Kennen Sie das? Sie sind zu einem Firmenevent eingeladen, werden aber den Eindruck nicht los, dass hier etwas nicht stimmt. Verspätete Einladungszusendung, schlecht ausgeschilderte Parkplätze, streikende Technik oder lauwarmes Bier: Die Liste der Fehler, die ein Laie bei der Ausrichtung eines Firmenevents machen kann, ist lang. Doch der Eindruck beim Kunden ist, wie bei jedem Event, bleibend! Kein Wunder, dass professionelle Eventagenturen ihren festen Platz in der Livekommunikation haben: Von den 7,19 Milliarden Euro, die der Gesamtbranche im Jahr 2016 an Etat zur Verfügung standen, entfielen 23,9 Prozent (also 1,72 Milliarden Euro) auf die Marketing-Events. Eine besondere Wichtigkeit haben Events laut einer Umfrage des Kommunikationsverbands Famab e. V. beim Handel. Der gab im vorletzten Jahr 39,2 Prozent seines Etats für Live-Kommunikation dafür aus. Events – etwa zur Präsentation eines Produkts – stehen längst nicht mehr für sich allein, sondern müssen in das Konzept der Gesamtkommunikation passen. Ziel ist die Inszenierung eines ganzheitlichen Markenerlebnisses und der Ausbau von persönlichen Beziehungen zu Kunden und Geschäftspartnern, aber auch zu den eigenen Mitarbeitern. Etwa ein Drittel der Unternehmen (34,7 Prozent) nehmen laut der Umfrage für die Durchführung von Events professionelle Hilfe von Agenturen in Anspruch. Trotz allem müssen Eventagenturen immer wieder um ihr Überleben kämpfen. Pitches, neue gesetzliche Regelungen und der allgegenwärtige Fachkräftemangel machen der Branche das Leben schwer.
Die Problematik der Pitches ist laut Jan Kalbfleisch, dem Geschäftsführer des Famab e. V., bei Weitem keine neue, aber nach wie vor eine akute. Will ein Kunde eine Live-Kommunikationsmaßnahme umsetzen, greift er immer öfter auf diese Methode zurück. Er verfasst ein Briefing mit Angaben zu Ort und Zeit, den Zielen und bestenfalls zum Budget. Dieses Briefing schickt er an mehrere Anbieter: „Bis zu zehn Agenturen ist da keine Seltenheit“, so Kalbfleisch. Die Agenturen können einen Pitch vorlegen, das passendste Konzept wird genommen. Für Eventagenturen wirft dieses Modell jedoch viele Probleme auf. Werden beispielsweise zehn Agenturen angeschrieben, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass der eigene Pitch gewinnt, gerad einmal bei zehn Prozent. Außerdem wird zwar oft nur ein grobes Konzept verlangt. Das ist in der Praxis allerdings kaum möglich, hier muss also oft schon einiges an Zeit und Geld investiert werden. Auch die anonymisierte Arbeit macht den Pitch zu einer Zerreißprobe. „Dadurch ist kein Kontakt zu dem Kunden möglich“, erklärt der Famab-Geschäftsführer. Hinzu kommt, dass Unternehmen mittlerweile auch zu dreisten Tricks greifen. Da gefällt mitunter ein Konzept einer Agentur, eine andere Gruppe hat jedoch ein geringeres Budget. Also wird die Gruppe mit dem geringen Budgetanspruch beauftragt, das bessere Konzept mit ihrem Budget umzusetzen. „Akut wurde die Problematik Pitch vor zehn bis 15 Jahren“, so Kalbfleisch. Seitdem würde der Wettkampf immer härter. Bei vielen Agenturen fände mittlerweile ein strategischer Auswahlprozess statt, welcher Pitch sich wohl lohnen könnte. Und auch der Verband Famab tritt an die Kunden, um sie auf die schwierige und mitunter widerrechtliche Methode aufmerksam zu machen.
Das Thema Nachwuchsgewinnung trifft die Branche an zwei Fronten. Zum einen gäbe es die Möglichkeit zur Automatisierung nur begrenzt, erzählt Jan Kalbfleisch. Auch wenn viele Agenturen derzeit daran forschten, wie Prozesse optimiert werden könnten. Zum anderen sei die Agentur als Arbeitgeber nicht durchgehend positiv besetzt. So gäbe es die Mythen von den langen Arbeitszeiten, dem geringen Gehalt und der hohen Mobilität, die allemal gegen den Trend zur Work-Life-Balance liefen. „Das ist aber weitestgehend ein Mythos“, so der Branchenexperte. Viele Fachkräfte wechselten direkt zu den Kunden, die dadurch harte Mitbewerber würden. Dabei lägen die Vorteile von Agenturen auf der Hand: Es gäbe flache Hierarchien, eine frühe Übernahme von Verantwortung und einen kollegialen Umgang.
Nicht zuletzt sorgt auch die gesetzliche Lage in Deutschland für Herausforderungen. Einerseits wären da die arbeitsorganisatorischen Gesetze. Für die Branche sind Flexibilisierung und selbstständige Arbeit nur in zu engen Grenzen möglich. „Dadurch, dass unser Geschäft ein Projektgeschäft ist, trifft uns das härter“, so Kalbfleisch. Beispielsweise gibt es zu Hochzeiten kurze, intensive Arbeitsphasen, danach aber auch meist ruhigere Abschnitte. Mit mehr Flexibilisierung könnten diese heißen Phasen leichter bewältigt werden. Auch braucht es Experten nicht selten nur für ein Event. Die Gefahr der Scheinselbstständigkeit schwingt hier allerdings oft mit.
Ein großes Problem für Eventagenturen ist die gewerbesteuerliche Hinzurechnung. Sie soll verhindern, dass Unternehmen zum Beispiel größere Hallen nur leasen, statt zu kaufen. Schwierig wird es, wenn eine Agentur für ein Event etwa die Frankfurter Jahrhunderthalle für zwei Wochen und mehrere Tausend Euro mietet. Diese wird dann dem Gewinn hinzugerechnet. Auch wenn die Agentur in jenem Jahr also Verlust gemacht hat, steht auf dem Papier mitunter ein Gewinn. Seit 2008 gibt es diese Zurechnung. Nun schließt der erste Prüfungszyklus. „Einige Agenturen sehen sich nun mit Forderungen im sechsstelligen Bereich konfrontiert“, erklärt Kalbfleisch. Hier sieht sich der Verband machtlos: Man habe so ziemlich alles gemacht, was man machen könne.
Bei Digitalisierung vorn
Ganz und gar nicht machtlos ist die Branche beim Thema Digitalisierung. Diese hält auch bei den Events Einzug. Schon jetzt wird kaum ein Event nicht auf digitaler Ebene vor- oder nachbereitet. Soziale Netzwerke bieten gute inszenatorische Mittel. Auf der anderen Seite stellt sich jedoch auch die Frage, inwieweit Digitalisierung in einem Wettbewerb zur Live-Kommunikation steht. Derzeit fänden virtuelle Messen und Events noch nicht statt, so der Famab-Geschäftsführer, im Gegenteil: „Es herrscht ein gewisser Hunger nach Realität.“ Aber das müsse nicht so bleiben. Irgendwann sei der Zeitpunkt gekommen, an dem sich die Agenturen fragen müssten, ob sie alles selbst bedienen könnten oder ob es neue Netzwerke
brauche. Nathanael Ullmann | redaktion@regiomanager.deNathanael Ullmann
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