober 2018 findet ein EU-Gipfel statt, auf dem der Ausstiegsvertrag unterzeichnet werden soll. Ziel ist, eine Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2020 zur Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen zu vereinbaren.
Doch die britische Regierung ist gefangen in Debatten und „Grabenkämpfen“ zwischen Brexit-Befürwortern und -Gegnern. Ende Juli 2018 gibt es kaum greifbare Ergebnisse und ein harter Brexit wird immer wahrscheinlicher. Der Effekt wäre wie am Tag nach dem Referendum – wie konnte das passieren? Der Unterschied: kilometerlange Staus an den EU-Ausgangsgrenzstellen nach Großbritannien sowie vor dem Hafen von Dover und an allen Flughäfen. Insbesondere die Flugsituation könnte sich zuspitzen, da Großbritannien bei einem harten Brexit auch aus allen luftfahrtrechtlichen Vereinbarungen ausscheidet, Start- und Lande- sowie Überflugrechte könnten zunächst verloren gehen.
Als Konsequenz werden in den Niederlanden 1.000 neue Zollbeamte und rund 100 Veterinäre gesucht – es wird vor Lkw-Staus insbesondere auch für Tier- und Lebensmitteltransporte gewarnt. Frankreich will rund 700 neue Stellen besetzen und rechnet für Calais mit extremen Verkehrssituationen und Dauerstaus. Belgien will neben mehr Personal auch zusätzlich Spürhunde und neue Technologien wie Drohnen einsetzen und Irland errechnete einen Bedarf von 1.000 zusätzlichen Zollbeamten. Die immer geforderte „unsichtbare Grenze“ scheint unrealisierbar geworden zu sein und viele Einwohner fürchten ein Wiederaufleben der Konflikte an der irisch-britischen Grenze.
Was wird sich ändern?
Finden die Betroffenen nicht sehr schnell eine gemeinsame Übergangslösung, wird das Vereinigte Königreich am 30. März 2019 unweigerlich zum Drittland auf Basis der WCO-Abkommen und damit finden maximale Kontrollen Anwendung. Denn sicher scheint nach vielen Gesprächen mit Briten, dass es keinen Exit vom Brexit geben wird.
In der Praxis wird es damit in Gibraltar, Nordirland und Großbritannien zu neuen (alten) Grenzen kommen. Jede Grenze erfordert unausweichlich Formalitäten und dazu zählen in jedem Fall Personen- und Warenkontrollen sowie die Abgabe von Ein- und Ausfuhranmeldungen im gewerblichen Warenverkehr. Ob es darüber hinaus ein Freihandelsabkommen, eine Zollunion, eine Angleichung/Übernahme von Exportkontrollmaßnahmen et cetera geben wird, kann selbstverständlich verhandelt und letztlich vereinbart werden. Und auch wenn bisher der erfolgreiche Abschluss eines Freihandelsabkommens selten schneller als mit einer Verhandlungsdauer von vier Jahren erfolgen konnte – warum im Fall des Vereinigten Königreiches nicht in sechs bis zwölf Monaten? Wenn sich alle einig sind, ist das nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Die Erfahrung mit bisherigen Abkommen hat uns natürlich anderes gelehrt.
Es darf also davon ausgegangen werden, dass es bis „zum Schluss“ einige Unbekannte geben wird und Unternehmen in einigen Themen gegebenenfalls sehr schnell reagieren müssen.
INFO
Marcus Hellmann ist Director TCC (Trade Customs Consulting) Germany bei der KGH Customs Services GmbH und beantwortet Fragen gerne unter tcc.de@kghcustoms.com.
KGH Customs Services
Kurze Straße 19-21
59494 Soest
02921 70437-21
Ein Porträt des Unternehmens und weitere Informationen zu KGH Customs Services finden Sie HIER
Teilen: