Die Definition des Begriffs Schmierstoffe (Lubricants) liest sich überaus trocken. Schmierstoffe haben demnach die Aufgabe, bei gleitendem oder rollendem Kontakt zweier sich aufeinander zubewegender Punkte, Linien oder Flächen Reibung und Verschleiß zu vermindern. Man unterscheidet flüssige, plastisch-feste, feste und gasförmige Schmierstoffe (Schmiermittel). In der täglichen Praxis ist das Thema Schierstoffe aber alles andere als trocken. So werden Schmierstoffe in vielerlei technischen Bereichen eingesetzt, um die Reibung und den Verschleiß zwischen Werkstoffen zu verhindern, die Kraftübertragung zu erleichtern, Kühlung zu ermöglichen oder Schwingungen zu dämpfen. In bestimmten Fällen sind sie auch für die Abdichtung oder den Korrosionsschutz zuständig. Dabei bestehen alle Schmierstoffe aus einer Basisflüssigkeit (meistens Grundöl) und weiteren Inhaltsstoffen, sogenannten Additiven, die die Schmiereigenschaften bestimmen (schmieren, kühlen, dichten, reinigen, schützen). So vielfach wie die möglichen Einsatzgebiete sind auch die Einflüsse, denen sie standhalten müssen, und zwar mit großer Langlebigkeit: Druck, Spannungen, Wärme oder chemische Wechselwirkungen mit anderen Stoffen. Besonders hoch sind die Anforderungen beim Einsatz von Schmierstoffen bei der industriellen Verarbeitung von Lebensmitteln. Hier sind nur physiologisch verträgliche Schmierstoffe erlaubt, z.B. natürliche Fette und Öle, die internationale Zulassungen haben müssen. Die Schmierstoff-Branche ist ein Teilsegment der Mineralölwirtschaft, allerdings ein sehr stark auf technische Anwendungen spezialisiertes Segment. Jedermann bekannt dürfte z.B. das Motoröl im eigenen Auto sein. Wenn man es nicht regelmäßig kontrolliert und gelegentlich sogar mal einen Liter nachfüllt, fressen sich irgendwann die Kolben und Wellen im Motor fest. Nur mit genügend richtigem Öl als Schmierstoff funktioniert das technische Meisterwerk unter der Haube „reibungslos“.
Fachkräfte und Nachwuchs
Ebenso anspruchsvoll wie die Ansprüche an die Leistungsfähigkeit der Schmierstoffe sind auch die Erwartungen der Branche an das Know-how der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – sowohl in technischer als auch in administrativer Hinsicht. Sehr zum Leidwesen der maßgeblichen Branchenverbände VSI und UNITI ist aber auch der Mangel an qualifizierten Fach- und Nachwuchskräften groß. Mit speziellen Fortbildungen wie z.B. dem Lehrgang „Zertifizierte Fachkraft für Schmierstofftechnologie“ (ZFS) wirken die Verbände dem schleichenden Schwund an qualifiziertem Fachpersonal aber seit 2013 erfolgreich entgegen. Im Verband Schmierstoff-Industrie e.V. (VSI) sind alle bedeutenden Hersteller von Auto- und Industrieschmierstoffen in Deutschland zusammengeschlossen. Mit 78 Mitgliedsfirmen repräsentiert der VSI über 90 Prozent der deutschen Schmierstoffindustrie. Dazu gehören die großen, multinationalen Ölkonzerne ebenso wie kleine und mittelständische Firmen mit individuellem Spezial-Know-how und der Möglichkeit, regionale Produktionsfirmen wie Automobilzulieferer oder Metallverarbeiter sowie die Pharma-, Lebensmittel-, Holz- oder Kunststoffindustrie schnell und gezielt mit allen Spezial- und Premium-Produkten zu beliefern. Neben der Sorge um die Ausbildung des Branchennachwuchses nimmt der VSI die Mitgliederinteressen besonders im ideellen, wirtschaftlichen und technischen Bereich wahr. Er ist in der Abstimmung mit