Management

Industrie 4.0 erfordert neue Ausbildungsinhalte

Eine umfassende Studie hat den Qualifizierungsbedarf im Maschinen- und Anlagenbau genau analysiert. 

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von Regiomanager 01.04.2016
Foto: © fotohansel – stock.adobe.com

Industrie 4.0 verändert die Arbeitswelt, so viel ist klar. Damit diese Umstellung auch gut funktioniert, brauchen Mitarbeiter eine entsprechende Bildung. Welche Anforderungen die vierte industrielle Revolution heute und in naher Zukunft speziell an die Qualifizierung im Maschinen- und Anlagenbau hat, damit hat sich in den letzten Monaten eine Studie der Uni Hohenheim befasst. Mitte Mai wurden die mit Spannung erwarteten Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentiert. „Im Zentrum von Industrie 4.0 steht weiterhin der Mensch. Der Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommt daher zukünftig eine noch größere Bedeutung zu“, sagte eingangs Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), der die Studie beauftragt hat. Basis der Erhebung sind bestehende Datensätze aus Erwerbstätigenbefragungen, Online-Befragungen von Qualifizierungs-Verantwortlichen sowie Einzelinterviews und Gruppendiskussionen in VDMA-Mitgliedsunternehmen. „Unsere Studie kombiniert bewusst quantitative und qualitative Methoden. Dies ermöglicht intensive Einblicke in eine komplexe Materie“, erklärte die Leiterin der Studie, Prof. Dr. Sabine Pfeiffer von der Universität Hohenheim.

Ausgangslage gut,
aber ausbaufähig

Im ersten Teil der Studie wurde zunächst untersucht, wie es um die allgemeine Qualifizierung im Maschinenbau bestellt ist. Und die ist im Branchenvergleich überdurchschnittlich gut: 59 Prozent der Befragten gaben demnach einen beruflichen, 24 Prozent einen akademischen Abschluss und 14 Prozent eine Fortbildung zum Meister oder Techniker an. Bei den gewerblich-technischen Ausbildungsberufen dominieren die klassischen Metall- und Zerspanungsberufe und der Mechatroniker, ein Hybridberuf. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Maschinen- und Anlagenbau sind hervorragend qualifiziert, können mit Komplexität umgehen und sind daher für Industrie 4.0 gerüstet“, betonte Prof. Pfeiffer. Die Studie zeige aber auch, dass die Belegschaft kontinuierlich weiterqualifiziert werden muss und bestehende Berufsbilder inhaltlich an die Erfordernisse von Industrie 4.0 angepasst werden müssen. Neue Berufe seien aktuell nicht gefragt.
Das relativ neue Berufsbild Produktionstechnologe, das besonders gut den Anforderungen einer Industrie 4.0 genügen soll, wird dagegen von fast 90 Prozent der befragten Unternehmen nicht oder nicht mehr ausgebildet. Die Begründung: mangelnder Bedarf, Thema verpasst oder Berufsbild unbekannt. Insgesamt herrscht unter den befragten Unternehmen zudem eine eher bodenständig abwartende Haltung in Bezug auf eine innovative Qualifizierung. Wie so häufig, trifft dies eher auf die kleinen Unternehmen zu.
Der zweite Teil der Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Beschäftigten im Maschinen- und Anlagenbau Industrie 4.0 intensiver erleben, als dies in anderen Branchen der Fall ist. So wurden 52 Prozent der Beschäftigten in den letzten zwei Jahren vor der Befragung mit neuen Computerprogrammen konfrontiert. Das trifft allerdings nicht auf die für die Qualifizierung Verantwortlichen zu – sozusagen die Entscheider: Nur bei rund zwei Prozent spielten neue Computerprogramme hier eine Rolle. Insgesamt wird Industrie 4.0 bei der Mehrheit der befragten Unternehmen als wichtig eingeschätzt – sowohl bei der Erstausbildung als auch bei der Weiterbildung. „Abwartende“ Betriebe verankern das Thema eher in der Weiter- als in der Erstausbildung.

Der Blick Richtung 2025

Im dritten und vierten Schritt der Studie wurde in die nahe Zukunft geschaut, die Zeitspanne bis ins Jahr 2025 betrachtet. Was die allgemeine Qualifizierung angeht, schrieben über 90 Prozent der Befragten hier dem dualen Studium und beruflichen Weiterbildungssystemen eine zunehmende Bedeutung zu. Gleichzeitig erwartet fast die Hälfte, dass die Meister-Fortbildung unwichtiger wird. Webbasierte Lernmodule als Ergänzung werden zudem begrüßt. Konkret auf Industrie-4.0-Anwendungen bezogen, gibt es auch interessante Einschätzungen: Während die aktuell stärksten Technikthemen Robotik und Web 2.0 nach Meinung der Befragten bis 2025 unbedeutender werden, sollen sich cyber-physische Systeme und Wearables zu den Top-Themen mausern. Was die Qualifizierung für Industrie 4.0 bis 2025 betrifft, sehen sich die Befragten im Maschinenbau insgesamt gut aufgestellt: Zwar werden substanzielle Veränderungen erwartet, diese werden der beruflichen Aus- und Weiterbildung aber zugetraut.
Als wichtigster Lernort dafür wird die Hochschule in der Pflicht gesehen und nicht die Erstausbildung in den Betrieben. Diejenigen Befragten, die den Betrieb als wichtigen Lernort für Industrie 4.0 sehen, kümmern sich dagegen heute schon um entsprechende Qualifizierungen. Datenschutz und Big Data sind aktuell bereits bedeutendere Ausbildungsthemen als die im engeren Sinne fachlich-technischen Anforderungen. Dafür ist eine stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit gefragt: „Die Verantwortlichen für Aus- und Fortbildungen sollten hierzu frühzeitig in strategische Industrie-4.0-Prozesse eingebunden werden. So können neue Lernkonzepte von Beginn an entwickelt und in die Strategie integriert werden“, erläuterte Rauen.
„Das Studienergebnis ist für uns ermutigend und fordernd zugleich“, kommentierte Hartmut Rauen abschließend. Mit ihren Empfehlungen liefere die Studie zahlreiche Ansatzpunkte für die weitere Arbeit. Mit der IG Metall, Gesamtmetall und dem Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie, ZVEI, hat der VDMA bereits eine Vereinbarung geschlossen, um neue Inhalte für die bestehenden Ausbildungsberufe der Metall- und Elektroindustrie zu erarbeiten. Darüber hinaus soll der Beruf des Produktionstechnologen stärker beworben und ein Beitrag geleistet werden, um das Thema Industrie 4.0 stärker in die Berufsschulen zu tragen. Thomas Corrinth I redaktion@regiomanager.de

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