Die ursprünglich durch ihre Glühbirnen bekannte Osram Licht AG setzt auf umweltverträgliche Inhaltsstoffe, eine lange Produktlebensdauer und vermeidet Abfall. Auch die Achtung der Menschenrechte spielt für das Hightech-Photonik-Unternehmen eine tragende Rolle. Damit lebt Osram vor, was in Unternehmen immer mehr zum Standard werden dürfte. Denn im Business wird verantwortungsvolles Handeln gegenüber Umwelt und Menschen zunehmend zum Qualitätsmerkmal, wie Frank Immenga, Professor für Umweltwirtschaft/Umweltrecht und Direktor des Instituts für Compliance & Environmental Social Governance (ICESG) am Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier, weiß. „Firmen werden nicht mehr daran vorbeikommen, sich dem Thema Nachhaltigkeit zu stellen – insbesondere weil der gesetzliche Druck, nachhaltiger zu handeln, in den nächsten Jahren deutlich steigen wird.“
Von freiwillig zur
gesetzlichen Pflicht
Damit spielt Professor Immenga darauf an, dass das Handlungsprinzip der Nachhaltigkeit nicht wie bisher beim freiwilligen unternehmerischen Leitprinzip verbleibt, sondern zunehmend mehr gesetzlich vorgegeben wird. Betroffen sind nicht nur Großunternehmen, auch Mittelständler werden dabei in die Pflicht genommen. Bereits ab Januar 2022 fordert der Gesetzgeber, dass Unternehmen den Anteil ihres Umsatzes berichten, der als nachhaltig klassifiziert wird. Einen branchenspezifischen Rahmen zur Bestimmung nachhaltiger „grüner“ Umsätze liefert das Europäische Parlament mit ihrer Taxonomie-Verordnung (EU) 2020/852. Sinn und Zweck der Verordnung ist dabei u.a. auch, die notwendige Transparenz hinsichtlich ökologisch nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten zu bieten und sogenanntes Greenwashing zu verhindern. Denn je bedeutsamer Nachhaltigkeit in der Wirtschaft wird, desto mehr wird der Begriff auch für Marketingzwecke missbraucht.
Kreditgeber fordern
Nachhaltigkeit
Environmental Social Governance (ESG) – die Evaluierung der umweltgerechten sozialverträglichen Unternehmensführung – wird somit zunehmend mehr zum Thema. „Die Unternehmen müssen künftig Auskunft zu den ESG-Faktoren geben. Das heißt, sie müssen beispielsweise berichten, was sie tun, um die Umwelt zu schützen und um Korruption sowie Bestechung zu bekämpfen“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform. Das Unternehmen entwickelt gerade einen auf Branchendaten und Benchmarkwerten basierenden ESG-Score, der alle relevanten Nachhaltigkeitskriterien anzeigen soll. Das Instrument soll Ende 2021 für die Mitgliedsunternehmen von Creditreform zur Verfügung stehen.
Auch das Lieferkettengesetz, das Anfang 2023 in Kraft tritt, treibt das Thema voran. „Hier sind zwar zunächst nur Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden betroffen“, erläutert Hantzsch. Aber diese seien verpflichtet, die Geschäftsbereiche ihrer unmittelbaren Zulieferer auf Risiken zu durchleuchten. „Damit geraten auch kleine und mittelgroße Betriebe als Teil der Lieferkette unter Zugzwang.“ Hantzsch verweist ferner darauf, dass zusätzlicher Druck in Sachen Nachhaltigkeit künftig von den kreditgebenden Banken ausgehen wird. Hintergrund ist, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die von ihr beaufsichtigten Unternehmen in einem Merkblatt angewiesen hat, dass diese „eine Auseinandersetzung auch mit Nachhaltigkeitsrisiken sicherstellen und dokumentieren“. „Die ESG-Faktoren werden so Bestandteil der Kreditpolitik von Banken“, kommentiert Hantzsch. Jedes Unternehmen, das sich irgendwann einmal fremdfinanzieren möchte, sollte folglich bereits heute anfangen, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen.
