Management

Vertrieb: Der erste Eindruck zählt

Ob im Callcenter oder face-to-face: Wie lässt sich der persönliche Kontakt professionell gestalten?

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von Regiomanager 09.01.2023
(© bnenin − stock.adobe.com)

Benjamin Barnack beginnt mit einem Beispiel, wie es nicht funktioniert: Im Vorfeld eines Pkw-Kaufs habe er verschiedene Autohäuser in seiner Region kontaktiert, erzählt das Vorstandsmitglied vom Customer Service & Call Center Verband Deutschland (CCV). „Freitags, ungefähr zwölf Uhr mittags: Ich rufe bei einem großen Autohaus an. Laut der Webseite arbeiten 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verkauf. Die Dame am Empfang gibt alles, um einen Ansprechpartner zu organisieren.“ Doch Barnack habe nur die Warteschleifenmusik gehört. Alles scheint in der Mittagspause zu sein. Am Ende habe ihm die Zentrale dann angeboten, dass sie seine Kontaktdaten und einen Rückrufwunsch aufnehme. Tatsächlich habe sich in der Folgewoche ein Verkäufer gemeldet und das Gespräch mit der saloppen Frage begonnen: „Ist das noch aktuell?” Barnack habe sein Auto woanders gekauft. „Und so geht es vielen Kunden, unabhängig von der Branche oder den gewünschten Lösungen, Produkten oder Angeboten.“
Nicht auf Anruf gewartet
„Der erste Eindruck zählt.“ Diesen Satz würden sicher viele Vertriebler unterschreiben. Aber wie lässt sich der persönliche Kontakt professionell gestalten? Gerade am Telefon ist die Herausforderung groß: „Der potenzielle Kunde hat nicht auf den Anruf gewartet. Das Telefon klingelt und Sie reißen Ihre potenziellen Kunden gerade aus der aktuellen Situation“, sagt Benjamin Barnack. „Hinzu kommt, dass Sie zu Gesprächsbeginn noch nicht wissen, ob überhaupt ein Interesse an Ihrem Unternehmen besteht.“ Es gelte also: „Die ersten 60 Sekunden entscheiden.“ Das Ziel müsse sein, dass der Gesprächspartner nach spätestens einer Minute weiß, mit wem er spricht, bei welchem Unternehmen man arbeitet, was angeboten wird und welchen Vorteil er hat, wenn er das Gespräch weiterführt. „Haben Sie diese Schwelle überwunden, können Sie mit dem eigentlichen Verkaufsgespräch starten.“ Der CCV-Vorstand wählt einen Vergleich aus dem Einzelhandel: Ein Handy-Shop stellt einen Kundenstopper vor die Tür: „Heute alle Verträge 19,95 Euro inklusive Daten-Flatrate.“ So werde Aufmerksamkeit erzeugt, die eigentlichen Details zum angebotenen Mobilfunktarif würden im Geschäft am Tresen vorgestellt.

80 verschiedene Gesprächspartner

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im telefonischen Kundenkontakt arbeiten, sollten laut Benjamin Barnack vor allem zwei Dinge mitbringen: eine starke Kommunikation und einen souveränen Auftritt. „Im direkten persönlichen Gespräch können Sie Gestik, Mimik oder andere Hilfsmittel nutzen, um Ihre Botschaften zu untermauern. Am Telefon beschränkt sich die Kommunikation nur auf das gesprochene beziehungsweise gehörte Wort.“ Viele Menschen würden die Arbeit eines Agenten im Callcenter unterschätzen. „Im Laufe der Jahre hat sich die Tätigkeit zu einem hochkomplexen und sehr anspruchsvollen Job entwickelt. Neben verschiedenen Systemen und Applikationen, die es gleichzeitig im Gespräch zu bedienen gilt, müssen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Tag auf 60, 70, vielleicht sogar 80 unterschiedliche Gesprächspartner einstellen.“ Da sei es wichtig, vor jedem Gespräch immer wieder „Reset“ zu drücken und sich komplett neu auf das nächste Gespräch einzustellen. „Die Emotionen aus einem vorherigen Gespräch eventuell auch einfach ausblenden, um mit einer neutralen Stimmungslage in den Dialog mit dem nächsten Kunden zu gehen.“
Und ohne Schulungen gehe ohnehin nichts: „Sie sind die Grundlage für eine professionelle und souveräne Gesprächsführung im Kundendialog.“ Ein Mitarbeiter im Callcenter verbringt nach Barnacks Angaben im Durchschnitt etwa zehn Prozent seiner jährlichen Arbeitszeit in Trainings, Fortbildungen oder Informationsveranstaltungen.

