Seit 1900 existiert in Deutschland der Beruf der Patentanwälte. Sie agieren an der Schnittstelle zwischen Technik und Naturwissenschaften auf der einen und dem Recht auf der anderen Seite, indem sie den rechtlichen Schutz von Innovationen auf diesen Gebieten erwirken und durchsetzen. Gerade in einem Land, in dem die Bedeutung von Rohstoffvorkommen immer weiter abnimmt, hängt die Prosperität jetzt und in Zukunft in immer stärkerem Maße von Erfindungen und ihrer Nutzung ab. Patentanwälte haben damit wirtschafts- und gesellschaftspolitische Relevanz.
Anspruchsvolle Ausbildung
Dementsprechend aufwendig ist die Ausbildung. Ein abgeschlossenes naturwissenschaftliches oder technisches Hochschulstudium von fünf bis sechs Jahren Dauer ist Pflicht. Ihm folgt nicht selten noch eine Promotion. Dem schließen sich eine etwa dreijährige Zeit in einer Patentanwaltskanzlei und eine berufsbegleitende juristische Ausbildung an der Fernuniversität Hagen an, außerdem ein Ausbildungsabschnitt von zwei Monaten beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) und sechs Monaten beim Bundespatentgericht. Da die internationale Durchsetzung von Patentschutz schon immer notwendig war und eine entsprechende Qualifikation nie notwendiger als heute, komplettieren die meisten Berufsanfänger ihre Ausbildung schon gleich zu Anfang mit einer anspruchsvollen europäischen Zusatzqualifikation. Hier ist die Durchfallquote extrem hoch. Ein erfolgreicher Patentanwalt wird anschließend Mitglied der internationalen Berufsorganisation FICPI, um Teil eines Netzwerks zur internationalen Etablierung und Durchsetzung von Patenten zu sein. Unterm Strich dauert es vom Beginn des ersten Studiums bis zur Zulassung als Patentanwalt über den Daumen zehn Jahre. Nur wenige andere Berufsausbildungen sind ähnlich fordernd.
Nur gut 15 Prozent der rund 4.000 Patentanwälte sind weiblich, nachdem die erste Patentanwältin in Deutschland 1927 zugelassen wurde. Doch die Frauen, die diesen harten Weg nach oben gehen und ihn eventuell noch mit Familien- und Kinderwunsch vereinbaren, sind von ihrem beruflichen Profil her noch einmal besonders exzellent, versichert Patentanwalt Holger Geitz, der in der Patentanwaltskammer u. a. für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Umso höher schätzt er es ein, dass Frauen sich in den Berufsgremien überdurchschnittlich stark engagieren.
Sparringspartner für Erfinder
Zwar ist keinem Erfinder verwehrt, seine Idee selbst zum Patent anzumelden. Dennoch ist ein Patentanwalt oftmals der erste Ansprech- oder auch Sparringspartner, mit dem sich ein Erfinder austauscht, ist die Erfahrung von Holger Geitz. Auf der Website der Patentanwaltskammer lässt sich nach Orten, Postleitzahlen und Fachgebieten ein passender Berufsvertreter finden. Ist er gefunden, muss er schon in dieser Phase ehrlich beurteilen, ob er mit dem Fachgebiet des Erfinders einigermaßen vertraut ist. Falls nicht, sollte er ihn unbedingt an Kollegen verweisen, sagt Geitz. Dies nützt dem Erfinder und dem Patentanwalt gleichermaßen. Denn in der Regel meldet dieser eine Erfindung zum Patent an. Wie entscheidend die Professionalität einer Anmeldung ist, zeigt sich nach der Anmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt. „Sie landen bei einem Prüfer, der zum Beispiel seit zehn Jahren nur für Scheibenwischer zuständig ist. Wenn der den Eindruck hat, Sie beherrschen noch nicht einmal das Fachvokabular, so ist das einer erfolgversprechenden Weiterverfolgung der Anmeldung zumindest nicht dienlich.“ Wird eine Anmeldung abschließend abgelehnt, so waren alle Mühen des Erfinders und Patentanwalts vergeblich. 50 bis 70 Prozent der Anmeldungen enden mit einer Ablehnung. „Jeder Patentanwalt ist froh, wenn seine persönliche Quote besser ist.“
Ein Patent wird eingetragen, wenn eine Erfindung den Stand der Technik voranbringt, also neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Es gilt dann mit Verlängerungen maximal 20 Jahre. Falls eine Erfinderidee den Stand der Technik jedoch nicht voranbringt, wird die Anmeldung abgelehnt. Patentanwalt Geitz empfiehlt Erfindern, diese Frage vor der Anmeldung von Dritten recherchieren zu lassen, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden. Geitz macht dies gern, andere Berufsvertreter lehnen nach seiner Erfahrung eine solche Recherche jedoch aus Haftungsfragen ab. Die meisten Patentanmeldungen beim DPMA entstammen dem Technologiefeld Transport, gefolgt von „elektrische Maschinen und Geräte, elektrische Energie“, Maschinenelemente, Messtechnik und schließlich „Motoren, Pumpen und Turbinen“. Zwar steigen die Patentanmeldungen kontinuierlich. In zentralen Zukunftsbereichen wie Elektromobilität und Klimawandel liegt Deutschland jedoch nicht mehr vorn. Für wirksamen Patentschutz auch im Ausland existieren verschiedene erprobte und wirksame Verfahren, sowohl bei einer Anmeldung beim Münchner DPMA als auch beim dort direkt benachbarten
Europäischen Patentamt (EPA).
