Nachhilfelehrer müsste man sein. Zumindest wenn man in Südkorea lebt. In dem von Bildung regelrecht besessenen Land genießt diese Berufsgruppe nicht nur eine hohe gesellschaftliche Anerkennung – einigen ist es bereits gelungen, mit Lehrvideos und
E-Learning-Kursen zu Millionären und zu gefeierten Superstars zu avancieren. Hierzulande sind derartige Szenarien kaum vorstellbar, dennoch gewinnen die Bereiche Lernen und Weiterbildung auch in der deutschen Gesellschaft und vor allem in der Wirtschaft zunehmend an Bedeutung. „Aufgrund des raschen technischen Wandels, der Halbwertszeit des Wissens und der Internationalisierung ist lebenslanges Lernen einfach eine Notwendigkeit – sowohl für Unternehmen als auch für Individuen. Weiterbildung ist deshalb eine Zukunftsbranche“, sagt Carsten R. Löwe, Geschäftsführer des Wuppertaler Kreises, dem Verband der führenden Weiterbildungsunternehmen der deutschen Wirtschaft. Er geht davon aus, dass die Branche auch in den kommenden Jahren weiterhin Wachstumsraten verzeichnen wird. „Weiterbildung hatte in der deutschen Wirtschaft zwar schon immer einen hohen Stellenwert, dennoch sehen wir, dass die Bedeutung auch heute noch kontinuierlich zunimmt.“ Der wirtschaftliche Erfolg deutscher Unternehmen,
insbesondere von mittelständischen Betrieben, sei sicherlich ein Beleg dafür, dass sie ihre Mitarbeiter entsprechend qualifiziert und
nachhaltig in die Personalentwicklung investiert haben. „Unternehmen können letztendlich nicht innovativ und wettbewerbsfähig sein, wenn die Qualifikation nicht stimmt.“ Die Initiative geht heute aber auch von den Mitarbeitern selbst aus, die angespornt von der Diskussion um Employability (Arbeitsmarktfähigkeit) unabhängig vom Arbeitgeber in die eigene Weiterbildung investieren wollen.
Veränderungen bewältigen
„In den Unternehmen geht es nicht ausschließlich ums Vermitteln von Know-how, sondern auch um persönliche Weiterentwicklung und Veränderungsprozesse“, gibt Bernhard Siegfried Laukamp, Leiter des Weiterbildner-Netzwerkes Trainertreffen Deutschland (TTD), zu bedenken. „Eine Firma, die heute so aufgestellt ist wie vor 20 Jahren, dürfte Schwierigkeiten bekommen, da Menschen sich verändern – sowohl diejenigen, die im Unternehmen arbeiten als auch deren Kunden.“ Seminaranbieter würden dabei helfen, diese Veränderungsprozesse besser und schneller zu bewältigen. „Aktuelle Probleme, die im Unternehmen auftauchen, versuchen wir mit unseren Möglichkeiten zu lösen.“ Als Beispiel könne derzeit die Integration von Flüchtlingen angeführt werden. „Es geht nicht nur darum, Asylbewerbern Weiterbildungsmöglichkeiten in den Bereichen Sprache und Kultur anzubieten, sondern auch darum, Führungskräfte im Umgang mit Flüchtlingen zu coachen. Wie verhalte ich mich beispielsweise, wenn es zu Konflikten mit Mitarbeiterinnen kommt, weil der Asylsuchende Probleme mit der Gleichstellung hat?“ Letztendlich spiele in der Weiterbildung eben auch die Vermittlung von Werten eine große Rolle. „Unter den Seminaranbietern gibt es Spezialisten, die sich intensiv mit diesen Fragestellungen beschäftigen.
Dennoch ist sicher nicht jeder Trainer für diese Aufgabe geeignet.“
Genau hinschauen
Aus diesem Grund ist es wichtig, bei der Auswahl eines Weiterbildungsanbieters genau hinzuschauen. „Man sollte zunächst herausfinden, wie und wo der potenzielle Seminaranbieter „verankert“ ist: Ist er ein Weiterbildungsdienstleister der Wirtschaft? Hat er ein Qualitätsmanagementsystem?“, so Carsten R. Löwe. „Sinnvoll ist es zudem, sich über Referenzen zu informieren. Vielleicht ist es möglich, einen der genannten Auftraggeber zu kontaktieren, um zu erfragen, welche Erfahrungen mit dem Anbieter gemacht wurden.“ Auch die Geschäftsbedingungen dürfen nicht außer Acht gelassen werden. „Ganz wesentlich ist ein Blick auf die angebotene Dienstleistung oder das Seminar: Zielgruppe, Ziele der Maßnahme und Lernmethoden müssen ganz konkret beschrieben sein.“ Um beispielsweise zu vermeiden, dass in einer offenen Veranstaltung Teilnehmer mit unterschiedlichem Wissensniveau sitzen, empfiehlt es sich, mehr über die geforderten Voraussetzungen in Erfahrung zu bringen. Erfragen sollte man, ob am Ende ein Zertifikat oder eine Teilnahmebescheinigung ausgestellt wird. „Bildungseinrichtungen haben sich zu Dienstleistungsunternehmen entwickelt, die auf Wunsch alle Phasen des Bildungsprozesses begleiten und sowohl bei der Ermittlung des Bildungsbedarfs als auch bei der Ausarbeitung eines Konzeptes, der Planung sowie der Durchführung der ausgewählten Maßnahme zur Seite stehen“, sagt Löwe.
