Fahrzeugbewertungen machen einen Großteil der Arbeit von Kraftfahrzeug-Sachverständigen aus. Neben der Benennung des Einkaufs- oder Wiederbeschaffungswerts spielt auch die Bewertung von Leasingfahrzeugen eine Rolle. Mit diesem Gutachten lassen sich beispielsweise Streitigkeiten vermeiden, wenn die Fahrzeuge an den Leasinggeber zurückgegeben werden sollen. Während typische Gebrauchsschäden durch die Leasingraten bereits abgedeckt sind, kommt es bei Leasingrückläufern oft zu Streitigkeiten wegen wertmindernder Schäden. Übrigens: Bei gewerblich geleasten Fahrzeugen sind die Kosten für das Gutachten als Betriebskosten absetzbar.
Liegt bei einem Autounfall der Sachschaden über der Bagatellschadengrenze in Höhe von 750 Euro, können Sie die Schadenssumme durch einen freien Sachverständigen feststellen lassen. Dabei haben Sie das Recht, einen Sachverständigen Ihrer Wahl zu beauftragen. Der ADAC warnt ebenso wie beispielsweise der Verband für bürgernahe Verkehrspolitik e. V. ausdrücklich davor, die Angebote zur kompletten Unfallabwicklung seitens der gegnerischen Haftpflichtversicherung, Werkstätten und Autovermietungen anzunehmen. Hierbei werden oftmals unabhängige Berater umgangen und Sie kommen möglicherweise nicht zu Ihrem vollen Schadensersatzanspruch. Der Versicherungsgutachter der gegnerischen Versicherung hat natürlich ein Interesse daran, Ihren Kfz-Schaden so gering wie möglich einzustufen. Die Kosten für das Gutachten hängen vom Schadensumfang ab; dabei ist zu berücksichtigen, dass der Anteil – vereinfacht ausgedrückt – prozentual absteigt. Das heißt: je höher der Schaden, desto geringer die prozentualen Gutachterkosten. Bei einem Schaden beispielsweise in Höhe von 2.000 Euro liegen die Kosten für das Gutachten bei rund 300 Euro, sprich 15 Prozent. Ist der Schaden höher und komplexer und liegt schätzungsweise bei 10.000 Euro, müssen Sie für das Gutachten circa 700 Euro einrechnen, also sieben Prozent.
Qualifikation
Problematisch ist, dass die Bezeichnung „Sachverständiger“ kein geschützter Begriff ist. Geschützt sind jedoch: „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger“ sowie „staatlich anerkannter Sachverständiger“. Darüber hinaus gibt es auch zertifizierte Kfz-Sachverständige, die einem unabhängigen Verband angehören. Das Gesetz schreibt vor, dass ein angehender Sachverständiger eine Ausbildung im Kfz-Wesen absolviert haben muss: als Kfz-Mechaniker, Karosserieschlosser, Zweiradmechaniker und Lackierer jeweils mit Meisterbrief oder als Kfz-Techniker. Auch ein Studium der Ingenieurswissenschaften im Kraftfahrzeugwesen erfüllt diese Voraussetzung. Um als Sachverständiger tätig werden zu können, muss eine entsprechende Weiterbildung absolviert werden. Darüber hinaus sind Kfz-Sachverständige dazu verpflichtet, sich durch Weiterbildungen stetig auf dem aktuellen technischen und rechtlichen Stand zu halten.
Mit dem Aspekt der Ausbildung zum Sachverständigen ist ein brisantes Thema der Branche angesprochen: Kurzausbildungen zum Kfz-Sachverständigen. Hiervor warnt der Verband der unabhängigen Kraftfahrzeug-Sachverständigen. „Verschiedene Firmen bieten im Moment vor allem angestellten und selbstständigen Kfz-Meistern eine Ausbildung in sogenannten Intensivkursen für Kfz-Sachverständigen an“, berichtet der Verein auf seiner Internetseite. „In einigen Tagen, so wird in Inseraten versprochen, könne man einen entsprechenden Abschluss erlangen und selbst die Schadengutachten erstellen.“ Allerdings ist die Expertise eines Sachverständigen nicht in wenigen Tagen zu erwerben; vielmehr warnt der Verein davor, den eigenen Betrieb durch Rufschädigung und eingebüßtem Kundenvertrauen letztendlich zu schaden. Er verweist darüber hinaus an verschiedene Gerichtsurteile, in denen festgestellt wurde, dass eine Gutachtenerstellung und die im Anschluss daran im eigenen Betrieb durchgeführte Reparatur nicht die Unabhängigkeit gewährleisten, die einen Sachverständigen auszeichnet. Einen seriösen und qualifizierten freien Kfz-Sachverständigen erkennen Sie beispielsweise daran, dass er einem anerkannten Berufsverband angehört. Dazu zählen u.a. der Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen, BVSK, sowie die Deutsche Sachverständigen Gesellschaft, DESAG. Leider ist die Branche recht zersplittert, es gibt recht viele Berufsverbände, denen sich Sachverständige und Kfz-Sachverständige im Speziellen anschließen können. Die Prüfung durch den Fachverband erfolgt in der Regel im Anschluss an die Sachverständigen-Weiterbildung.
Zukunftsperspektive
Das Tätigkeitsfeld von freien Sachverständigen bezieht sich nicht nur auf die Gutachtertätigkeit bei Straßenverkehrsunfällen. Ihre Expertise ist auch bei der Wertschätzung von Fahrzeugen oder der Überprüfung von möglicherweise nicht fachgerechten Reparaturleistungen gefragt. Die Auftraggeber sind neben Privatpersonen Leasing- und Versicherungsgesellschaften, Gerichte und Rechtsanwälte, Autovermietungen, Autohäuser und Kfz-Werkstätten. Mit der steigenden Verkehrsdichte in Deutschland nimmt auch die Zahl der Verkehrsunfälle mit Personen- und Sachschaden zu. Die Fahrzeuge von heute und erst recht von morgen haben eine umfangreiche und kostenintensive Elektrik und entsprechende Chassis – im Übrigen eine Herausforderung, der sich die Kfz-Sachverständigen zu stellen haben. Man kann sich also ausrechnen, dass auch die Schadensersatzleistungen steigen werden. Dazu kommt, dass die Verbraucher zunehmend sensibilisiert sind, dass Versicherungen in die Schadensregulierung eingreifen und im Falle eines Unfallschadens immer häufiger einen unabhängigen Sachverständigen mit dem Gutachten beauftragen. So lag im Jahr 2015 die Summe der Schadensersatzleistungen, die von Kfz-Versicherungen übernommen wurden, bei 25 Milliarden Euro. Schätzungen zufolge entfällt davon auf die Leistungen der Kfz-Sachverständigen eine Milliarde Euro.
Karin Bünnagel | redaktion@regiomanager.de
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