„Wir schaffen das!“ Angela Merkel hat ihren Satz aus dem vergangenen Jahr im Juli wiederholt. Skeptiker glauben nicht daran und auch wohlwollenden Menschen wird schnell klar, dass es noch eines hohen Maßes an persönlichem Einsatz und verbesserter Rahmenbedingungen bedarf, wenn Flüchtlinge wirklich erfolgreich in Deutschland integriert werden sollen – wirtschaftlich und gesellschaftlich.
Doch bei aller Kritik und Skepsis, es gibt auch Menschen, die Merkels Wortwahl teilen. Wie zum Beispiel Peter Waldbröl, Geschäftsführer der Jugendberufshilfe (JBH) Düsseldorf: „Ja, wir können das schaffen, aber wir müssen dabei einige Hürden überwinden.“ Bereits 2013 startete die JBH ein Projekt für allein reisende Jugendliche mit geringer Bleibeperspektive. Als Kooperationspartner stehen neben zahlreichen Unternehmen das Albrecht-Dürer-Berufskolleg (Gastronomie), Franz-Jürgens-Berufskolleg (Metall) und Elly-Heuss-Knapp-Berufskolleg (Soziales) zur Seite. Neun von zehn Auszubildenden des ersten Jahrgangs haben auf Anhieb ihre IHK-Prüfung als Fachkräfte im Gastgewerbe bzw. für Metalltechnik bestanden. Auch die weiteren Jahrgänge sieht Waldbröl auf einem guten Weg. Im vergangenen Jahr haben auch sechs Sozialassistentinnen ihre Ausbildung begonnen, am 1. September startet der neue Jahrgang mit neun Jugendlichen in den Bereichen Gastronomie und Metall. „Wir haben dann aktuell 25 junge Flüchtlinge in der Ausbildung“, sagt Waldbröl. Gefördert wird das Projekt vom Land NRW, der Stadt Düsseldorf und der Paul-und-Mia-Herzog-Stiftung. „Die von uns geförderten Jugendlichen erhalten aufgrund ihres Status keine andere Förderung. Sie sind eigentlich zum Nichtstun verdammt, aber das ist vollkommen kontraproduktiv. Da gilt es, Folgen wie das Abrutschen in die Kriminalität zu vermeiden.“ Durch die Ausbildung können die jugendlichen Flüchtlinge ihren Aufenthaltsstatus verbessern, wenngleich es nicht in jedem Fall gelingt, eine Abschiebung zu verhindern. „Aber selbst dann verlassen sie Deutschland dank des modular aufgebauten Ausbildungssystems zumindest mit einem Teilabschluss.“ Außerdem fördert die JBH nicht nur die rein berufliche Integration. Mitgliedschaft in Sportvereinen wird ebenso unterstützt wie die eigene Bleibe. „Die Situation in den Flüchtlingsheimen mit Gemeinschaftszimmern ist einfach nicht zum Lernen geeignet“, sagt Waldbröl.
Einstieg über Praktika
Das Beispiel der JBH Düsseldorf zeigt deutlich, dass die Integration von Flüchtlingen nicht erst seit 2015 ein Thema in Deutschland ist. „Flüchtlinge haben wir schon seit vielen Jahren hier und daher auch solche, die direkt vermittelbar sind“, ermuntert Norbert Woehlke, stellvertretender Geschäftsführer Berufsbildung in der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Düsseldorf. „Ab der Ankunft in Deutschland bis zur vollständigen Einbindung in den ersten Arbeitsmarkt gehen wir von etwa sieben Jahren aus.“ Meist sind Praktika der erste Einstieg und auch für interessierte Unternehmen eine gute Möglichkeit, tatsächliche Qualifikation und Engagement der Zuwanderer abzuschätzen. Auf der anderen Seite geben sie dem Flüchtling die Chance, sich im deutschen Arbeitsmarkt bzw. dem Unternehmen zurechtzufinden, und nicht zuletzt profitieren auch die vermittelnden Stellen, die eine qualifizierte Rückmeldung zu den Fähigkeiten der vermittelten Person bekommen. „Oftmals fehlen Dokumente, die die Qualifikation belegen, und es gibt nicht mehr als die mündliche Aussage der Flüchtlinge selbst“, weiß Woehlke. „Und selbst da ist manchmal nicht klar, ob sich die Ausbildungs- und Arbeitsanforderungen im Heimatland von denen in Deutschland unterscheiden.