Nein, es läuft nicht „wie geschmiert“ in der Schmierstoffbranche. Die hat zu kämpfen – mit immer neuen Vorschriften und europäischen Vorgaben, denn Schmierstoffe werden aus Chemikalien hergestellt. Und wie andere Bereiche auch, wird der Chemikaliensektor immer schärfer reguliert, um Mensch und Umwelt vor Schaden zu bewahren. „Genau wie am Bau kostet Sicherheit (viel) Geld“, klagt der Verband Schmierstoff-Industrie (VSI). Der Verband, der ein Zusammenschluss aller bedeutenden Hersteller von Auto- und Industrieschmierstoffen in Deutschland ist und mit 82 Mitgliedsfirmen mehr als 90 Prozent der deutschen Schmierstoffindustrie repräsentiert, macht die Problemlage der Branche an den stark erhöhten gesetzlichen Auflagen fest: Ursprünglich entwickelte und produzierte ein Schmierstoffhersteller seine Produkte mit einer Vielfalt an Rohstoffen mit dem Ziel, maximale Leistung zu erzielen. „Heute sind zahlreiche Vorschriften zu beachten, die einerseits die Auswahl an Chemikalien und Chemikalienanbietern stark einschränken und andererseits zusätzliche, hoch qualifizierte Spezialisten voraussetzen, um die gesetzlichen Bestimmungen zu erfüllen“, erläutert der Verband die daraus resultierenden Konsequenzen. Infolge der Regulierungen werden Schmierstoffe deutlich teurer und müssen darüber hinaus auch vermehrt als „Gefahrstoff“ gekennzeichnet werden, obwohl sich in vielen Fällen die Rezeptur nicht einmal geändert hat. Die erforderlichen Tests für die Registrierung kosten nach Angaben des VSI zwischen 50.000 und fünf Millionen Euro je Chemikalie. Die politischen Vorgaben sind strikt: Bis Juni 2018 muss dieser Prozess abgeschlossen und die Substanz registriert sein oder vom Markt genommen werden. Die Folge sei, dass etliche Chemikalien oder auch Anbieter vom Markt verschwinden. Die Suche nach geeigneten Ersatzstoffen sei aufwendig und teuer, ein starker Preisanstieg auf dem Chemikalienmarkt sei zu erwarten.
Moderne Technik benötigt weniger Schmierung
Daneben kämpft die Branche seit Jahren mit weiteren Herausforderungen: Der Schmierstoffbedarf ist von einem zuvor konstanten Niveau im Zuge der weltweiten Krise 2009 dramatisch eingebrochen. Dies betrifft Auto-Schmierstoffe moderater, aber Industrie-Schmierstoffe besonders, weil auch die industrielle Produktion stark betroffen war. Über die „Altautoprämie“ ist die Produktion wieder hochgefahren worden, was sich auch in wieder zunehmendem Schmierstoffabsatz niedergeschlagen hat. Aber der Teufel steckt im Detail: Plötzlich rollten nur noch moderne Fahrzeuge auf den Straßen, durch die längeren Wechselintervalle sinkt der Bedarf an Motorenöl. Dieser Trend sei nicht aufzuhalten, fürchten Hersteller, zumal sich der Trend durch die Elektromobilität fortsetzen wird.
Ähnliche Entwicklungen gelten auch für die industrielle Produktion: Die Perspektiven sind blendend, eine gute Auftragslage lässt die Industrie „florieren“. Trotz überragender Wachstumsprognosen der Bundesregierung und der Wirtschaftsinstitute kommt der Boom bei der Schmierstoffbranche allerdings nicht an: Der Bedarf wächst nicht, sondern verharrt auf dem aktuellen Niveau. Die Schmierstoffe sind zu gut, analysiert der VSI: „Technische Weiterentwicklungen werden in Zukunft einen noch nachhaltigeren Einsatz und Umgang mit Schmierstoffen ermöglichen“, sieht man die Bedarfsspitzen längst erreicht.
