Noch vor eineinhalb Jahren war das Arbeiten im Homeoffice in den meisten Unternehmen eher die Ausnahme denn die Regel, nun ist es durch die Corona-Krise quasi zur Normalität geworden.
Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung arbeitete Ende Januar 2020 jeder vierte Erwerbstätige vorwiegend oder ausschließlich im Homeoffice. Die meisten Unternehmen scheinen den derzeitigen „Normalzustand Homeoffice“ dennoch als Ausnahmesituation zu betrachten. Das jedenfalls legt eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft von Februar 2021 nahe: Der Untersuchung zufolge haben zwei Drittel der 1.200 befragten Firmen nicht vor, ihren Beschäftigten nach der Corona-Krise mehr Homeoffice zu ermöglichen als vor der Krise. Lediglich große Firmen visieren nach der Pandemie zumindest einen Homeoffice-Büro-Mix an.
Mehr Produktivität
An der Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden kann es nicht liegen, dass so viele Unternehmen an der Präsenzpflicht hängen. Wie verschiedene Studien zeigen, hat das Arbeiten im Homeoffice keine negativen Auswirkungen auf die Produktivität der Arbeitnehmer. Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT etwa hat mit einer laufenden Umfrage herausgefunden, dass die Mehrheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die eigene Produktivität im Homeoffice sogar höher einschätzt als im Betrieb: Knapp 40 Prozent der mehr als 2.800 Befragten (zum Zeitpunkt Februar 2021) fühlen sich produktiver, knapp 15 Prozent schätzen ihre Produktivität sogar als wesentlich höher ein. Eine Studie der Krankenkasse DAK unter rund 7.000 Beschäftigten verweist zudem auf die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die Erwerbstätigen und damit einhergehend auf weniger Stress. Das aber wohl wichtigste Argument für Remote Work: Die Mehrheit der Mitarbeitenden wollen laut der DAK-Studie das Homeoffice nicht mehr missen: Mehr als drei Viertel der Beschäftigten, die seit der Corona-Krise regelmäßig in der eigenen Wohnung arbeiten, möchten diese Arbeitsform auch in Zukunft – zumindest teilweise – beibehalten.
Flexible Konzepte gefragt
Nicht zuletzt aus diesem Grund ist es nach Ansicht von Teresa Hertwig, Autorin des Buches „30 Minuten 360° Remote Work“, nicht wirklich machbar, nach der Krise wieder zur Vollzeit-Präsenzpflicht zu wechseln. „Es war im vergangenen Jahr ein extremer Cut, die Mitarbeitenden auf remote zu setzen. Eine Rückkehr zum alten Zustand wäre ein erneuter Einschnitt – jedoch diesmal ohne Berechtigung, da die Beschäftigten im Homeoffice großen Mehrwert erzielen“, begründet Hertwig, die Organisationen bei der langfristigen Einführung von mobilem Arbeiten berät. „Für die Unternehmen gibt es keinen einfachen Weg zurück zu alten Büro-Routinen“, bestätigt Prof. Wolfgang Prinz, stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT. Stattdessen müssten flexible Konzepte entwickelt werden, die die Anforderungen und Wünsche von Arbeitgebern und -nehmern gleichermaßen erfüllen.
Wie aber können solche
Konzepte aussehen?
Wie gelingt Remote Work? Zunächst: Es geht nicht allein um Homeoffice. Remote Work, so stellt Teresa Hertwig klar, betrifft die Arbeitsweise und kann auch außerhalb des heimischen Büros stattfinden. „Solange die Leistung erbracht und Arbeitsziele erreicht werden, ist es egal, wo die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeiten“, sagt sie. Wichtig seien aber klare Regeln. „Wie viel Freiheit wird den Mitarbeitenden gegeben? Das muss eindeutig definiert werden“, so Hertwig. Heißt unter anderem: Die Unternehmen sollten die Dos und Don’ts der virtuellen Zusammenarbeit festlegen. Zudem tun sie gut daran, nicht nur die mobilen Arbeitstage zu bestimmen – Hertwig empfiehlt zwei Tage pro Woche –, sondern auch gemeinsame Präsenztage. „Es ist wichtig, ein oder zwei Wochentage zu haben, an denen die meisten Mitarbeitenden im Büro anwesend sind, um nicht-virtuelle Besprechungen durchführen zu können und Fragen untereinander zu klären“, so die Remote-Work-Expertin.