Behörden, anderen Wirtschaftsverbänden sowie Körperschaften des öffentlichen Rechts aktiv. Informationen über aktuelle und geplante gesetzliche Maßnahmen und Regelwerke gehören zum Aufgabenbereich der Branchenvertreter mit Sitz in Hamburg. Die Technischen Sachverständigen Ausschüsse (TSA) und Arbeitskreise des VSI bieten eine Plattform zum Austausch technischer Informationen sowie zur Formulierung gemeinsamer Standpunkte, welche dann an Behörden und andere Verbände weitergegeben werden können. Beim UNITI Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen e.V., der seinen Sitz in Berlin hat, ist die Interessen-Vertretung der Schmierstoff-Branche im UNITI-Schmierstoffausschuss in enger Kooperation mit dem UNITI-Additivausschuss organisiert. Import- und Handelsfragen bestimmen hier die Agenda wie auch die Lobbyarbeit im politischen Raum sowie die Zusammenarbeit mit Behörden und Verbänden. Im kommenden Jahr blickt der UNITI e.V. auf eine 90-jährige Geschichte zurück, die geprägt war von vielen Umorganisationen und sogar einer zwischenzeitlichen Auflösung zu Beginn des Zweiten Weltkrieges.
Innovative Substanzklasse
Die Branchenentwicklung zeichnet bei den Schmierstoffen ein Bild, das nur geringe Schwankungen dokumentiert. Im Windschatten der vordergründigen Benzin- und Heizölpreis-Diskussion sind die Schmiermittel in der Öffentlichkeit wenig beachtete Nischenprodukte. „Der Gesamtabsatz an Mineralölprodukten ist, wie schon in den Vorjahren, leicht rückläufig, er sinkt von rund 103 auf 102 Millionen Tonnen. Dazu zählen neben Benzin, Diesel und Heizöl auch Kerosin, Chemievorprodukte und Schmierstoffe“, bilanzierte der Mineralölwirtschaftsverband e.V. (MWV) das Jahr 2015 in Berlin. Zwischen 2,4 und 2,7 Millionen Tonnen lagen dabei in den vergangenen Jahren die Produktionsmengen der verschiedenen Schmierstoffsorten (siehe Tabelle). Das entspricht einem Jahresumsatz von rund 3,4 Milliarden Euro. Trotz der Vielfalt der Anwendungsbereiche gab es bei Schmierstoffen in den vergangenen beiden Jahrzehnten keine grundlegenden Innovationen. Doch mit der Entwicklung von völlig neuartigen Flüssigkristallen, die die Reibung und den Verschleiß besonders bei kleinen Antrieben stark vermindern, sorgt das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik (IWM) in Freiburg seit 2014 für Aufsehen. Diese Kristalle stellen eine völlig neue Substanzklasse dar und ermöglichen ein nahezu reibungsloses Gleiten. Ein weiterer Trend ist der langsam wachsende Anteil von Bioschmierstoffen am Gesamtmarkt. Lag der Bioanteil 2011 bei knapp über zwei Prozent, stieg er 2015 auf etwa drei Prozent an. Das entspricht einer Produktionsmenge von rund 30.000 Tonnen im Jahr. Aber die politischen Rahmenbedingungen fördern eine Ausweitung dieser Produktion auf der Grundlage des 2009 durch das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) veröffentlichten „Aktionsplans zur stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe“. „Immer mehr Hersteller haben für unterschiedliche Anwendungen Bioschmierstoffe im Sortiment. Die Zahl der Produkte steigt dabei ebenso wie die Einsatzbreite. Bisher erhöht sich der Anteil der Bio-Produkte indes nur langsam, denn herkömmliche lassen sich nicht so einfach durch Bioschmierstoffe ersetzen“, berichtete das Branchenmagazin „Brennstoffspiegel“ in seiner Januar-Ausgabe. Emrich Welsing I redaktion@regiomanager.de
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