Sich der Wichtigkeit
bewusst werden
Das Bewusstsein für die Dringlichkeit des Themas ist laut Hantzsch bei vielen Unternehmen allerdings noch nicht gegeben. Die meisten Betriebe seien mit aktuellen Angelegenheiten beschäftigt, insbesondere der Umgang mit Corona binde in den vergangenen Monaten alle Ressourcen. Hantzsch ist dennoch überzeugt: „ESG befindet sich noch im Prozess, wird seine Schlagkraft aber in nicht allzu langer Zeit haben.“ Um als Unternehmen vorbereitet zu sein, rät er dazu, sich auf jeden Fall schon jetzt eingehend mit dem Thema auseinanderzusetzen. Die zentralen Parameter dabei: zu prüfen, inwiefern das eigene Geschäftsmodell den Nachhaltigkeitskriterien genügt, und zu analysieren, ob auch die Geschäftspartner die ESG-Kriterien einhalten. Doch genau dies ist der Knackpunkt: Wie kann ein Unternehmen dies beurteilen? Seinen eigenen Mitgliedsunternehmen will Creditreform mit dem ESG-Score dabei helfen, zu erkennen, ob sie den Nachhaltigkeitskriterien gerecht werden. Es ist zu erwarten, dass weitere Ratingagenturen und Beratungsunternehmen mit ähnlichen Dienstleistungen nachziehen. Laut Hantzsch ist es auf jeden Fall sinnvoll, sich beraten zu lassen, wie man individuell vorgehen sollte.
Aktivitäten offenlegen
Für das Verfassen der geforderten Nachhaltigkeitsberichte indes hilft die Global Reporting Initiative GRI. Mit ihren GRI-Richtlinien will sie nachhaltige Entwicklung weltweit unterstützen und gleichzeitig Firmen, Regierungen, Investoren, Arbeitnehmern und einer interessierten Öffentlichkeit vergleichbare Entscheidungs- und Orientierungshilfen bieten. In diesem Zuge hat die Initiative für Unternehmen/Organisationen einen Leitfaden für Nachhaltigkeitsberichte entwickelt. „Für die Unternehmen kommt es nicht nur darauf an, in Sachen Nachhaltigkeit aktiv zu werden, sondern vor allem auch offenzulegen, was sie tun“, betont Professor Frank Immenga. Alles in allem sei es das Ziel, ein Niveau ähnlich der Finanzberichte zu erreichen.
Zuständigkeit klären
Um ESG insgesamt anzugehen, empfiehlt Professor Immenga, eine(n) Beauftragte(n) für Nachhaltigkeit im Unternehmen zu benennen, der oder die sich dem Thema annimmt. „Wichtig ist erst einmal, eine Zuständigkeit zu schaffen“, sagt er. Die verantwortliche Person sollte eine ESG-Risikoanalyse machen, die Gesetzmäßigkeiten zu ESG kennen und im Auge behalten. Zudem sei zu checken, was die geschäftlichen Vor- und Nachteile einzelner nachhaltiger Aktivitäten sind und was sich für das Unternehmen letztlich lohnt. Um ESG im Unternehmen umzusetzen, müssten wiederum Unternehmens-Richtlinien sowie Anreiz-Regelungen festgelegt werden. „Wenn man das Management verpflichtet, nachhaltig zu agieren, ist es sinnvoll, sie einem entsprechenden Rating zu unterziehen, welches in die Vergütung einfließt“, gibt Professor Immenga ein Beispiel. Für das Rating insgesamt sei wiederum eine ESG-Ratingfirma hinzuzuziehen. Insgesamt tun die Unternehmen laut dem Professor für Umweltwirtschaft/Umweltrecht gut daran, schnell aktiv zu werden. Denn: „In Sachen ESG wird es monatlich konkreter!“
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