Der Hype um die unbemannten Luftfahrtsysteme (umgangssprachlich Drohnen genannt) ist ungebrochen. Auch die wirtschaftliche Nutzung der Flugkörper wird stetig ausgebaut: „2016 war das Jahr der Consumer-Controller. 2017 und die weiteren Jahre gehören der Industriedrohne“, sagt Boris Bertram vom Drohnenservice Köln. So groß ist der Trend mittlerweile, dass im April dieses Jahres eine neue Luftverkehrsordnung in Kraft getreten ist, welche die wirtschaftliche Nutzung der Flugobjekte gesetzlich vollkommen neu regelt. Doch bis die Theorie in der Praxis angelangt ist, dauert es noch.
Von Fotografie bis Inspektion
Den Einsatzgebieten der unbemannten Luftfahrtsysteme sind kaum Grenzen gesetzt. Relativ offensichtlich ist noch die reine Luftfotografie bzw. die Filmaufnahme aus der Luft. Hier nahm der Trend seinen Anfang. Doch mittlerweile sind die Optionen stark gewachsen. „Das Einsatzgebiet ist im Grunde alles, wo man sonst nur mit hohem Aufwand ohne Drohne drankommt“, erzählt Pressefotograf Gero Helm, der selbst mit Drohnen arbeitet. Das heißt de facto: Vom Dachdecker bis zum Architekten profitiert jeder von der neuen Technik. Ersterer, wenn er ganz einfach die Drohne über das Dach fliegen lassen kann, statt selbst klettern zu müssen, Letzterer, wenn er die Vermessungsarbeiten von Drohnen machen lassen kann. War die Inspektion von Windrädern vor wenigen Jahren noch eine gefährliche Aufgabe für Menschen, können heute Drohnen nach Haarrissen in den Rotoren Ausschau halten. Ein großes Feld ist nicht zuletzt auch die Landwirtschaft, wie Achim Friedl, Vorstand beim Verband für unbemannte Luftfahrt UAV DACH, weiß: „Man kann aus der Luft sehen: Wie entwickelt sich das Wachstum? Wo sind Stellen, die unter Wassermangel leiden? Wo ist zu viel Feuchtigkeit?“ Eine Drohne könne präzise dort düngen, wo es nötig ist, statt einfach flächendeckend zu streuen. Ebenso sei es bei der Schädlingsbekämpfung. Bislang seien Drohnen in der Landwirtschaft noch Einzelanwendungen, doch spreche sich so etwas in der Fachwelt herum.
Diese neuen Entwicklungen bedingen jedoch auch eine breitere Aufstellung der Drohnenanbieter: „Es wird in wenigen Jahren einen Mittelstand geben, der nicht nur Piloten beschäftigt, sondern auch einen größeren Mitarbeiterstab, der Daten analysiert“, ist sich Bertram sicher. Große Unternehmen richteten bereits eigene Drohnenabteilungen ein. Je spezialisierter die Anforderungen werden, desto unterschiedlicher müssen die Drohnen auch ausgerüstet sein. Reicht für das Hochzeitsfoto eine hochauflösende Kamera, braucht es, um Wälder mit Drohnen nach Borkenkäfern zu durchsuchen, bereits Multispektral- und Infrarotkameras. Muss eine verschachtelte Hallendecke in großer Höhe inspiziert werden, ist zusätzlich noch ein starkes Licht und eventuell eine Drohne, die ohne Schaden in kleine Ecken fliegen kann, nötig. Über kurz oder lang wird es also eine Vielzahl spezialisierter Anwendungsgebiete geben.
Keine Zukunft für Paketdienste
Worin die Experten geschlossen wenig Zukunft sehen, ist der reguläre Versand durch Drohnen. „Dass Drohnen in Deutschland flächendeckend Pakete ausliefern, ist nicht vorstellbar“, so das harte Urteil von Boris Bertram. Da ginge es um Speziallösungen. Muss beispielsweise ein Paket zu einem entlegenen Ort auf einer Insel oder in den Alpen gebracht werden, könnte die Drohne im Einzelfall eine Lösung sein. Bei allem anderen ständen Nutzen und Risiko in keinster Weise in einer vernünftigen Relation. Schließlich seien Drohnen sensible Geräte. Wenn ein Teil ausfiele, falle das Gerät herunter, im schlimmsten Fall auf einen Spielplatz oder Ähnliches. Auch Friedl hält es für unwahrscheinlich, dass in naher Zukunft in Deutschland Pizzen per Drohne ausgeliefert werden. Sein Fazit zu den Paketdrohnen: „Im Moment sehe ich diesen Bedarf noch nicht, aber die Frage muss öffentlich diskutiert und beantwortet werden.“ Allenfalls sei so etwas aber für ländliche Gegenden oder in Megacitys, wo das Durchkommen mit dem Auto schwierig ist, eine Lösung.