Bei der Vielzahl von Anbietern sei der Wettbewerb durchaus stark und werde immer härter. „Wichtig ist es, abschätzen zu können, was die Betriebe benötigen und verlangen – und welche Themen morgen relevant sein werden. Die Weiterbildungsunternehmen der Wirtschaft verstehen sich als lenende Organisationen, die in Kooperation mit ihren Kunden, der Wissenschaft und Experten durch neue Lernformen und Evaluierungen der Maßnahmen den Lernprozess ständig optimieren.“
Neue Lernmethoden
Somit muss sich die Branche stetig auf neue Themen und Lernmethoden einstellen. Einfluss nehmen seit einigen Jahren u.a. die „Neuen Medien“, die zur Etablierung innovativer Lernformate beigetragen haben.
„E-Learning ist schon lange ein fester Bestandteil von Seminarangeboten. Die Entwicklung geht dahin, dass der Teilnehmer am Arbeitsplatz abgeholt wird.“ Wichtig sei, dass das Lernformat an die jeweiligen Bedürfnisse des Unternehmens bzw. des Lernenden angepasst wird. Immerhin stehen vom klassischen Seminar über Einzel- oder Gruppencoachings bis hin zu webbasierten Trainings und Videotelefonie vielfältige Möglichkeiten zur Auswahl.
„Früher wurden Mitarbeiter fünf Tage zu einem Seminar geschickt; das ist in unserer schnelllebigen Zeit kaum noch möglich. Weiterbildung muss heute oftmals am Arbeitsplatz oder zu Hause nach Feierabend durchgeführt werden“, sagt Bernhard Siegfried Laukamp. „Allerdings ist es in vielen Fällen absolut notwendig, dass die Lernenden mal rauskommen oder dass der Coach anwesend ist, um direkt intervenieren zu können.“ Aus diesem Grund ist die Persönlichkeit des Seminarleiters ganz entscheidend für den Lernerfolg. „Dieser agiert nicht nur als Vermittler von Informationen, sondern auch als Katalysator, um bei den Teilnehmern eine Entwicklung anzustoßen. Deshalb ist ein guter Trainer auch nicht auswechselbar“, fährt Laukamp fort. Dennoch schrecken viele Unternehmer vor den Preisen zurück. „Kosten können sich durchaus auf über 1.000 Euro pro Tag belaufen. Man muss aber wi sen, dass ein Trainer nicht 365 Tage im Jahr Seminare geben kann, weil noch andere Aufgaben wahrgenommen werden müssen. Es ist im Grunde so, dass Trainer auch dafür bezahlt werden, dass sie mehr wissen als ihre Auftraggeber.“ Das heißt, sie müssen sich kontinuierlich fortbilden und neue Themen sowie Lernmethoden aufarbeiten, um auf dem
aktuellsten Stand zu bleiben. „Nur wer sich stetig weiterentwickelt, bleibt interessant.“
Schwer abgrenzbarer Markt
Gleiches gilt auch für andere Anbieter von Seminaren. Dabei stellt sich der Weiterbildungsmarkt insgesamt als sehr vielfältig und schwer überschaubar dar. Immerhin ist die Branche in viele Teilbereiche gegliedert, in denen sich Dozenten, Coaches, Berater, Bildungsmanager oder Trainer um unterschiedliche Aufgabenfelder kümmern. Zu den Seminaranbietern zählen sowohl private Einrichtungen und selbstständige hauptberufliche Trainer als auch Volkshochschulen, andere öffentliche Träger, Einrichtungen der Wirtschaft oder konfessioneller Verbände sowie berufsbildende Schulen. Wer an einem Seminar teilnehmen möchte, sollte somit auch ausreichend Zeit einplanen, um den geeigneten Anbieter zu finden. „Investiert man in gute Seminare und ist auch bereit, die nötigen Hausaufgaben zu machen“, sagt Laukamp, „wird man feststellen, dass die Investition auch eine Rendite abwirft. Jessica Hellmann | redaktion@regiomanager.de
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