Wege der Erstansprache

Grundsätzlich hat sich – insbesondere seit Beginn der Corona-Pandemie – einiges im Vertrieb geändert. Das zumindest hat Andreas Kaldewey festgestellt, Mitglied des Präsidiums im Bundesverband der Vertriebsmanager. „Selbst Unternehmen, deren Strategie früher nahezu ausschließlich außendienstorientiert war, nutzen nun verstärkt hybride Methoden.“ Hinzu komme eine wachsende Akzeptanz von Social Media. Aus diesem Grund sollte sich jedes Unternehmen zunächst damit beschäftigen, welcher Weg der Erstansprache (unter anderem „Kaltbesuch“, Web- oder Post-Mailing, Telefonat) sich in der Zielgruppe als effizient erweist.
Grundlegend sollte diesem Erstkontakt eine Vorbereitung vorausgehen, nach dem Motto: „Fokussiert und inhaltsstark, aber nicht pedantisch.“ Eine Überrecherche birgt nach Ansicht von Andreas Kaldewey nämlich nicht nur die Gefahr, unnötig viel Zeit zu investieren, sondern auch durch Überinformation relevante Fragen im Gespräch zu unterlassen und stattdessen zu interpretieren. Neben der normalen Unternehmensrecherche könne auch eine Ansprechpartnerrecherche nie schaden, zum Beispiel über LinkedIn oder XING. „So lässt sich erfahren, wie lang der Ansprechpartner schon im Unternehmen oder auf der Position ist, wo er vorher war und ob es sogar Gemeinsamkeiten gibt.“

Was sind „No-Gos“?

Ein absolutes „No-Go“ ist es seines Erachtens, während eines persönlichen Gesprächs alle Notizen in einen Laptop zu tippen. „Das baut Distanz auf.“ Stattdessen werde eine persönliche Ebene eher unterstützt durch klassische Papiernotizen oder ein Tablet mit Handschriftfunktion. Ein „No-Go“ in digitalen Kanälen sei das direkte „Pitchen“ nach der ersten Kontaktbestätigung. „Hier gilt es über den Austausch oder das Kommentieren von Posts erst einmal tiefer in Kontakt zu kommen.“
„Sind diese Wege der Kontaktaufnahme von Erfolg gekrönt und passen dann auch noch Bedarf, Leistung und Preis zusammen, kann daraus eine langfristige Kundenbeziehung entstehen“, sagt Andreas Kaldewey. „Hier kann der Vertriebler selbst noch als Beziehungsmanager agieren und im regelmäßigen Kontakt mit seinem Kunden bleiben. In technischen Unternehmen wird diese Aufgabe jedoch oft an den Service bzw. technischen Support übergeben.“
Daniel Boss | redaktion@regiomanager.de

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Fotostrecke

Andreas Kaldewey, Präsidiumsmitglied beim Bundesverband der Vertriebsmanager (© Die Vertriebsmanager)

Benjamin Barnack, Vorstandsmitglied beim Customer Service & Call Center Verband Deutschland (CCV) (© CCV)

(© ­­­Tamani Chithambo/peopleimages.com − stock.adobe.com)

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