Kernarbeitszeiten festlegen
Nach Erkenntnissen der Studie des Fraunhofer FIT sind zwei Dinge für die Teamperformance unter Homeoffice-Bedingungen entscheidend: die Erreichbarkeit der Kolleginnen und Kollegen sowie die technische Ausstattung. Bernd Kleinschrod, der mit seiner Digitalagentur „Webraketen“ schon länger komplett remote arbeitet, hat für Ersteres eine klare Empfehlung: Kernarbeitszeiten festlegen. Für seine Firma bewährt haben sich die Zeiten von neun bis zwölf Uhr und von 13 bis 15 Uhr. „Ob der Frühaufsteher bereits morgens um sechs Uhr anfängt, die Eule sich abends um 22 Uhr noch mal an den PC setzt oder der High-Performer in fünf Stunden sein komplettes Tagwerk vollbringt, ist dabei gleich“, sagt Kleinschrod. Während der Kernarbeitszeit müssen laut dem Remote Worker alle Kommunikationskanäle offen sein. Zudem empfiehlt er, Response-Zeiten festzulegen: „Die Mitarbeiter sollten innerhalb von 15 bis 20 Minuten auf Direkt- bzw. Chatnachrichten – Slack, Skype etc. – reagieren, um eine schnelle und effiziente Kommunikation zu ermöglichen. E-Mails hingegen sind innerhalb von 36 Stunden (werktags) zu beantworten“, so Kleinschrod. Wichtig sei, deutlich zu machen, dass sich die Regelungen nur auf die Kernarbeitszeit beziehen. Es dürfe kein „Ich muss immer erreichbar sein“-Stress entstehen, dies sei auf Dauer zu belastend.
Kollaborations-Tools nutzen
Die von Kleinschrod bereits angesprochenen Kommunikationskanäle bzw. Kollaborations-Tools sind laut Teresa Hertwig für erfolg-
reiches Remote Work unentbehrlich. „Die einfache E-Mail reicht nicht aus. Wichtig ist, dass die Mitarbeitenden in Echtzeit miteinander kommunizieren können und ihre Erreichbarkeit sichtbar wird“, sagt sie.
Für einen Überblick über die Aufgabenverteilung und den jeweiligen Status quo rät sie zudem dazu, ein Aufgabenmanagement-Tool zu installieren. „Im Prinzip ist damit mehr Kontrolle möglich, als wenn die Mitarbeitenden ohne ein solches Tool vor Ort arbeiten“, sagt sie. Vor allem aber mute die Kontrolle nicht negativ an. Denn: Ergebnisse und nicht die Menschen würden kontrolliert.
Team-Chat
für neue Rituale
Neben den erbrachten Leistungen der Mitarbeitenden dürfen auf keinen Fall ihre sozialen Bedürfnisse vergessen werden. Laut der Studie des Fraunhofer FIT fehlen der Mehrheit der Beschäftigten im Homeoffice der persönliche Austausch mit den Kollegen sowie gemeinsame Kaffeepausen und Mittagessen. Um hier Alternativen zu schaffen und zudem die Kluft zwischen Büro und Remote Work nicht zu groß werden zu lassen, schlägt Teresa Hertwig regelmäßige virtuelle Treffen sowie Team-Chats vor.
Dies ermögliche, dass sich die Mitarbeitenden beispielsweise wie im Büro morgens begrüßen oder sich gegenseitig Bescheid geben, wenn sie mal kurz nicht am Arbeitsplatz sind. Kleinigkeiten, die aber von großem Wert für erfolgreiches mobiles Arbeiten sind. Hertwig: „Wir brauchen neue Rituale, die Interaktion unter den Mitarbeitenden ermöglichen.“
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