Wenn in der Öffentlichkeit generelle Statements über unfähige Männer in Führungspositionen fallen, geht der erste Blick intuitiv zur Quelle: Kommt das etwa von einer dieser „Emanzen“? Ah, nee – ein Mann hat’s gesagt! Es ist gut, wenn Männer über Männer reden, dann kann man dem Thema nämlich ruhig ein bis zwei Momente Aufmerksamkeit schenken. (Wenn eine Frau eine kontroverse These über männliches Führungsvermögen äußern würde, hätte sie vielleicht nur einen P-Neid – P wie „Position“, versteht sich.) Der argentinische Psychologe und Sozialwissenschaftler Tomas Chamorro-Premuzic hat in einer Studie untersucht, was hinter dem Phänomen steckt, dass augenscheinlich so häufig inkompetente Männer ausgerechnet an der Spitze einer Entscheidungskette sitzen. Zumal gleichzeitig wahrscheinlich nachweisbar kompetentere Personen (Frauen genau wie Männer) ebenso zur Verfügung stehen würden. Sein Ergebnis, das er in der „Harvard Business Review“ veröffentlicht hat: Das Problem liege an uns. Also – an uns allen, die wir gemeinsam die Gesellschaft bilden. Weil in den Menschen der westlichen Industrienationen eine tief verankerte Fehlannahme stecke: Sie können nicht zwischen der Überzeugung, die eine Person von sich selbst hat, und dem tatsächlichen Können dieser Person unterscheiden. Überheblichkeit, Arroganz und eine laute Selbstvermarktung helfen danach viel stärker, die Karriereleiter hochzuklettern, als eine Ahnung davon zu haben, was man eigentlich tut. Ein Mann wie Donald Trump ist dafür vielleicht das deutlichste aktuelle Beispiel: Der US-Präsidentschaftskandidat hat bestenfalls eine sehr lockere Beziehung zu logischer argumentativer Konsistenz oder Sachkenntnis von irgendwas, aber anscheinend funktioniert seine dröhnende Selbstüberschätzung erschreckend gut in der Öffentlichkeit. Und warum sind immer wieder ausgerechnet die sich selbst überschätzenden Männer an der Spitze? Warum nicht die überheblichen Frauen? Chamorro-Premuzic sagt dazu: Frauen seien nun einmal insgesamt zurückhaltender und selbstkritischer – entsprechend seltener tonangebend. Aggressive, narzisstische und selbstbezogene Tendenzen: Für einen Erfolg an der Spitze seien diese Eigenschaften ausschlaggebend. Fachwissen nicht unbedingt. Studien sind ja irgendwie dafür da, dass wir aus ihnen lernen: Frauen sollten sich jetzt aufgefordert fühlen, das „Fake you till you make it“ zu verinnerlichen. Zu Deutsch heißt das mehr oder weniger: Wenn du es nicht kannst, tu einfach so, als wüsstest du, was du machst. Und Männer, müssen die auch was lernen? Diejenigen auf den Chefsesseln eher nicht, die sind ja schon oben. Alle gemeinsam könnten wir vielleicht mal anfangen, hinter die Fassaden der Selbstdarsteller zu schauen. Nur so ein Vorschlag! Interessant wird es übrigens, wenn man sich mit weiteren Arbeiten des argentinischen Wissenschaftlers auseinandersetzt. Man stößt auf Artikel, die mit der kontroversen These „Gute Chefs sind langweilig“ überschrieben sind. Dort heißt es dann: Effektive Führungskräfte seien vorhersehbar und zuverlässig, beherrscht, umgänglich und emotional reif. Hmmm … Nein, in diese Falle stolpern wir nicht. Jahrelang haben wir an der Kompetenz gearbeitet, jetzt schrauben wir an der Selbstdarstellung. Die Langweiler überholen wir links und setzen uns selbst an die Spitze: Was ein Donald Trump nicht kann, können wir ja wohl schon lange, äh – nicht!
Julia Dombrowski | redaktion@regiomanager.de
Teilen:
Weitere Inhalte der Serie