Produktion

Der Landwirt der Zukunft –

und was er aus der Vergangenheit lernen kann

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von Regiomanager 21.07.2022
© stock.adobe.com/DiedovStock

Ohne die Landwirtschaft hätte vor allem in den hochentwickelten Nationen jeder einzelne Einwohner ein kapitales Problem. Denn während in weniger entwickelten Ländern viele Menschen irgendeine Form von Subsistenzwirtschaft betreiben und sich somit zumindest mit dem Grundlegendsten selbst versorgen, sind die Einwohner von Staaten wie unserem auf Gedeih und Verderb auf die Versorgung durch Landwirte angewiesen. Gleichsam aber werden Ackerflächen knapper, bekommen Klima-, Umwelt- und Naturschutz eine ständig wachsende Bedeutung.

Der Landwirt der Zukunft wird deshalb sehr vieles völlig anders machen als es seine gegenwärtigen Kollegen tun. Nachteilig wird dies jedoch nicht sein – außerdem ist Wandel ein ständiger Begleiter der Landwirtschaft, seit der Pflug und die Zweifelderwirtschaft erfunden wurden.

Arbeiten gegen ein steigendes Missverhältnis

Ohne Landwirtschaft keine Ernährung. Das ist die ganz einfache Gleichung, seitdem der Mensch sesshaft wurde und die Landwirtschaft seine wichtigste Nahrungsquelle wurde.
Um dir einmal zu demonstrieren, wie wichtig ein Landwirt in Staaten wie unserem ist, seien dir diesbezüglich drei Zahlen genannt:

  • 1905 ernährte ein einzelner Landwirt durch seine Erzeugnisse etwa vier Menschen;
  • 1950 versorgte sein Nachfolger bereits zehn Personen;
  • 2019 konnte und musste ein Landwirt sogar schon 137 Menschen ernähren.

Für 2022 geht man bereits von 140 Personen aus. Und nach allen realistischen Schätzungen wird sich dieser Wert in den kommenden Jahrzehnten noch weiter erhöhen – schau dir dazu nochmals an, wie gering die Steigerung zwischen 1905 und 1950 war und wie dramatisch dagegen in den darauffolgenden 69 Jahren.

Der Landwirt der Zukunft wird deshalb zweifelsohne eine gefragte Person sein. Denn hinter diesem Anstieg der Zahlen stehen sowohl positive als auch negative Gründe:

  • Die Landwirtschaft wird durch verschiedenste Entwicklungen aufseiten der Agrartechnik immer leistungsfähiger. Jeder einzelne Landwirt wird deshalb mit jedem weiteren Jahr produktiver.
  • Es gibt immer weniger Landwirte. 2020 beispielsweise existieren in Deutschland 263.500 Betriebe – nur noch halb so viele wie ein Vierteljahrhundert zuvor. Allerdings wird die Fallkurve immer flacher. Es besteht deshalb Hoffnung für eine Stabilisierung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten.
  • Die Weltbevölkerung wird wohl noch bis mindestens 2064 weiter ansteigen – auf dann zirka 9,7 Milliarden Menschen. Zudem steigt in vielen Ländern der Wohlstand. Dadurch wird es weniger Menschen in Subsistenzwirtschaft geben, dafür jedoch mehr, die auf professionelle Haupterwerbslandwirte angewiesen sind.

Das heißt: Der Landwirt der Zukunft wird auf jeden Fall noch mehr Menschen versorgen müssen. Das bedeutet nicht nur eine enorme Verantwortung, weil dann buchstäblich „jeder“ einzelne Hof zählt. Es bedeutet außerdem eine steigende Notwendigkeit zu Investitionen, weil die immer leistungsfähigere Technik natürlich bezahlt werden muss. Gut möglich jedoch, dass dadurch eine steigende Wertschätzung in der Gesamtbevölkerung entsteht – und womöglich sogar mehr Fördermittel.