„Tödliche Kugel“
In Indien, so Geitz, gebe es Spezialanbieter, die eine sogenannte „Silver Bullet Research“ durchführen, ein Begriff, der an die einzige Kugel im Trommelrevolver beim Russisch Roulette erinnert. Um ein erteiltes Patent zu Fall zu bringen, recherchieren solche Agenturen für ihre Auftraggeber, ob nicht ein Patent hinter dem Stand der Technik zurückbleibt und somit nichtig ist.
Streit- oder ausgleichsorientiert
Im Prinzip unterscheiden sich die Patentanwaltskanzleien in ihrer Ausrichtung: Die einen sehen ihre Aufgabe eher im Pflegen und Verwalten von Schutzrechten. Dazu gehört auch der Abschluss von Lizenzverträgen, denn der Inhaber eines Patents kann gutes Geld verdienen, indem er Dritten die Nutzung gegen Gebühren gestattet. Bei Konflikten gibt Holger Geitz mit seiner Kanzlei „Geitz Truckenmüller Lucht Christ“ einer außergerichtlichen Beilegung den Vorzug – etwa zwei Drittel der Streitigkeiten werden bei ihm so aus der Welt geschafft, schätzt er. Andere Kanzleien konzentrieren sich eher auf die gerichtliche Auseinandersetzung.
Tüftler gibt’s noch
Weltweit sind immer mehr Patentanwälte im Geschäft. Patentanwalt Geitz führt dies nicht auf eine erfinderischere Welt zurück, sondern einfach darauf, dass Patente für Erfinder eine gute Grundlage fürs Geldverdienen darstellen und die Entwicklungszyklen in einer Welt, die ständig auf der Suche nach dem „Next Big Thing“ ist, immer kürzer werden: Dabei werden nicht nur die Erfinder bereichert, sondern nach Ablauf des Patentes wir alle, indem wir dann die in dem Patent offengelegte Erfindung frei benutzen oder weiterentwickeln können. Wie in fast allen Branchen gibt es auch bei den Patentanwälten die Tendenz zu immer größeren Einheiten. Die Patentanwalts-Branche muss ständig optimal informiert bleiben, da Wissenschaft und Technik sich rasant verändern. Fragen gibt es viele: Inwieweit sind Erfindungen, die auf Künstliche Intelligenz zurückgehen, patentierbar? Inwieweit soll Software – heute noch nicht patentierbar – künftig in den Genuss des Patentschutzes kommen? Hochumstritten bleibt die Frage, inwieweit sich Klonwesen patentieren lassen.
Veränderungen im Büroalltag
Auch im Büroalltag und in der Erwerbsstruktur der Patentanwaltskanzleien stehen Veränderungen an, glaubt Geitz. „Wir müssen die uns anvertrauten Geheimnisse ja auch hüten.“ Dies betrifft die Verfahren, mit denen solche Berufsgeheimnisse geschützt werden. Digitale Technik wird zahlreiche kanzleiinterne Arbeitsprozesse, aber auch die externe Kommunikation mit Patentämtern etwa bei der Verlängerung von Schutzrechten und der Entrichtung von Gebühren künftig verschlanken. Holger Geitz rechnet auch damit, dass bald technische Assistenten marktreif sind, die zum Beispiel Schriftsätze auf Schlüssigkeit hin prüfen. Kaum digitalisierbar dürfte hingegen das Beratungsgeschäft sein. Hier erleben Patentanwälte nach wie vor Glücksmomente, wenn sie einem Tüftler – ja, die gibt es noch – beim Schutz einer berückend genialen Idee zur Seite stehen können.
Claas Möller | redaktion@regiomanager.de
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