Das Synonym „Das läuft ja wie geschmiert“ ist derzeit also eine Herausforderung, auch wenn es beschreibt, dass etwas ganz besonders gut funktioniert. Technisch betrachtet sorgen Schmierstoffe dafür, dass „alles funktioniert“, dass Reibung vermindert, Wärme abgeführt und Verschleiß vermieden wird. Jeder Autofahrer weiß, dass ein regelmäßiger Ölcheck und entsprechendes Nachfüllen unabdingbar sind, wenn der Motor möglichst lange und problemlos funktionieren soll. Schmierstoffe sind von entscheidender Bedeutung für das Funktionieren unserer Welt. Überall dort, wo sich etwas bewegt, wo Maschinen etwas antreiben und wo Materialien bearbeitet werden, kommen sie zum Einsatz. Industrieschmierstoffe halten Fahrzeuge, Anlagen und Maschinen am Laufen. Insgesamt werden in Deutschland eine Million Tonnen Schmierstoffe pro Jahr verbraucht: Schon etwa 2.000 vor Christus benutzten die Ägypter Olivenöl als Schmierstoff, um größere Lasten durch Verringerung der Gleitreibung mit weniger Aufwand zu bewegen. Die „tribologischen Systeme“ wurden komplizierter; deutlich wurde dies im Wuppertaler Stadtteil Elberfeld. Hier erblühte Anfang des 19. Jahrhunderts die Textilproduktion. Überall drehten sich die Spinnmaschinen, bewegten sich Webstühle, hoben und senkten sich die Kolben der Dampfmaschinen. Und mittendrin: Carl Bechem, der in einem Textilunternehmen eine kaufmännische Ausbildung absolvierte. Der junge Mann merkte schnell, dass durch die Industrialisierung der Bedarf an Schmierstoffen steigen würde. 1834 gründete er die erste Ölfabrik in ganz Deutschland. Genutzt wurden damals noch pflanzliche und tierische Fette, Erdöl war noch unbekannt. Das schwarze Gold wurde erstmals 1859 gefördert und verdrängte schon bald die anderen Schmiermittel.
Alternativen auf dem Vormarsch
Inzwischen geht die Entwicklung wieder in die andere Richtung. Schrittweise bereitet sich die Welt auf eine Zeit ohne den vergänglichen Rohstoff vor. Man versucht in der Produktion immer stärker, Erdöl durch Wasser oder andere Stoffe zu ersetzen. Längst kommen neben Erdöl auch Raps-, Rüb- oder Kokosöl zum Einsatz. Gerade für Autohersteller, die strengen CO2-Normen unterliegen, werden ökologische Schmierstoffe immer wichtiger. Da die an bis zu 250 Stellen in einem Fahrzeug zum Einsatz kommen, bietet sich viel Einsparpotenzial. Bechem produziert heute mehr als 800 unterschiedliche Hochleistungsschmierstoffe, die vom Standardprodukt für die gängigsten Anwendungsbereiche bis zum Exklusivprodukt für den einzelnen Kunden reichen. Die Branche produziert Hochleistungsfette für höchste Anforderungen, die von den rauen Bedingungen der Schwerindustrie über die anspruchsvollen Einsatzfelder in der Automobiltechnik oder der Luft- und Raumfahrt reichen. Ganz andere Kriterien müssen Schmiermittel erfüllen, wenn sie bei der Produktion von Lebensmitteln in der pharmazeutischen Industrie eingesetzt werden: Ohne Schmierstoff läuft nichts in der Technik. Der richtige Schmierstoff, die optimale Schmierstoffmenge, der ideale Zeitpunkt der Schmierung und nicht zuletzt die Art und Weise der Applikation spielen bei der Schmierung eine große und wichtige Rolle. Was ist zu viel? Wie viel darf es sein? Schließlich und endlich ist durch eine richtige Schmierung die Einsparung von Energie möglich.
Mengen werden kleiner
Dass sich der Markt für Industrieschmierstoffe verändert, zeigt eine Studie, die der VSI gemeinsam mit der globalen Strategieberatung Simon-Kucher & Partners präsentiert hat. Unter dem Titel „Schmierstoffmarkt Kundentrends 2025“ zeigt die Untersuchung, welche Trends die Schmierstoffindustrie in den kommenden zehn Jahren bestimmen werden. Die Aussagen sind eindeutig: Die Mengen werden kleiner, dafür steigen sowohl die Effizienz als auch die Chancen für Bioprodukte. Bestätigt wird die Einschätzung des Verbandes, dass strengere Umweltnormen die Anwendung biologisch abbaubarer Schmierstoffe und mehr Effizienz der Produkte forcieren. Zwei Drittel der befragten Experten sehen in den Kernmärkten Europas eine stetig sinkende Nachfrage nach Schmierstoffen. „Um den erwarteten negativen Mengeneffekt auszugleichen, müssen sich Schmierstoffhersteller kontinuierlich anpassen und neu definieren“, sagt Danilo Zatta (Simon-Kucher).
Für die Hersteller werde es ausschlaggebend sein, Produktwerte wie ‚effizient‘ und ‚grün‘ erfolgreich an den Kunden zu kommunizieren und entsprechend einzupreisen. „Demnach haben Hersteller, die biologisch abbaubare Produkte mit vergleichbaren Leistungsmerkmalen entwickeln können, künftig einen klaren Wettbewerbsvorteil.“ Das gilt vor allem bei den Hydraulikölen. Den Experten zufolge liegt die Chance für Schmierstofflieferanten im Bereich mobiler Hydraulikanwendungen klar darin, auf Innovation und Qualität zu setzen und Viskosität, Standzeit sowie Energieeffizienz zu verbessern. Reinhold Häken | redaktion@regiomanager.de
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