Neue Kombinationen und sehr alte Bekannte

Wenn du dich für den Beruf des Landwirts interessierst oder bereits darin ausgebildet wirst, ist dir vielleicht die Limitation von Ackerflächen ein Begriff. Klar, erstens ist längst nicht jede Freifläche als Ackerland geeignet (oder nur durch langjährige Bodenoptimierungsmaßnahmen) und zweitens gibt es gerade in verhältnismäßig kleinen Nationen wie Deutschland immer verschiedene Parteien, die Interesse an solchen Flächen haben – die weitläufigen USA haben diesbezüglich deutlich kleinere Herausforderungen.

Aktuell beispielsweise wird Ackerland bei uns vor allem deshalb knapp und ziemlich kostbar, weil diese sonnenbeschienenen Flächen ideal sind, um darauf große Photovoltaik-Parks zu errichten. Aber natürlich spielt hier die Umwandlung zu Bauland ebenso eine Rolle.

Für den Landwirt der Zukunft allerdings könnte sich diese Lage durchaus entspannen. Grund dafür sind zwei unterschiedliche Herangehensweisen. Eine ist sehr modern, eine wurde dagegen schon im Mittelalter betrieben:
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  • Agri-Photovoltaik. Dabei werden die Solarpaneele über-Traktor-hoch in solchen Winkeln und Abständen montiert, die eine Weiternutzung als Ackerland gestatten.
  • Agrarforstwirtschaft. Hierbei werden vor allem wiederaufzuforstende Flächen auf eine Weise gestaltet, die eine Dualnutzung zusammen mit Pflanzenanbau und/oder Tierhaltung ermöglicht. Das hat unter anderem den großen Vorteil eines Erosionsschutzes der kostbaren obersten Erdschicht– auf vielen herkömmlichen Ackerflächen ein großes Problem durch Wind und Regen.

Allerdings ist Agrarforstwirtschaft nicht der einzige „alte Bekannte“, dem Landwirte von morgen begegnen können. Einige weitere Beispiele:

  • Deutlich umfassendere Fruchtwechsel, wie sie vor einer Zeit der Hof-Spezialisierung üblich waren – mit bis zu acht Fruchtfolgen pro Fläche.
  • Mehr Ruhe für den Lebensraum Ackerboden durch ausbleibende oder zusammengefasste Arbeitsschritte, teils sogar Mulch- und Direktsaat.
  • Rückkehr zu einer deutlich verstärkten organischen Düngung mit Gründüngung und Ernteresten.

All das sind Techniken mit viel Potenzial. Machen sie doch die Landwirtschaft von morgen weniger abhängig von Kunstdünger, resistenter (nicht zuletzt beispielsweise gegen klimakrisenbedingte Extremwetterereignisse) und gleichsam naturverträglicher, ohne jedoch die Erträge zu gefährden.

Ergo: Als zukünftiger Landwirt wirst du gerade auf dem Acker in vielerlei Hinsicht anders arbeiten als es vielleicht heute in deinem Ausbildungsbetrieb getan wird.

Deutlich weniger Massentierhaltung – unter anderem durch Konkurrenz

Jeden Tag Fleisch und Wurstwaren auf dem Tisch zu haben, das ist definitiv ein Phänomen der modernen Landwirtschaft, wie sie seit etwa 1950 besteht. Und wenn du dich für diesen Beruf interessierst, hast du vielleicht schon mitbekommen, wie stark dieser Fleischkonsum in der Kritik steht – aus unterschiedlichen Gründen:

  • Es müssen sehr viele Tiere gehalten werden. Das macht es schwierig bis unmöglich, sie wirklich artgerecht zu halten. Reine Stallhaltung ist deshalb vielfach üblich und die einzige Option.
  • Außerdem sind möglichst rasch wachsende Rassen nötig, eine entsprechende Fütterung und die Nutzung von Pharmazeutika. Das alles reduziert die Fleischqualität.
  • Immer mehr Menschen leben gänzlich fleischlos, viele andere haben sich reduziert. Und die meisten möchten geschmacklich und qualitativ wesentlich hochwertigeres Fleisch essen, sind sogar bereit, dafür deutlich mehr auszugeben.
  • Tierhaltung erzeugt viel Methan und bedeutet eine ständige Konkurrenz um Ackerflächen, weil diese zum Futteranbau gebraucht werden und somit nicht direkt der Nahrungsproduktion zur Verfügung stehen. All das muss zudem unter dem Eindruck des Klimaschutzes betrachtet werden.