“ Die IHKs sind zuständig für diese Einschätzung und für die Gleichstellung von Bildungsabschlüssen. Hier sind Unternehmen gerne gesehen, die bei der Prüfung unterstützen, auch wenn sie selbst keine Stellen oder Ausbildungsplätze für Flüchtlinge anbieten können. Eine weitere Schwierigkeit ist die sehr heterogene Zusammenstellung in den Integrationsklassen der berufsbildenden Schulen. Da finden sich Menschen mit fertigem Berufsabschluss aus der Heimat neben nicht alphabetisierten Schülern. „Dennoch sind viele der jugendlichen Flüchtlinge sehr motiviert und müssen möglichst schnell aufgefangen werden.“ Die IHK Düsseldorf geht daher ab dem 1. September noch einen weiteren Weg: Ein „Willkommenslotse“ wird dann seine Arbeit aufnehmen und für Unternehmen beratend und unterstützend tätig sein, die beispielsweise in ihrem Umfeld bereits einen Flüchtling kennengelernt und gerne beschäftigen wollen. „Der neue Willkommenslotse unserer IHK weiß, welche Hürden zu nehmen sind, und unterstützt die Unternehmen dabei, die Angaben der Person zu überprüfen und die notwendigen Behörden einzubinden. Außerdem sind wir selbst daran interessiert, in derartige Prozesse eingebunden zu sein, um weitere Erfahrungen zu sammeln und weitergeben zu können.“
Unternehmensprogramme für Zuwanderer
Ob Flüchtlinge in einen Betrieb integriert werden können, hängt nicht von der Größe des Unternehmens ab. Der Weg wird in der Regel immer ähnlich sein: ein Praktikum zum gegenseitigen Beschnuppern oder gleich in Langzeit als Einstiegsqualifikation, danach eine Ausbildung oder Umschulung und schließlich die Festanstellung als qualifizierter Mitarbeiter. Bedenkt man die vorgeschalteten Maßnahmen zur Integration, ergeben sich die von Norbert Woehlke bereits erwähnten sieben bis zehn Jahre von der Ankunft bis zur Einbindung in den ersten Arbeitsmarkt. Das Potenzial aber ist groß: Allein für Düsseldorf und den Kreis Mettmann gehen Woehlke und seine Kollegen von vier- bis fünftausend Flüchtlingen aus, die grundsätzlich früher oder später für den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Größeren Unternehmen und Konzerne fällt es etwas einfacher, einen Teil der infrage kommenden Ausbildungsplätze für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. So wie z.B. die Siemens AG. Als einer der größten privaten Ausbilder in Deutschland sah sich das Unternehmen verpflichtet, auch für Zuwanderer spezielle Programme aufzulegen. So wurden 2015 eine Million Euro Spendenmittel und die gleiche Summe in Eigenleistung bereitgestellt, um das Praktikumsprogramm auf bis zu 100 Plätze auszuweiten. Darüber hinaus wurde am Standort Düsseldorf/Krefeld eine von bundesweit vier Förderklassen für je 16 Schüler eingerichtet. Hier wird ein sechsmonatiges Trainingsprogramm angeboten, bei dem Sprachkurse und Berufsvorbereitungen im Vordergrund stehen. Dabei macht sich der Konzern auch die Erfahrung aus dem 2012 gestarteten europäischen Ausbildungsprogramm zunutze. In Düsseldorf wurden von den ersten 16 Schülern drei in Ausbildung übernommen.
Fazit
Insgesamt bedarf es noch einiger Anstrengungen, um Flüchtlingen den Weg in den ersten Arbeitsmarkt in Deutschland zu öffnen. Heterogenität auf der einen Seite, Unsicherheiten auf der anderen und in Recht und Verwaltung noch teilweise zu hohe Hürden sind die Gründe dafür. Aber mit den ersten Ansätzen sind Grundlagen geschaffen, auf denen sich aufbauen lässt – und mit denen jedem Unternehmen Türen geöffnet werden, dem drohenden Fachkräftemangel auch mithilfe der Zuwanderer entgegenzuwirken.
Stefan Mülders | redaktion@regiomanager.de
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