Ein Schritt in eine neue Richtung ist die aktualisierte Luftverkehrsordnung. Neben vielen anderen Neuregelungen hebt sie die Trennung zwischen kommerzieller und nicht kommerzieller Nutzung auf, die bis April 2017 gegeben war. Für Unternehmen macht sie also vieles einfacher. Aber nicht alles: Wer beispielsweise über fremdes Grundstück fliegen will, braucht die explizite Erlaubnis des Eigentümers. Ein Dachdecker muss also prinzipiell einen großen Mehraufwand betreiben, um das Dach inspizieren zu können, braucht er doch (mindestens) eine Genehmigung. Friedl entschärft jedoch: Denn mit der neuen Gesetzeslage sei es möglich, eine allgemeine Betriebserlaubnis zu erhalten. Hier könnten auch spezielle Sondergenehmigungen etwa für das Fliegen außerhalb der Sichtweite oder über fremde Dächer für den Zweck einer Inspektion gegeben werden.
Was in der Theorie großartig klingt, steht in der Praxis allerdings vor einem großen Problem: „Die Luftfahrtbehörden wissen noch nicht, wie sie mit dem neuen Gesetz umgehen können“, so Friedl. Wie das Gesetz umgesetzt werden solle, sei immer noch nicht festgelegt, Bund und Länder diskutierten noch. Das Gesetz, seit April in Kraft getreten, kommt also nur partiell zur Anwendung und ist auch von Land zu Land unterschiedlich. So verteilt Bayern Betriebserlaubnisse weit großzügiger als andere Bundesländer. Bremen hat gar eine allgemeine Betriebserlaubnis ausgegeben. Hier darf also jeder Drohnenflieger sein Gerät aufsteigen lassen, wenn er sich an die Eckdaten hält. Es gibt also noch viel Klärungsbedarf. „Ich hoffe, dass das bis Herbst dieses Jahres noch passieren wird, aber das ist eine persönliche Hoffnung“, sagt Friedl.
Ein Markt ohne Statistik
Ähnlich sieht es mit dem U-Space-Programm („U“ für Urban) aus, das von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurde. Mit diesem Programm soll der massive Einsatz von Drohnen bis 150 Meter Höhe geregelt werden. Bei einem Provider können Anträge auf einen Drohnenflug gestellt werden, die dieser dann verwaltet. Im Jahr 2019 soll es zwar schon zur ersten technischen Erprobung kommen, aber bis das Konzept voll funktioniert, kann es bis 2035 dauern: „Das ist eine schöne Vorstellung, aber noch sind das alles ungelegte Eier“, so Friedl. Wie sehr die Arbeit mit Drohnen noch in den Kinderschuhen steckt, zeigt schließlich auch der Fakt, dass es noch keine verlässlichen Statistiken zum Einsatz von Drohnen in Deutschland gibt; weder die Anzahl der eingesetzten Drohnen ist bekannt noch die Anzahl der Unternehmen, die mit Drohnen arbeiten. „Die Deutsche Flugsicherung sprach mal von 400.000 Drohnen als Schätzung“, berichtet der Vorstand. Gesichert sind die Daten indes jedoch nicht. Technisch mögen die kleinen (und großen) Flieger also schon weiter fortgeschritten sein. Noch steht der Markt aber am Anfang seiner Entwicklung. Nathanael Ullmann | redaktion@regiomanager.de
INFO
Die neue Drohnenverordnung
- Ab 250 Gramm unterliegen die Luftfahrtgeräte der Kennzeichnungspflicht.
- Ab einem Gewicht von zwei Kilogramm braucht es zusätzlich einen Kenntnisnachweis, also eine Art „Drohnenführerschein“.
- Ab fünf Kilogramm ist der Betrieb der Drohnen einer Erlaubnispflicht unterworfen.
- Generell dürfen die Drohnen, bis auf Ausnahmen, nur bis zu einer Höhe von 100 Metern und in Sichtweite geflogen werden.
- Ebenfalls ist geregelt, wo die Drohne geflogen werden darf. Ausgenommen sind etwa die Kontrollzonen von Flugplätzen, Autobahnen und Menschenansammlungen.
- Ausnahmen regelt die Betriebserlaubnis.
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Kein Spielzeug
Professionelle Drohnen können einiges kosten. Ein Copter mit zoombarer 36-Megapixel-Kamera inklusive „Führerscheinprüfung“ und Service-Paket kann da mit rund 25.000 Euro zu Buche schlagen. Doch für weniger anspruchsvolle Aufgaben (wie z.B. eine einfache Dachinspektion) gibt es Drohnen im weit günstigeren Preissegment. Zum Teil sind die Drohnen dann auch im Elektrofachmarkt zu kaufen. Jedoch warnen die Experten davor, leichtfertig mit der Technik umzugehen. Denn es besteht immer das Risiko, dass mal eine technische Feinheit nicht so funktioniert, wie sie sollte. Hat man dann keine rudimentäre Ahnung von dem Flugobjekt, kann schnell großer Schaden entstehen. Es empfiehlt sich also, auch bei kleinen Drohnen mit Experten, etwa vom örtlichen Modellflugverein oder von den Verbänden, in Kontakt zu treten.
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