Außerdem stehen wir aktuell gerade an der Schwelle zu einer bislang ungekannten Konkurrenz: Sogenanntes In-Vitro-Fleisch, das aus tierischen Zellen künstlich erwächst, steht sehr kurz vor der Marktreife. Zwar lässt sich dabei mit aktuellen und künftigen Techniken nur eine Art sehr feines Hackfleisch herstellen – bloß in praktisch jeglicher Hinsicht besser als solches aus Massentierhaltung.

Doch was bedeutet das für den tierhaltenden Landwirt der Zukunft? Sieht es für ihn düster aus? Keineswegs, denn:

  • Der Fleischkonsum wird zurückgehen, weil „Billigfleisch“ verstärkt durch In-Vitro-Fleisch bedient werden wird. Dadurch reduziert sich die Notwendigkeit zum Betrieb großer Ställe, die Ausgaben für Kraftfutter, Antibiotika und Ähnliches.
  • „Echtes“ Fleisch wird eine neue Wertschätzung bekommen. Der Landwirt kann sich deshalb wieder auf Rassen und Züchtungen fokussieren, die hierbei brillieren, weil sie nicht auf die Erfordernisse der Massentierhaltung angepasst sein müssen.
  • Die Weidehaltung kann – abermals eine alte Herangehensweise – perfekt mit den erwähnten Fruchtfolgen, natürlicher Dünung usw. kombiniert werden.

All das wird momentan noch durch den Wunsch vieler Verbraucher nach Fleisch der Gattung „billig und viel“ gehemmt. In den kommenden Jahren wird jedoch genau das sich ändern, wodurch für dich als moderner, tierhaltender Landwirt der Weg frei wird zu einer viel ursprünglicheren Haltung, ohne jedoch wirtschaftliche Schwierigkeiten befürchten zu müssen.

Ein Beweis von vielen: Einige wenige deutsche Höfe haben bereits damit begonnen, japanische Wagyu-Rinder zu züchten und halten – etwas, das ohne eine wiedererwachende Verbraucherlust auf sehr hochwertiges (und entsprechend hochpreisiges) Rindfleisch kaum rentabel zu betreiben wäre.

Zusammengefasst

Die Landwirtschaft befindet sich derzeit in ihrem tiefgreifendsten Wandlungsprozess seit gut und gerne 70 Jahren. Doch selbst, wenn dabei einige liebgewonnene Dinge verschwinden werden, so hat das für dich als junger Mensch und Landwirt vornehmlich positive Auswirkungen. Denn deine Generation wird zu den wichtigsten Mitgestaltern dieses Wandels gehören.

Was über lange Jahre in hochentwickelten Ländern eine industrialisierte Landwirtschaft war, die sich immer weiter von ihren Ursprüngen entfernte, wird sich zu einer viel behutsameren Vorgehensweise umkehren. Eine, die ihre Erträge im stärkeren Einklang mit Klima, Natur und Umwelt erwirtschaftet, aber es dennoch schafft, eine noch für Jahrzehnte weiter steigende Weltbevölkerung nicht bloß satt zu machen, sondern gerade durch diesen Wandel mit hochwertigeren Erzeugnissen zu versorgen.

Für die Welternährung wird der Landwirt von morgen immer noch die mit Abstand wichtigste Schlüsselperson sein. Aber er wird dies deutlich naturnäher tun – und dabei sowohl sehr modern als auch überraschend altertümlich agieren.

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Fotostrecke

Oben Photovoltaik, unten die Frucht. Derartiges dürfte dir in Zukunft häufiger begegnen. Denn für die Energie- und Mobilitätswende muss jede sonnengünstige Fläche genutzt werden (stock.adobe.com/jeson)

Weniger Tiere, viel mehr Weidehaltung, jedoch mindestens gleichbleibende Umsätze. Sich verändernde Konsumentengewohnheiten machen es möglich – und somit dir das Leben als Landwirt einfacher (stock.adobe.com/LoloStock)

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