Zugegeben: Werbung kann mitunter ganz schön nerven. Zum Beispiel im Fernsehen. Aber ist es wirklich so, dass die Mehrzahl der Fernsehzuschauer den Sender wechselt, sobald die Werbepause beginnt? Oder gehen sie zum stillen Örtchen, zum Kühlschrank, zum … Und schreien sie es laut hinaus: „Schon wieder diese blöde Werbung!“? Nein. Eher nicht. „Werbung ist ein Teil unserer Alltagskultur“, sagt der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e.V., und sie ist natürlich in keiner Weise in einen 50-Zoll-Flatscreen einsperrbar. Werbung umgibt uns zu 360-Grad und bei nahezu jeder Gelegenheit, vom morgendlichen Blick auf die Zahnpasta-Tube bis zum Etikett auf dem erfrischenden Feierabend-Bierchen.
Zu den allerwichtigsten Werbeprodukten gehört hierzulande das Automobil, was derzeit wohl so einigen Agenturchefs die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Denn der Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA (Frankfurt am Main) prognostizierte unlängst in seinem GWA Frühjahrsmonitor 2016: „Bei der Automobilindustrie – eine der wichtigsten Kundenbranchen hiesiger Agenturen – zeichnet der europäische Geschäftsklimaindex ein düsteres Bild. Die deutsche Automobilbranche beobachtete zuletzt eine sinkende Produktion und sieht auch für die kommenden Monate keine Besserung.“ Geht es der Automobilindustrie schlecht, so leiden die Werber. Gleiches gilt für zahlreiche andere werbeintensive Branchen. Das Wohl und Wehe der Werbeagenturen hängt so stark von der Wirtschaftsentwicklung ab, wie es bei kaum einer anderen Branche der Fall ist.
Stabilität und Wachstum
Unterm Strich jedoch ist die Stimmung befriedigend: „Die deutsche Werbewirtschaft hat sich in ihrer Gesamtheit im Jahr 2015 positiv entwickelt“, lautet ein Ergebnis der aktuellen Jahreserhebung des Dachverbands ZAW mit Sitz in Berlin. Demnach stiegen die Investitionen, allein im Bereich medialer Werbung, im Jahr 2015 auf 25,45 Milliarden Euro und damit um 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch im 5-Jahres-Vergleich ist das Ergebnis konstant befriedigend (siehe Grafik). Die ZAW-Mitglieder schätzten die aktuelle Lage im Mittel als „befriedigend“ ein – auch hier der beste Stimmungswert der Branche seit fünf Jahren. Mehr noch! Bei gleich bleibenden Entwicklungserwartungen sieht Verbandspräsident Andreas F. Schubert eine weitere Wachstumsprognose von zwei Prozent für das laufende Jahr: „Stabilität und Wachstum im Werbemarkt gehen nur mit den richtigen Rahmenbedingungen. Die Politik muss ihre Aufgabe wahrnehmen, Werbung in einer souveränen Gesellschaft zu fördern: Für Innovationskraft, Produktqualität und ein sachgerechtes Preisniveau ist Werbung unverzichtbar.“ Abgesehen vom allgemeinen Trend kann die Lage in der einzelnen Werbeagentur aber höchst unterschiedlich ausfallen: „Die Höhe des Umsatzwachstums hängt unter anderem von der Größe einer Agentur und von dem Kundenportfolio ab“, lautet ein weiteres Ergebnis des GAW-Frühjahrsmonitors. Wobei der Begriff „Werbeagentur“ nicht geschützt ist und von jedermann verwendet werden kann. Entsprechend groß ist die Bandbreite zwischen und der „One-Woman-Show“ von nebenan und dem „Global-Agency-Network“ mit weltweit mehreren Tausend Mitarbeitern. In Deutschland gibt es derzeit 12.000 Werbeagenturen, wobei nur ca. 3.000 im Handelsregister eingetragen sind. Für den Unternehmer, der eine „gute Agentur“ sucht, müssen jedoch weder die Größe noch die Rechtsform entscheidende Kriterien sein. Viel entscheidender sind die Kreativleistung, das Preis-Leistungsverhältnis und natürlich der Faktor Persönlichkeit.
Die Qual der Wahl
Ob sich ein Unternehmen dann bei einer „Full-Service-Agentur“ richtig aufgehoben fühlt oder lieber für verschiedene Aufgaben der Marketing-Kommunikation (also klassisches Design, Webdesign, PR, Marktforschung, etc.) einzelne Spezial-Agenturen beauftragt, ist letztendlich eine Frage, die irgendwo zwischen kreativem Anspruch, eigenem Zeitmanagement und verfügbarem Budget beantwortet werden muss. Im Blog Internetwarriors.de wird dazu provokativ gefragt: „Generalisten: Wer alles kann, kann nichts richtig? / Spezialisten: Wer sich zu sehr spezialisiert, verliert den Blick für das Ganze?“
Emrich Welsing I redaktion@regiomanager.de
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