Das Tischler- oder Schreinerhandwerk: Die verwendete Begrifflichkeit ist regional unterschiedlich, meint aber das Gleiche – und hat seine Ursprünge bereits im 14. Jahrhundert. Damals spaltete sich die Zunft von der Zimmerei ab und hatte das ausschließliche Recht, Hobel als Werkzeug und Leim als Verbindungsmittel zu benutzen. Auch war den Tischlern die Herstellung bestimmter Produkte vorbehalten wie beispielsweise Wand- und Deckenvertäfelungen, Fenster, Türen, Möbel – und ab dem 16. Jahrhundert Särge. Im Laufe der Jahrhunderte veränderten sich die Werkzeuge und die Art der Bearbeitung der Werkstoffe mehrfach und sind auch aktuell im Zuge der Digitalisierung in der Branche eine Herausforderung für die Unternehmen, nicht nur in der Region.
Heute sind in der Branche zwischen 30.000 und 40.000 Betriebe gelistet (Stand: Ende 2015). Die Listen variieren je nach Statistik, abhängig davon, ob Kleingewerbetreibende mitgerechnet werden oder nicht. Die offizielle Zahl des Statistischen Bundesamtes rechnet nur Betriebe mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und spricht für 2015 von bundesweit 31.847 Unternehmen, die mit 200.950 Mitarbeitern einen Umsatz von mehr als 21,5 Milliarden Euro erwirtschafteten. Rund 15.000 der Betriebe sind in Innungen organisiert. Laut Zählung des Fachverbandes Tischler NRW und IT.NRW (Landesbetrieb Information und Technik) waren 2015 in Nordrhein-Westfalen fast 50.000 Menschen in 6.380 Betrieben beschäftigt. Diese sorgten für einen Umsatz von 6,38 Milliarden Euro.
Technisch aufrüsten
„Neben der Digitalisierung ist und bleiben die Nachwuchssuche und der Fachkräftemangel Themen für unsere Branche“, sagt Jens Südmeier, Pressereferent des Fachverbandes Tischler NRW. „In der Digitalisierung haben wir zwei grobe Themen: Einerseits geht es um Kommunikation und Marketing, andererseits um die technische Aufrüstung für Aufmaß und Fertigung.“ Fragen nach den Möglichkeiten der Nutzung von Online-Medien und das Erschließen neuer Geschäftsfelder darüber müssten geklärt werden. Der Grad der Automatisierung der Betriebe sei durchaus abhängig vom Kundenbedarf und könne daher sehr unterschiedlich sein. „Einige Betriebe sind schon sehr fortschrittlich und nutzen beispielsweise Virtual-Reality-Visualisierung oder 3-D-Drucker. Andere sind da noch nicht so weit.“ Der Verband gebe hier Hilfestellung, viele Betriebe seien in den Bereichen aber schon länger eigenständig tätig. Auch Fridtjof Ludwig, Pressesprecher des Bundesverbandes Tischler Schreiner Deutschland in Berlin, sieht in der technischen Ausstattung eine wichtige Aufgabe der Unternehmen vor Ort: „Betriebsinhaber müssen mit der Zeit gehen. Aber das ist im Zuge der zahlreichen Aufgaben, die die Inhaber bewältigen müssen, nicht immer ganz einfach.“ Darum kümmere sich der Bundesverband vor allem um die politischen Rahmenbedingungen und halte langfristige Themen im Auge. „Wenn wir weiter gute Bedingungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland behalten wollen, dann müssen wir uns um Entlastung beim Bürokratieaufwand kümmern. Zeit und Kosten dafür belasten gerade Handwerksbetriebe bis fünf Mitarbeiter sehr stark, die den Durchschnitt der Branche ausmachen.“
Kampagne für
die Nachwuchssuche
Nachwuchssuche und Fachkräftemangel beschäftigen nicht nur die Tischlerbranche seit geraumer Zeit. Und es wird die Betriebe noch längere Zeit beschäftigen. „Es gibt durchaus regionale Unterschiede“, sagt Jens Südmeier. „Während es im ländlichen Raum schon an Bewerbern mangelt, bekommen Unternehmen in Ballungsgebieten immerhin noch viele Bewerbungsschreiben. Aber der größte Teil davon erweist sich als ungeeignet.“ So zumindest seien die Erfahrungen der meisten Betriebe. Denn oftmals bringen die Schulabgänger nicht die notwendigen Voraussetzungen mit. Neben handwerklichem Geschick spielen für Tischler mathematische Fähigkeiten, Kreativität und ein Verständnis für Design eine wichtige Rolle. „Aber verglichen mit anderen Branchen bekommen unsere Betriebe immerhin noch recht viele Bewerbungen.“ Für die Suche nach Nachwuchskräften hat der Bundesverband die Kampagne „Born 2B Tischler“ gestartet. „Diese setzt übergreifend mit einer eigenen Internetseite und Auftritten in Social Media an, bietet aber auch Materialien und Tools, die vor Ort von Betrieben und Innungen eingesetzt werden können“, sagt Fridtjof Ludwig. Diese reichten von der Power-Point-Präsentation bis hin zur Ausstattung von Messeständen. „Über diese Mittel hinaus müssen die Betriebe aber auch in die Selbstvermarktung investieren, sowohl finanziell als auch zeitlich. Und das belastet die selbstständigen Handwerker weiter.“ Eine gute Möglichkeit ist hier die (freiwillige) Mitgliedschaft in der Innung. Die können einen Teil der notwendigen Arbeit abfangen und sind zudem ein wichtiger Informationspool. „Innungsmitglieder haben häufig einen nicht unwichtigen Informationsvorsprung und dadurch Vorteile gegenüber Wettbewerbern“, sagt Ludwig.
Konjunkturhoch hält an
Ein weiteres wichtiges Thema für die Branche ist die Organisation des konjunkturellen Booms. Denn für einige ist es nicht einfach, die Auftragslage und Anfragen zu bewältigen. Der Branche geht es wirtschaftlich so gut wie lange nicht. Zurzeit wird in den Gebäudebestand investiert, wovon viele Handwerksbranchen und darunter auch die Tischler und Schreiner profitieren.
Der Fachverband Tischler NRW führt zweimal im Jahr, jeweils im Frühjahr und Herbst, eine Konjunkturumfrage im Land durch. Während die aktuellen Umfragen zurzeit noch laufen, brachte die im Herbst 2016 erstaunliche Ergebnisse. „Es gab zum ersten Mal in fast 20 Jahren keinen Betrieb, der für das nachfolgende halbe Jahr mit einer Verschlechterung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage gerechnet hat“, sagt Jens Südmeier. Ein Viertel (26,3 Prozent) der befragten Unternehmen glaubte zu dem Zeitpunkt an eine weitere Verbesserung der Lage. Trotz des eigentlich üblichen Konjunkturknicks zum Jahreswechsel planten 18,6 Prozent der Unternehmer ein weiteres Plus in den Auftragsbüchern ein. Zwei Drittel (66,5 Prozent) erwarteten immerhin keine Veränderung. „So viel Optimismus zeigte sich zu dieser Jahreszeit noch nie.“
Stefan Mülders | redaktion@regiomanager.de
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